GfbV Logo HOME | INFO | NEWS | DOSSIER | TERMINE / BACHECA | KIOSK / EDICOLA | LADIN

Für ein Gesetz gegen Diskriminierung

Eine Antidiskriminierungsstelle reicht nicht aus!

Bozen, 5. Mai 2004

An die Präsidentin des Landtages, Dr. Veronika Stirner-Brantsch,
An den stellvertretenden Präsidenten, Giorgio Holzmann,
An die Vorsitzenden der Fraktionen, An die Abgeordneten des Landtages.

Die alte Roma-Lager in Bozen Süd (1995)Sehr geehrte Abgeordnete!

Die Grundrechtecharta der EU verbietet ausdrücklich rassisch, ethnisch, herkunftsbedingte und religiös motivierte Diskriminierung. Entsprechende EU-Richtlinien sollen die Umsetzung dieses Diskriminierungsverbotes ermöglichen. Die Mitgliedsländer wurden aufgefordert, diese Richtlinien in ihr Rechtsystem aufzunehmen.

Auch das autonome Südtirol sollte - trotz fehlender Kompetenz in der Ausländer- und Flüchtlingsfrage - ein eigenes Antidiskriminierungsgesetz zu erlassen. Daran gekoppelt werden sollte auch ein Integrationsgesetz, das die "Aufnahme" der "neuen Südtiroler" erleichtern sollte.

Viele Zuwanderer arbeiten saisonbedingt im Tourismus und in der Landwirtschaft, andere im Gesundheitsdienst des Landes. Trotz ihres Beitrages zum Südtiroler Wohlstand gibt es genügend Fälle von Diskriminierungen. Arbeitnehmer ausländischer Herkunft finden beispielsweise kaum Wohnungen - eine rassisch motivierte Diskriminierung. Je länger Diskriminierung geduldet wird, desto schwieriger wird es, sie zu bekämpfen. Eine Gesellschaft, die Diskriminierung duldet, zerbricht daran.

ANHANG:
Mit Artikel 13 des EG-Vertrages wurden die Organe der Europäischen Union ermächtigt, "Diskriminierungen aus Gründen des Geschlechts, der Rasse, der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung zu bekämpfen". Auf dieser Grundlage wurden folgende Maßnahmen ergriffen: die "Antirassismus-Richtlinie" [ 1 ], und die "Rahmen-Richtlinie" [ 2 ], das Programm EQUAL, und das Aktionsprogramm zur Bekämpfung von Diskriminierung 2001 bis 2006.

Inhalt der Richtlinien
Die "Antirassismus-RL" verbietet Diskriminierung auf Grund der "Rasse" und der ethnischen Herkunft in der Arbeitswelt, beim Zugang zu Bildung und zu Waren und Dienstleistungen, insbesondere Wohnraum. Die "Rahmen-RL" verbietet Diskriminierung auf Grund der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in der Arbeitswelt. Beiden gemeinsam ist also das Diskriminierungsverbot in der Arbeitswelt, während nur die "Antirassismus-RL" Diskriminierung beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen (z. B. Wasser, Strom, Zugang zu Lokalen, Kredite, Versicherungen ...) verbietet.

Dieses Diskriminierungsverbot wird durch eine Reihe von Ausnahmen durchbrochen. Für MigrantInnen ist besonders die sehr schwammige Bestimmung zu nennen, dass die Richtlinien "unterschiedliche Behandlungen aus Gründen der Staatsangehörigkeit und eine Behandlung, die sich aus der Rechtsstellung von Staatsangehörigen dritter Staaten oder staatenloser Personen ergibt", nicht betreffen. Darüber hinaus sehen beide RL vor: Beweislasterleichterungen für Personen, die behaupten, diskriminiert worden zu sein; Schutz gegen Viktimisierung (gegen Benachteiligungen, die darauf beruhen, dass jemand gegen seine/ihre oder fremde Diskriminierung tätig wird); einen wirksamen Rechtsschutz; positive Maßnahmen; sozialen Dialog (mit Organisationen der ArbeitnehmerInnen und ArbeitgeberInnen) und den Dialog mit Nichtregierungsorganisationen (NGO).

