Runder Tisch Eurac, Bozen, 26. Oktober 2004
Inhalt |
Die "campi nomadi" werden seit über 20 Jahren in den
Städten Italiens als Wohnlösung für Roma und Sinti
herangezogen. Die Auswirkungen werden im urbanen Raum sichtbar.
Die Problematik der "campi nomadi" liegt bereits in der
Konzeption. Dieser Beitrag hinterfragt das Konzept der "campi
nomadi" und stellt ein Projekt vor, das erstens eine
Neudefinierung der "campi nomadi" vorsieht und zweitens einen
Planungsprozess beschreibt, der für mich als Planerin die
Basis bildet, um auf die Problematik zu reagieren.
Hauptproblem der "campi nomadi" aus planerischer Sicht ist die
Tatsache, dass sie als temporärer Übergangslösung
ausgewiesen werden. Dementsprechend ist ihre Situierung im
städtebaulichen Kontext und ihre hygienisch sanitäre
Ausstattung. Sie befinden sich auf jenen Arealen der Stadt, die
für die Stadt keinen qualitativen Nutzwert haben: zwischen
und unter Autobahn und Schnellstrasse, neben Kläranlagen und
Recyclinghöfen. Orte, die unweigerlich zu Orten der
Ausgrenzung werden.
Obwohl wir es mit Wohnsiedlungen zu tun haben, fallen die "campi
nomadi" im Bauleitplan nicht in die Kategorie von Wohnzonen und
Wohnsiedlungen, sondern in die Kategorie "Zone für
öffentliche übergemeindliche Einrichtungen". Der
"campo" in Bozen, der neben Trient der größte der
Region ist, veranschaulicht am deutlichsten, wohin die Planung
und städtebauliche Implementierung der "campi nomadi" in den
letzten 25 Jahren geführt hat. Fehlplanungen und Misere
wiederholen sich, wenn wir uns die Lage der "campi" in weiteren
Gemeinden und Städten Südtirols (Meran, Brixen, Lana,
Pfatten) anschauen.
Welche planerischen Schritte sind notwendig, um die "campi"
einerseits städtebaulich zu integrieren und andererseits so
zu konzipieren, dass sie auf die Bedürfnisse der Bewohner
reagieren? Anhand des "campo nomadi" in Brixen habe ich ausgehend
von einem partizipativen Planungsprozess konkret an einem
Projektmodell gearbeitet. Ziel war es einerseits den
Wohnwagenplatz für Sinti städtebaulich neu einzubetten
und andererseits auf die räumlichen
Gesetzmäßigkeiten und Bedürfnisse der
Sintifamilien zu reagieren. Um dies zu erreichen war ein
konstanter Austausch zwischen mir und den Familien
unumgänglich.
In mehreren aufeinander folgenden workshops haben wir einen
städtebaulichen Lösungsvorschlag ausgearbeitet und im
weiteren räumliche Konzepte ausformuliert, in Skizzen,
Zeichnungen und anhand von Arbeitsmodellen dreidimensional
umgesetzt. Ergebnis ist ein Wohnwagenplatz, dessen Basis eine
"piazzola" bildet, bestehend aus einer Einheit für Wohnen
und Sanitär für jede Familie, einen Gemeinschaftsplatz
und einen Parkplatz. Die Größe der "piazzola" und der
Wohn- Sanitäreinheit ist für jede Familie gleich.
Abhängig von der Anzahl der Familien kann der Wohnplatz
ausgerichtet und gestaltet werden.
Das erarbeitete Wohnmodell hat Allgemeingültigkeit für
die Wohnwagenplätze für Sinti was die räumlichen
Unterteilungen betrifft. Die Gestaltung und Anneinaderreihung
muss jedoch mit den Familien in den verschiedenen Städten
eigens ausgearbeitet werden.
Abschliessend möchte ich die für die Planung
wesentlichen Punkte zusammenfassen:
Über die Weitergabe von Besitz artikulieren sich soziale
Beziehungen zwischen den Generationen, zwischen Mann und Frau, in
der Konstruktion der Geschlechterrollen, zwischen Stadt und Land,
zwischen Dörfern. Die nicht immer gleichberechtigte
Aufteilung zwischen den Nachkommen hat Migrationsbewegungen zur
Folge und beeinflußt Heiratsbeziehungen. Die Bindung an den
Boden und die Weitergabe von Immobilien beschäftigt auch die
gegenwärtige moderne deutsch-und italienischsprachige
Generation auf jeweils unterschiedliche Weise. Ein
grundsätzliches Thema dieser deutsch und italienischen
Gesellschaft ist materieller Besitz, der von der vohergehenden
Generation erworben wird und an die nächste Generation
weitergegeben wird. Dabei ist unbestreitbar, dass es auch in
dieser Region viele gibt, die nicht zu den Besitzenden
gehören, und damit nicht direkt von diesem System
berührt werden.
