Bozen, Göttingen, 7. November 2003
Vor den Präsidentschaftswahlen am Sonntag hat die
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) auf eine
dramatische Zunahme schwerster Menschenrechtsverletzungen in
Guatemala aufmerksam gemacht. In einem 20seitigen Report
dokumentiert die GfbV Übergriffe aus den letzten zehn
Monaten auf Menschenrechtler der Maya-Ureinwohner,
Staatsanwälte, Kleinbauern und Priester. "Seit dem Ende des
Bürgerkrieges 1996 sind niemals so sehr die Menschenrechte
verletzt worden wie in diesem Jahr", wird in dem Report
festgestellt. Die politische Gewalt erzeuge ein Klima der
Einschüchterung, das die Wahlen zu einer Farce mache. In den
ersten neun Monaten dieses Jahres seien 2.832 Menschen ermordet
und 26.243 Personen durch Schüsse verletzt worden. Dies sei
eine Steigerung um 163 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
Besonders besorgniserregend seien 73 Übergriffe auf
Menschenrechtler von paramilitärischen Gruppen, die der
Armee nahe stünden. Die Angreifer drohten mit der
Erschießung ihrer Opfer, um die Herausgabe von belastendem
Beweismaterial zu erzwingen. Die Behörden seien nicht
Willens, Menschenrechtler wirksam vor Übergriffen zu
schützen. Oft weigerten sich die Sicherheitskräfte nach
Überfällen, offizielle Ermittlungen einzuleiten. So
blieben fast alle Täter straflos.
Vollkommen unzureichend sei auch die Aufarbeitung des
Völkermordes, dem zwischen 1960 und 1996 rund 200.000
Menschen zum Opfer fielen. Einer der Hauptverantwortlichen sei
der heutige Präsidentschaftskandidat Efrain Ríos
Montt, der auch in seinem Wahlkampf die Genozidopfer
verhöhnt habe. Bis heute seien nur zwei Offiziere wegen des
Völkermordes von Gerichten verurteilt worden. Sollte Rios
Montt gewählt werden, drohe das Land in Chaos und Gewalt zu
versinken.
Besonders schwierig sei die Lage der Maya-Ureinwohner, die rund
60 Prozent der Bevölkerung stellten. Erst im August habe die
MINUGUA, die Beobachtermission der Vereinten Nationen, in einem
Bericht kritisiert, die Maya würden ethnisch, rassisch und
kulturell weiterhin diskriminiert und verarmten immer mehr. Auch
komme die Regierung ihren Verpflichtungen aus dem Friedensvertrag
von 1996 nicht nach, kritisierte die Menschenrechtsorganisation.
So sollten die Militärausgaben im Jahr 2004 um 33 Prozent
gesteigert werden, während der Justiz, Polizei, Bildung und
dem Sozialwesen die Mittel gekürzt würden.