Bozen, Göttingen, Lota, 29. September 2003
Erstmals seit dem Sturz der Allende-Regierung 1973 werden sich
die führenden Repräsentanten der rund 1,3 Millionen
Mapuche-Indianer in Chile Anfang Oktober zu gemeinsamen
Beratungen treffen. Wichtigstes Ziel ihres einwöchigen
Kongresses mit dem Titel "Für die Einheit des
Mapuche-Volkes" ist die Gründung einer eigenen
Interessenvertretung, die bei Regierung und Behörden die
Rechte der Indianer durchsetzt. Die Mapuche leiden noch immer
unter Bestimmungen aus der Ära des Diktators Augusto
Pinochet.
Als internationale Menschenrechtsorganisation für verfolgte
und unterdrückte ethnische und religiöse Minderheiten
und Ureinwohnergemeinschaften hat die Gesellschaft für
bedrohte Völker GfbV (Göttingen/Deutschland) die
Schirmherrschaft und einen großen Teil der Finanzierung
dieses ersten Mapuche-Kongresses übernommen, zu dem bis zu
350 indianische Delegierte erwartet werden. Ihre Teilnahme
zugesagt haben ebenfalls Beobachter aus europäischen
Ländern wie Menschenrechtsexperten aus Deutschland,
Frankreich und der autonomen Region Südtirol in Italien
sowie eine Politikerin aus Österreich.
Während der Kongressvorbereitungen haben sich auch
Mitglieder der chilenischen Regierung interessiert gezeigt, an
der Eröffnung des Kongresses teilzunehmen, unter ihnen der
Minister für Bau- und Wohnungswesen Jaime Ravinet de la
Fuente sowie der Innenminister José Miguel Insulza
Salinas.
Bitte tragen Sie mit Ihrer Berichterstattung über diesen
Kongress dazu bei, dass die Stimme der Mapuche in Chile soviel
Gewicht bekommt, dass sie unüberhörbar wird und die
Menschen- und Bürgerrechte der Ureinwohner endlich
durchgesetzt werden. Ihre Südamerika-Korrespondentin und Ihr
Südamerika-Korrespondent sind herzlich eingeladen zur
Eröffnung des Kongresses "Für die Einheit des
Mapuche-Volkes" am Dienstag, den 7. Oktober 2003, um 9 Uhr im
Teatro Municipal der Stadt Lota etwa 400 Kilometer südlich
von der chilenischen Hauptstadt Santiago de Chile Calle Carlos
Cousino 244 Lota Alto
Nähere Informationen (in spanischer Sprache)
und Akkreditierungen im Kongressbüro, Galvarino Rivero 080
Lota Bajo VIII Región, Chile, Tel. 0056 41 87 12 44, www.congresomapuchelota2003.dm.cl,
E-Mail IrisICastro@aol.com (auch
auf deutsch). Gern können Sie sich auch an das
GfbV-Bundesbüro in Göttingen wenden.
Zum Hintergrund:
Für die Mapuche, die rund ein Zehntel der
Gesamtbevölkerung Chiles stellen, haben die Verfolgungen des
Pinochet-Regimes nie aufgehört. Bis heute drohen ihnen nach
dem von dem Diktator erlassenen "Gesetz für die innere
Sicherheit" lange Gefängnisstrafen oder monatelange
Untersuchungshaft, wenn sie sich friedlich für die
Rückgabe ihres während der Herrschaft der
Militärjunta 1973 bis 1990 geraubten Landes einsetzen.
Zurzeit befinden sich 95 Mapuche als politische Gefangene in
chilenischen Gefängnissen. Unter ihnen sind auch zahlreiche
Minderjährige.
Besonders große Schwierigkeiten haben die Mapuche bei der
Bewahrung ihres angestammten Landbesitzes. Er wird ihnen von
Großgrundbesitzern streitig gemacht. Die Mapuche wollen das
Land vor der Zerstörung durch Staudämme und
Monokulturen bewahren. Denn nur so haben sie als traditionelle
Kleinbauern eine Zukunft in ihrer Heimatregion. Als eines der
letzten Mittel bleibt verzweifelten Mapuche oft nur der Versuch,
Land zu besetzen. Die Behörden reagieren mit
Kriminalisierung der Besetzer und gewaltsamer Vertreibung mit
Hilfe von Ordnungskräften der Waldbesitzer und staatlicher
Polizei. Über 40 Prozent der Mapuche haben diesem Druck
nicht standgehalten. Sie sind in die Städte abgewandert und
fristen dort in den Slums als Ärmste der Armen ein elendes
Leben. Die Mapuche-Sprache Mapudungun ist von Ämtern und
Behörden nicht anerkannt.
Unter Pinochet wurden die Indianer allein aufgrund ihrer
Eigenschaft als Ureinwohner verfolgt. Dies bestätigte schon
1978 eine Arbeitsgruppe der Vereinten Nationen. Die "Kommission
für Wahrheit und Gerechtigkeit", die so genannte
"Rettig-Kommission", schätzt die Zahl der von der
Militärjunta ermordeten und verschwundenen Mapuche auf mehr
als 100. 116 Namen von getöteten Indianern liegen der GfbV
vor. Noch im Juli 2003 hat der UN-Sonderberichterstatter für
Indigene Völker, Rodolfo Stavenhagen, Forderungen der
Mapuche für berechtigt erklärt, ihre Gewaltfreiheit
anerkannt und das Gesetz für die innere Sicherheit
verurteilt.