Aber im heutigen Beitrag geht es nicht darum dieses
Gesellschaftsmodell zu analysieren, sondern aufzuzeigen, dass es
verschiedene Möglichkeiten gibt sozial-kulturelle
Beziehungen zwischen den Generationen zu etablieren und ein
soziales und kulturelles Erbe weiterzugeben. Die verschiedenen
Modelle, das parifizierte und das geschlossene, artikulieren sich
auf demselben geographischen Territorium.
So wie das dritte Modell, das hier durch einen Wohnwagen
repräsentiert wird, ein weiteres sozial-kulturelles Modell
darstellt. Genauso wie die beiden Höfe repräsentiert
dieser Wohnwagen eine analytische Kategorie, die ich neben die
der parifizierten und die der geschlossenen hinstelle. Warum?
Weil die Wohnwagen der Sinti sich seit Generationen auf eben
diesem geographischen Territorium befinden wie die verschiedenen
Höfe auch. Während die Besitzer und Bewohner der
Höfe sich über ihre Bindung an besitzenden Boden
definieren, und auch die Beziehung zwischen den Generationen
danach ausgerichtet ist, ist das für die Sintifamilien nicht
so. Ihre Wohnwagen und damit ihre sozialen Beziehungen bewegen
sich immer auf einem weiteren, wenn auch immer regional
begrenzten Territorium, ihre Bindung zwischen den Generationen
wird aber nicht durch Bindung an Grundbesitz geprägt.
Wenn die Eltern sterben, werden die Wohnwagen verbrannt. Alles
was der Verstorbene zurücklässt, Bargeld zum Beispiel,
wird nicht von den Nachkommen verwendet sondern für den
Verstorbenen, zum Beispiel sein besonders gestaltetes Grabmahl,
ausgegeben. Jede Generation beginnt von Neuem, sie baut auf
keiner materiellen Basis auf, sondern auf dem Respekt und der
Erinnerung für den Verstorbenen. Dieser Respekt ist das was
die Beziehung zwischen den lebenden Sinti und zwischen Lebenden
und Verstorben prägt. Nicht nur, aber auch und vor allem
über die Erinnerung und den Respekt für ihre
Verstorbenen wird die Präsenz der Sinti auf einem bestimmten
Territorium gekennzeichnet. Die Weitergabe eines Erbe artikuliert
sich in einem filigranen und subtilen Kommunikationssystem, das
nach Außen nicht sichtbar ist. Die kulturelle
Kontinuität der Sinti wird nicht über den Erhalt von
Besitz gesichert, sondern über ein von außen nicht
greifbares und nicht sichtbares System des Respektes vor den
Verstorbenen.
Wenn wir die drei Modelle, das des geschlossenen Hofes, das des
parifizierten und das des Respektes gegenüberstellen, dann
wird folgendes ersichtlich:
Das hat zur Konsequenz, dass wir uns heute in einer Situation befinden, die Folge des nie berücksichtigten dritten Modelles ist. Das dritte Modell, das ich hier sehr schematisch skizziert habe, ist in seiner individuellen Gestaltung vielfältiger und macht sich gewiß nicht allein am Wohnwagen fest. Der Wohnwagen steht aber sinnbildlich für ein sozial-kulturelles System, das sich schon immer inmitten der anderen Systeme artikuliert hat.
In Italien leben Sinti und Roma in kritischen
Lebensbedingungen, wobei die Situation der Roma, die in den 90er
Jahren aus Süd- und Ost-Europa nach Italien kamen, besonders
besorgniserregend ist. Die Einrichtung von Lagern für die
aus dem Osten stammenden Roma drückt wohl am Besten die
existierenden Vorurteile aus und zeugt zudem von einem
vollständigen Mangel an institutioneller Planung im Rahmen
der Sozial- und Aufnahmepolitik.
