Bozen, 7. März 2005
Das polnische Parlament hat das Gesetz über nationale und
ethnische Minderheiten gutgeheißen. Damit kam das Parlament
nach zwölfjähriger Auseinandersetzung dem
Verfassungsauftrag nach, trotz heftigen national-katholischen
Widerstandes. Eine richtungsweisende Entscheidung des
EU-Mitgliedslandes Polen. Bedauerlicherweise nahm sich Polen
nicht Staaten wie Spanien oder Großbritannien zum Vorbild,
sondern die österreichische Republik und deren restriktive
Minderheitenpolitik.
So werden nur in Gemeinden, in denen sich 20 Prozent der Bewohner
zu einer Minderheit bekennen, zweisprachige Orts- und
Straßenschilder zugelassen. Eine Konzession an die
nationalistischen Kräfte und ein offensichtlicher Versuch,
die sprachliche Vielfalt Polens nicht sichtbar werden zu lassen.
In Österreich hob das Verfassungsgericht für
Kärnten diese Klausel als minderheitenfeindlich auf. Das von
den Freiheitlichen regierte Kärnten mit seiner
antislowenischen Grundstimmung diente den polnischen
Gesetzesmachern tatsächlich als Vorbild. Polnisch ist und
bleibt die einzige Amtssprache, die Sprache der Minderheiten darf
bei allen Amtshandlungen in den Gemeinden schriftlich und
mündlich benutzt werden, die Minderheitensprachen gelten als
sogenannte Hilfssprachen. Von amtlicher Anerkennung der elf
minderheitlichen Sprachen kann keine Rede sein, von Emanzipation
der Minderheiten kann also in keinster Weise gesprochen
werden.
Das Minderheitengesetz bezieht sich auf neun nationale
Minderheiten - Weißrussen, Tschechen, Litauer, Deutsche,
Armenier, Russen, Slowaken, Ukrainer und Juden - sowie auf vier
ethnische Minoritäten - Karaimer, Lemken, Roma und Tataren.
Das Gesetz regelt außerdem die Benutzung der regionalen
Sprache der Kaschuben südlich von Gdansk/Danzig. Der
rechtliche Status des Kaschubischen war bisher nicht eindeutig
geregelt, dessen ungeachtet konnte aber bisher aufgrund der
Einführung des Kaschubischen als Schulfach (seit 1991), der
Zulassung einschlägiger Lehrwerke zum Schulgebrauch durch
das polnische Bildungsministerium und der Einführung als
Universitätsdisziplin (Lehramts-Aufbaustudium Kaschubisch an
der Uni Danzig) eine rechtliche Anerkennung in Polen unterstellt
werden. Dies hat sich durch die neue "Ustawa" grundlegend zum
Positiven verändert und das Kaschubische aus einer grauen
und rechtlich unklaren Position in eine rechtlich anerkannte
Sprache erhoben.
Das polnische Parlament hätte sich die richtungsweisende
Regelung zugunsten der dänischen Minderheit im deutschen
Bundesland Schleswig-Holstein als Vorbild nehmen sollen:
Weitreichende Anerkennung der dänische Sprache auch als
Schul- und Amtssprache ohne Hürde und eine garantierte
politische Vertretung der Minderheit im Landesparlament. Es gibt
ein näherliegendes Beispiel: In der polnischen
Zwischenkriegspolitik warb der die jiddische Arbeiterpartei Bund
für die politische, soziale und wirtschaftliche
Gleichberechtigung der diskriminierten jüdischen Minderheit.
Der Bund hatte einen wesentlichen Anteil an der Pflege und
Förderung des Jiddischen, das für ihn nicht nur ein
wesentliches Merkmal jüdischer Identität, sondern nicht
zuletzt auch Bestandteil der europäischen Kultur war. Der
"Bund" forderte deshalb eine national-kulturelle Autonomie als
allgemeines Konzept der Lösung der Minderheitenproblematik
in Ost- und Ostmitteleuropa.