Bozen, Göttingen, 1. Oktober 2004
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat dem
Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) am
Freitag vorgeworfen, die rund 400.000 Flüchtlinge aus
Nordkorea in der Volksrepublik China im Stich gelassen zu haben.
"Es ist ein Skandal, dass der UNHCR sich nicht dafür
einsetzt, dass diese Menschen in China als Flüchtlinge
anerkannt werden", kritisierte der GfbV- Asienreferent Ulrich
Delius. Mit Wegschauen und Aussitzen werde die dramatische Lage
der im Untergrund lebenden Flüchtlinge, die einer Diktatur
entronnen seien, nur noch schlimmer. Aus Verzweiflung über
ihre rechtlose Lage in China würden immer mehr
Flüchtlinge sich auch mit Gewalt Zugang zu westlichen
Botschaften verschaffen, um einer drohenden Abschiebung nach
Nordkorea zu entgehen. Dort würden sie grausam
bestraft.
"Mit seiner Untätigkeit verstößt der UNHCR in
China systematisch gegen sein eigenes Mandat", kritisierte
Delius. Dies sei schon deswegen befremdend, da die
UN-Menschenrechtskommission Nordkorea seit Jahren rügt. "Nur
weil China ein mächtiger Staat ist, dürfen die Rechte
der Flüchtlinge nicht ausverkauft werden", forderte Delius.
Wie gestern bekannt wurde, hatte der UNHCR diese Woche erneut
tatenlos zugesehen, wie neun Flüchtlinge aus Nordkorea den
chinesischen Behörden übergeben wurden. Sie hatten am
vergangenen Montag in der Amerikanischen Schule in Schanghai
Zuflucht gesucht.
Trotz der massiven Menschenrechtsverletzungen im Nachbarland
verweigern die chinesischen Behörden Nordkoreanern
grundsätzlich eine Anerkennung als Flüchtlinge im Sinne
der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951. Peking betrachtet
die entflohenen Staatsbürger seines engsten Verbündeten
als Wirtschaftsflüchtlinge oder illegale Grenzgänger.
China verstößt damit aus Staatsräson gegen die
Genfer Flüchtlingskonvention, die eine Zurückweisung
von Flüchtlingen untersagt, wenn diese in ihrem Heimatland
mit Verfolgung rechnen müssen. Dort drohen Rückkehrern
jahrelange Haftstrafen, Folter oder eine Einweisung in
Arbeitslager.