Bozen, Göttingen, Sarajevo, Srebrenica, 19. September 2003
Amerikas ehemaliger Präsident Bill Clinton ist am Samstag
(20.9.) in Potocari bei Srebrenica, um die Gedenkstätte
für die rund 10.000 von serbischen Truppen ermordeten
Einwohner der ehemaligen UN-Schutzzone einzuweihen. Der ehemalige
US-Präsident trifft auch mit der Koordinatorin der
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und Vertreterin
der "Mütterbewegung von Srebrenica", Hatidza Mehmedovic,
zusammen. Frau Mehmedovic hat am 11. Juli 1995 ihre beiden
minderjährigen Söhne, ihren Ehemann und auch alle
anderen männlichen Familienangehörigen verloren. Sie
führt heute das GfbV-Regionalbüro in Srebrenica. Der
Präsident der GfbV - International und die Direktorin der
bosnischen Sektion der GfbV, Tilman Zülch und Fadila
Memisevic, werden morgen an der Zeremonie der feierlichen
Einweihung des Gedenkzentrums teilnehmen.
Nach Angaben des Internationalen Roten Kreuzes werden seit dem
11. Juli 1995 in und um Srebrenica 7.294 Knaben und Männer
vermisst. Die Mütterbewegung von Srebrenica spricht von
über 10.000 Erschossenen oder Vermissten, darunter Hunderte
Frauen und Kinder. Bisher wurden etwa 6.500 Ermordete aus Einzel-
und Massengräbern exhumiert, über 1.000 identifiziert
und 848 in Potocari auf dem Ehrenfriedhof beerdigt. Morgen werden
in Anwesenheit des amerikanischen Altpräsidenten weitere 105
der von serbischen Einsatzgruppen erschossenen Knaben und
Männer beerdigt werden.
"Die Einweihung der Gedenkstätte durch Bill Clinton muss
für die internationale Gemeinschaft, insbesondere auch
für alle Mitgliedsstaaten der Europäischen Union,
Aufforderung und Mahnung sein, den ca. 5.000 überlebenden
Rückkehrern in Srebrenica und dem verelendeten
Bosnien-Herzegowina insgesamt, unter die Arme zu greifen",
erklären der Präsident der GfbV-International, Tilman
Zülch und die Direktorin der bosnischen Sektion der GfbV,
Fadila Memisevic, heute in Srebrenica. "Als Symbol
schrecklichster Kriegsverbrechen ist Srebrenica in aller Munde,
aber seine verelendeten und verstreuten überlebenden
Einwohner sind ein zweites Mal verlassen worden. Die nur 5.000
Rückkehrer der 26.000 Überlebenden leben in bitterer
Armut und Angst. Sie sind täglich den Behörden der
damaligen Verfolger ausgesetzt."
Die Mütterbewegung von Srebrenica, die Bewohner der Stadt
und die Gesellschaft für bedrohte Völker International
fordern die Länder der Europäischen Union auf, ein
überzeugendes Entwicklungsprogramm für die ehemalige
UN-Schutzzone zu erstellen, sich dafür einzusetzen, dass
Srebrenica zu einem von der Republika Srpska, unabhängigen,
der bosnischen Zentralregierung direkt unterstellten Distrikt
erklärt wird und die mindestens 500 an den
Massenerschießungen Beteiligten festgenommen und vor
Gericht gestellt werden. Während die Regierungen Europas der
Aggression des serbischen Diktators Slobodan Milosevic und seinem
Versuch, die bosnische Gemeinschaft auszulöschen oder als
Vertriebene über die Welt zu zerstreuen, tatenlos zugesehen
oder sie unterstützt hat, ist Clinton als damaliger
US-Präsident - wenn auch spät - dem eingeschlossenen
Bosnien zur Hilfe gekommen.