Die Antirassismus-RL enthält darüber hinaus das Gebot, eine oder mehrere Stellen zu bezeichnen, die Opfer von Diskriminierung auf unabhängige Weise unterstützen, ihrer Beschwerde nachzugehen; unabhängige Untersuchungen zum Thema der Diskriminierung durchführen und unabhängige Berichte zu veröffentlichen haben. Die größte Stärke der beiden Richtlinien besteht in ihrer Existenz. Sie bieten die Grundlage, um ergänzend zu altbekannten Mitteln (Arbeitsrecht, Konsumentenschutz) Diskriminierungen abzustellen. Trotz häufiger Behauptung stellen die beiden RL kein neues Tugendgebot und keine Maßnahme der "Political Correctness" dar, sondern zielen auf die Beseitigung von Behinderungen an der gesellschaftlichen Teilhabe in zentralen Bereichen wie Arbeitsmarkt (beide RL) und Wohnbereich (Antirassismus-RL) ab.

Die Beweislasterleichterungen für Diskriminierungsopfer tragen der Tatsache Rechnung, dass gerade im Arbeitsrecht ArbeitgeberInnen "näher am Beweis" sind: Sie können leichter beweisen, dass sie nicht diskriminiert haben, als ein/e BewerberIn für einen Posten beweisen kann, diskriminiert worden zu sein. Die Zusammenarbeit des Staates mit Organisationen der Sozialpartnerschaft und der Zivilgesellschaft betont die notwendige Zusammenarbeit aller gesellschaftlichen, politischen und wirtschaftlichen AkteurInnen. Darin liegt ein weiteres Zeichen, dass es nicht um Lippenbekenntnisse, sondern um gleichberechtigte Verteilung gesellschaftlicher Ressourcen geht.

Mit anderen Worten: Genauso, wie eine funktionierende Marktwirtschaft Kartelle, den Mißbrauch marktbeherrschender Stellung oder den unlauteren Wettbewerb bekämpft, muß sie auch sicherstellen, dass alle MitspielerInnen gleichen Zugang zu Arbeit oder Wohnraum haben. Die RL schützen (zumindest in der Arbeitswelt) vor Diskriminierung wegen aller in Artikel 13 EG-Vertrag genannten Gründe. Leider fehlen Definitionen. Zwei Szenarien sind denkbar: Entweder der Europäische Gerichtshof (EuGH) definiert besonders so problematische Begriffe wie "Rasse", Religion und Weltanschauung, oder die Mitgliedstaaten definieren diese auf Grundlage (der wenigen völkerrechtlichen und) ihrer unterschiedlichen nationalen Bestimmungen.

Die Antirassismus-RL beinhaltet leider keine Verpflichtung zu einer unabhängigen Stelle zur Diskriminierungsbekämpfung, sondern nur eine oder mehrere Stellen, die unabhängige Berichte, Untersuchungen und Unterstützung anbieten. Die europäischen Vorreiter wie Großbritannien haben aber gezeigt, dass eine unabhängige Antidiskriminierungsstelle genauso wichtig ist wie die Diskriminierungsverbote selbst. Ohne eine solche unabhängige Stelle werden diese Rechte nicht bekannt und kaum ernst genommen.

Die größte Schwäche der beiden Richtlinien besteht aber in ihrer "Hierarchisierung": Für unterschiedliche Diskriminierungsgründe gibt es unterschiedliche Schutzniveaus. Diskriminierung auf Grund der "Rasse" und ethnischen Herkunft ist auch beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen verboten, während alle anderen Gründe nur in der Arbeitswelt keine Diskriminierungen begründen dürfen. Das bedeutet: Beim Zugang zu Waren und Dienstleistungen ist Diskriminierung aufgrund der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung nicht verboten. Es wird wohl nicht lange dauern, bis es Anleitungen gibt, in welchen Bereichen auf Grund welcher Kriterien diskriminiert werden darf.

1 - Richtlinie 2000/43/EG des Rates vom 29. Juni 2000 zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft, umzusetzen in nationales Recht bis 19. Juli 2003.

2 - Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, umzusetzen in nationales Recht bis 2. Dezember 2003.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040422de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2-00/14-11-dt.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2-00/1-9-dt.html | www.gfbv.it/2c-stampa/02-3/021219de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-1/030124de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/02-2/020821de.html | www.gfbv.it/3dossier/eu-min/regenbogen.html#r2

* www: europa.eu.int/futurum/ | www.errc.org | www.osce.org/odihr/cprsi/index.php?s=1

Letzte Aktual.: 5.5.2004 | Copyright | Suchmaschine | URL: www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040505ade.html | XHTML 1.0 / CSS | WEBdesign, Info: M. di Vieste
HOME | NEWS | NEWS ARCHIV | NEWS 2004 | Versione italiana