Im Jahr 2001, noch bevor Wahl der Lager für diese Studie
getroffen wurde, wurde eine Aufnahmestudie aller Roma-Lager in
Italien gemacht. Im Rahmen des europäischen Projekts "The
education of the Gypsy Childhood in Europe" habe ich diese Arbeit
selbst gemacht. Die Aufnahmestudie der Lager hat wichtige
Informationen hervorgebracht (geographische Lage, Herkunft der in
Italien lebenden Roma), die es ermöglichten, diese Studie
auf 5 Lager von Roma aus dem Kosova und aus Mazedonien zu
beziehen. Die Aufnahmestudie hat dabei 155 Lager, in denen
insgesamt 18.000 ausländische Roma (im Durchschnitt 115
Einwohner pro Lager) leben. Die Kosovaren und Mazedonier machen
dabei je 16% und 11% dieser Bevölkerung aus, was insgesamt
etwa 5.000 Personen bedeutet.
Für die Einwohner der Lager ist die Gesundheit der Kinder
das Thema, das am Meisten Sorgen macht. Es wurde deshalb
beschlossen, eine Studie über die möglichen Beziehungen
zwischen dem Gesundheitsbild der Kinder zwischen 0 und 5 Jahren
und den Lebensbedingungen in den Lagern der aus Mazedonien und
Kosova stammenden Roma durchzuführen. Die fünf Lager,
die dazu ausgewählt wurden, sind: das Lager Via del
Poderaccio in Florenz, das Lager Via Rovelli 160 in Bergamo, der
Hof 'Camafame' in Via Chiappa in Brescia, das Lager San Giuliano
in Mestre/Venedig und das Lager Firmian in Bozen.
Die Arbeit in den fünf Lagern wurde zwischen Dezember 2001
und März 2002 durchgeführt, um so die Folgen des
Jahreszeitenwechsels auf ein Minimum zu reduzieren. Die Studie
hat in den fünf Lagern 137 Familien erfasst, die insgesamt
737 Personen, von denen 167 Kinder zwischen 0 und 5 Jahren,
ausmachten. Bei der Geburt wurden 147 von 167 Kindern gewogen.
10% der Kinder (14/147) wogen bei der Geburt weniger als 2,5 kg.
Laut UNICEF liegt der Prozentsatz der zwischen 1995 und 1999
untergewichtig geborenen Kinder in Italien Ibei 5%.
Vergleichsweise sind die Länder, in denen 10% der Kinder mit
Untergewicht geboren wird, u.a. Ägypten, Iran und Zimbabwe
(Unicef. La condizione dell'infanzia nel mondo, 2001 - Prima
infanzia. Unicef 2000).
32% aller Kinder (53/165) hatte in den vorhergehenden 15 Tagen
Durchfall, während der Prozentsatz der Kinder mit Husten bei
55% (90/165) lag. Das Ausmass der Kinder, die in den
vorhergehenden 12 Monaten an Atmungsstörungen litt, war auf
bedeutende Weise vom Herkunftslager beeinflusst. Das Risiko, an
Atmungsstörungen zu leiden, war bei den Kindern aus den
Lagern in Florenz und Bergamo fünf Mal höher als bei
den Kindern der anderen Lager (23/90 (26%) im Gegensatz zu 5/75
(7%). OR 4.8; 95% CI 1.6-15.5). Die schlechten Wohnbedingungen
und die Tatsache, dass die Eltern als zu klein für ihr Alter
einstuften, stehen ebenfalls in enger Beziehung mit dem
Asuftreten von Atmungsstörungen im Jahr vor der
Studie.
Das Auftreten von Asthma ist höher als der nationale
Durchschnitt (7% zu 5,2%, bei "Dispnea mit Tinnitus in den
vorgehenden 12 Monaten; 4% zu 1,4% bei wenigstens vier
Anfällen von Tinnitus in den vorhergehenden 12 Monaten").
Das Ausmass der Kinder mit Asthma ändert sich zudem je nach
Wohnbedingungen, wobei progressiv schlechter werdende
Wohnbedingungen vermehr Asthmafälle bedeuten. In Bergamo,
das überfüllteste Lager mit den schlechtesten
hygienischen Bedingungen, hat den höchsten Prozentsatz an
Kindern mit Asthma, gefolgt von Venedig und Florenz: von allen
fünf Lagern wurde nur in diesen drei die Anwesenheit von
Ratten und Hautkrankheiten gemeldet.
