In: Home > DOSSIER > Ungarn macht verbesserte Roma-Integration zu Hauptthema seiner EU-Präsidentschaft
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Von Astrid Bracht
Bozen, Göttingen, Mai 2011
Geschätzte Verteilung der Roma in Europa (Grafik: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung/www.berlin-institut.org)
Am Abend des 26. April 2011 kam es nach einer
paramilitärischen Übung der rechtsradikalen Vereinigung
"Véderö" ("Schutzmacht") in der nordostungarischen
Ortschaft Gyöngyöspata zu einer Massenschlägerei
mit ortsansässigen Roma. Auslöser war eine Attacke der
Extremisten auf einen 14-jährigen Rom. Schließlich
musste die gesamte Roma-Bevölkerung des Dorfes polizeilich
geschützt werden, Frauen und Kinder wurden sogar
evakuiert.
Diese Szenen sind leider nur ein Beispiel für das, was der
ungarische EU-Kommissar Laszlo Andor im Rahmen der ungarischen
EU-Ratspräsidentschaft (1. Januar bis 30. Juni 2011)
ändern will. Die "anhaltende Ausgrenzung der Roma" im Europa
des 21. Jahrhundert, das auf Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
beruhe, sei "nicht hinnehmbar". Bereits Anfang Januar 2011
erklärte Ungarn deshalb die verbesserte Integration der Roma
zu einer ihrer Prioritäten. Nach Bulgarien mit zehn Prozent
(750.000 Roma) und Rumänien mit neun Prozent (1.950.000) hat
Ungarn selbst hat mit sechs Prozent (600.000) den
drittgrößten Roma-Anteil gemessen an seiner
Gesamtbevölkerung. Innerhalb der EU leben mindestens zehn
Millionen Roma.
Die Europäische Kommission hatte bereits in der
Vergangenheit Maßnahmen für die europaweite
Verbesserung der Menschenrechtssituation der Roma ergriffen. Im
Rahmen der 2005 ausgerufenen "Dekade der Roma-Integration 2005
bis 2015" wurden mehrere Resolutionen zum Schutz der ethnischen
Minderheit erlassen. Geändert hat sich jedoch nicht viel.
Nach Auffassung von Victoria Mohacsi, von 2004 bis 2009
ungarische Abgeordnete des Europaparlamentes und selbst Roma,
liegt dies an den einzelnen Mitgliedsstaaten. Sie würden die
EU-Vorgaben und die bestehenden nationalen Gesetze für die
Verbesserung der Roma-Situation nicht umsetzen. So gebe es
beispielsweise in Ungarn getrennte Schulen und Klassen für
Roma und Nicht-Roma - obwohl ein Gesetz besagt, dass diese Praxis
nicht toleriert werden darf. Grund hierfür ist, dass die
EU-Kommission keine rechtlichen Möglichkeiten besitzt, um
auch nur die existierenden nationalen
Anti-Diskriminierungsgesetze Nachdruck zu verleihen.
Die EU-Kommission will die Mitgliedsstaaten nun zum Handeln
bewegen. Am 9. März 2011 verabschiedete sie ein 47-seitiges
Strategiepapier, dass auf den vier Kernpunkten Bildung,
Beschäftigung, Gesundheitsvorsorge und Unterkunft basiert.
Daraus abgeleitete Ziele lauten: Roma-Kinder sollen mindestens
einen Grundschulabschluss machen. Dies ist bisher nur bei 42
Prozent der Fall, der EU-Durchschnitt liegt bei 97,5 Prozent.
Auch die Beschäftigungsquote der Roma soll dem
EU-Durchschnitt angenähert werden. Zudem soll die
Kindersterblichkeit gesenkt und der Zugang zu Wohnraum sowie
Anschluss zu Strom und Wasser erleichtert werden.
Im Juni 2011 soll das Strategiepapier vom Europäischen Rat
beschlossen werden. Dann müssen die 27 Mitgliedsstaaten
handeln. Bis Ende 2011 müssen sie konkrete nationale
Pläne vorlegen, wie sie die Roma besser integrieren wollen.
Mit finanziellen Anreizen und Kontrollen will die EU auf die
nationalen Entwicklungen Einfluss nehmen. Etwa 26,5 Milliarden
Euro stehen hierfür bereit. Die Europäische Agentur
für Grundrechte soll jährlich Daten zur Lebenssituation
der Roma in allen EU-Staaten erheben und die Effektivität
der Maßnahmen prüfen.
Da die Mitgliedsstaaten rechtlich nicht verpflichtet sind, das
Strategiepapier umzusetzen, bleibt zu hoffen, dass die
verantwortlichen Politiker den wirtschaftlichen Vorteil einer
verbesserten Roma-Integration erkennen: So könnten
Sozialleistungen gespart und junge Arbeitskräfte für
die Wirtschaft ausgebildet werden. Denn Roma sind mit einem
Durchschnittsalter von 25 Jahren wesentlich jünger als der
durchschnittliche EU-Bürger mit 40 Jahren.
Aus pogrom-bedrohte Völker 266 (3/2011)
Siehe auch in gfbv.it:
www.gfbv.it/3dossier/sinti-rom/rom2009-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/sinti-rom/romani.html |
www.gfbv.it/3dossier/sinti-rom/rom.html |
www.gfbv.it/3dossier/sinti-rom/thrakien.html
| www.gfbv.it/3dossier/sinti-rom/de/rom-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/errc-dt.html
| www.gfbv.it/3dossier/rom-dt.html |
www.gfbv.it/3dossier/sinti-rom/20041026-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/linkgfbv.html#rom
in www:
www.europarl.europa.eu/sides/getDoc.do?pubRef=-//EP//TEXT+REPORT+A7-2011-0043+0+DOC+XML+V0//DE
| www.errc.org | www.osce.org/odihr/18148.html
|
www.coe.int/t/dghl/monitoring/socialcharter/complaints/complaints_EN.asp