Die Bewohner der Lager sind sich der Verbindung zwischen
Gesundheitsbild ihrer Kinder und Lebensbedingungen im Lager klar
bewusst. Je nach Herkunftslager ändert sich sowohl die
Anzahl als auch die Typologie der Krankheiten der Kinder, die von
den Befragten genannt werden. Die Situation wird dabei von den
Befragten klar analysiert, und die daraus folgenden
Zusammenhänge entsprechen der konkreten Lebenssituationen
voll und ganz. Eine höhere Anzahl der Krankheitsgründe
wird dort identifiziert, wo die Bedingungen am Schlechtesten
sind.
Die Ergebnisse dieser Studie zeigen prekäre
hygienisch-sanitäre Bedingungen auf, in denen ganze Familien
leben. Diese Familien leben bereits seit Jahren in Italien und
wollen nichts anderes, als eine normale Eingliederung in der
Gesellschaft. Die kritischen Lebensbedingungen in den Lagern
schaffen objektive Schwierigkeiten und fördern die
Vorurteile gegenüber der Roma-Bevölkerung. Im Laufe der
Jahre werden die Rechte der Kinder, die in diesen Bedingungen
geboren werden und aufwachsen, systematisch verletzt. Das Recht
auf den höchstmöglichen Standard physischer und
psychischer Gesundheit wird dabei besonders verletzt.
Es sollten Planungseingriffe unternommen werden, um die Lager
abzubauen und die dort lebende Roma-Bevölkerung so schnell
wie möglich in die Gesellschaft einzugliedern. In der
Zwischenzeit halten wir Eingriffe zur Normalisierung der
Lebensbedingungen in den Lagern als äußerst notwendig.
Tausende von Personen, die vor Diskriminierung und Krieg
geflüchtet sind, befinden sich nun in einer Situation der
institutionalisierten Erniedrigung, ohne jegliche Aussicht auf
eine Verbesserung der eigenen Lebensbedingungen.
Die in den Institutionen herrschenden Vorurteile sind das
hauptsächliche Hindernis für die Identifizierung und
Ausführung definitiver Lösungen. Die Vorurteile
verhindern eine nationale Politik, die die wahren Gründe der
Migration nach Italien der Roma beachtet und die sie daran
hindert, wieder in die Herkunftsländer zurückzugehen.
Eine solche Politik aber wäre äußerst wichtig, um
eine Regulierung und Integration dieser Personen zu fördern,
die anstatt dessen zweckdienlich als "Nomaden" definiert werden.
Es ist zudem äußerst schwierig, transparente
Lösungen zu planen, die den Abbau der Lager und würdige
Integrationsmöglichkeiten ermöglichen. Die
Institutionen ziehen es vor, ihre Ressourcen in zeitbedingte
Notlösungen zu investieren, denn auf diese Weise müssen
sie die Ausgaben "zu Gunsten der Zigeuner" weniger rechtfertigen.
Das rassistische Vorurteil, die Roma müssten "erzogen"
werden, verhindert schlussendlich ihre Teilnahme in der Planung.
So werden grundlegende Ressourcen wie das Wissen um die
eigentliche Situation verschwendet, die auch ökonomisch
optimale Lösungen und einen Ausweg aus den verheerenden
Bedingungen der Lager ermöglichen würden.
In Südtirol und vor allem in Bozen kommt seit einigen
Jahren in den Informationsmitteln und in der geläufigen
Meinung immer wieder die Auffassung hervor, die von einigen
politischen Parteien gefördert wird, dass die Stadt eine
"Invasion von Zigeunern" erlebt, vor allem was die Verteilung von
Sozialwohnungen und die darauffolgende Verwendung von
gemeinschaftlichen Räumen, wie Haushöfe, Plätze,
usw., angeht. Diese Auffassung geht meist mit einer Wahrnehmung
von Gefahr, Drohung und widerrechtlicher Aneignung einher.
Diese "geläufige Meinung" ist das Ergebnis von
offensichtlichen Mechanismen des Aufbaus und der Wiederholung von
Vorurteilen, die von der Wirklichkeit nicht bestätigt
werden. Um dies zu beweisen, wurden verschiedene Quellen
analysiert: statistische Daten, ein Interview mit einer
Schlüsselfigur, die vom Sozialsprengel Don Bosco mit den
Bewohnern und IPES-Referenten des Viertels erarbeiteten Berichte
der Focus-groups.
Fangen wir mit der Überzeugung der "Invasion" an und sehen
uns dazu die Daten der Sinti- und Roma-Bevölkerung in Bozen
an. Die statistischen Daten bezeugen, dass die Sinti- und
Roma-Bevölkerung zahlenmäßig sehr niedrig ist und
gerade 0,5% der gesamten Bevölkerung ausmacht. Davon lebt
nur ein Teil in Sozialwohnungen, ungefähr 220 Personen, die
0,2% darstellen und im Ganzen 46 Familien sind. Die Verteilung
dieser Familien in den verschiedenen Vierteln ist nicht
ausgeglichen, vor allem wenn man bedenkt, dass im Viertel
Gries-Quirein nur zwei Familien (1 Sinti, 1 Roma) ansässig
sind, während im Viertel Don Bosco 25 Familien (6 Roma, 19
Sinti) leben. Die "gefährlichste" Situation scheint als im
Viertel Don Bosco gegeben, aber wenn wir die Roma- und
Sinti-Bewohner auf die gesamten Viertelbewohner beziehen, sind
die Zahlen wiederum äußerst niedrig: 8801 Gage (nicht
Zigeuner) Familien und 25 Sinti- und Roma-Familien!
Sehen wir uns die "soziale Gefährlichkeit" an:
Ein wichtiger Beitrag zum Thema ist das Interview an einen
Beamten der Stadtpolizei. Zur Zeit des Interviews, gegen Ende des
Jahres 2003, hatten sich einige Zwischenfälle ergeben,
für die hauptsächlich Minderjährige Sinti zur
Verantwortung gezogen wurden. Dabei handelte es sich allerdings
um den üblichen Lärm der Jugendlichen, wie
Streifzüge mit dem Moped, Lärm in den Haushöfen,
usw. Von einer reellen "sozialer Gefährlichkeit" kann dabei
nicht die Rede sein. Andere deviante Verhaltensweisen, wie z. B.
Drogenhandel, können nur auf einzelne Personen bezogen
werden, die zudem von der eigenen Gruppe verurteilt und
ausgegrenzt wurde. Der Beamte hat zum Schluss unterstrichen, dass
sich die Situation sehr verbessert hatte.
In den Focus groups, die vom Sozialsprengel Don Bosco organisiert
wurden, bezogen sich die häufigsten Klagen der
Viertelbewohner auf die Konzentration der Sinti- und Roma-
Familien im Viertel und auf die Unbeachtung der Hausregeln, wie
z.B. die Verwendung der gemeinsamen Räume, usw. Die Berichte
der IPES-Viertelvertreter sprachen auch von allarmierenden
Verhaltensweisen der Sinti- und Roma-Familien in den Wohnungen.
Analysieren wir also diese Daten: Die Sinti- und Roma-Familien,
die wegen unkorrekten Verhaltens gemeldet wurden, waren im Ganzen
nur 8. Geklagt wurde über die Unbeachtung der Hausregeln,
unschickliche Balkone, Lärm der Kinder in den Ruhezeiten,
Störung der Nachbarn und schlechtes Parken.
Es ist wichtig fest zu halten, dass die meisten Klagen auch auf
Gage-Familien zutreffen würde, ohne das dies besondere
Aufmerksamkeit erhalten würde. Da es sich dabei allerdings
um "Zigeuner" handelt, werden diese Situationen von den Nachbarn
mit besonderem Verdruss und Ärger erlebt. Schlussendlich
können wir festlegen, dass die gesammelten Daten keineswegs
einen sozialen Alarm rechtfertigen, weder im Sinn einer Invasion
der Sozialwohnungen IPES noch im Sinn einer Gefährlichkeit
für die Bürger. Im Gegenteil stellen wir fest, dass
sämtliche Klagen und vor allem die Art und Weise wie die
verschiedenen Situationen von den Bürgern beurteilt werden,
beweisen, dass die Mechanismen des Aufbaus und der Festigung von
Vorurteilen in unserer Provinz bestens ihr Ziel erreichen.
"Roma-Lager in Italien und Gesundheit der Kinder" und "Der "gefährliche Zigeuner" und andere Geschichten" übersetzt von Sabrina Bussani.