Bozen, 25. Februar 2005
Selten haben die Parteien nationaler Minderheiten die Chance,
das politische Leben aktiv mitgestalten zu können. Dem SSW
(Sydslesvigsk Forening - SSF) bietet sich jetzt diese
Möglichkeit, er kann als "Königsmacher" dafür
sorgen, dass seine Forderungen zugunsten der Dänen und
Friesen nach amtlicher Mehrsprachigkeit auch umgesetzt werden.
Die deutsche Politik und die deutsche Presse interessieren sich
kaum für Belange von Sprachminderheiten, mit der
Landtagswahl in Schleswig-Holstein rückte das
Minderheiten-Thema kurzfristig in die Öffentlichkeit.
Für die SPD ist trotz minderheitenfreundlicher
Lippenbekenntnisse der SSW nur eine Krücke zur Macht. Schon
vor fünf Jahren hätte die SPD den SSW als Partner in
die Landesregierung holen zu können - als Anerkennung der
Sprachminderheiten.
Während die SPD aus Gründen des Machterhalts den SSW
gewinnen möchte, agiert die CDU deutschnational,
minderheitenfeindlich, gegen den SSW. Die Union sucht sich
über ihre Machtlosigkeit bei der schleswig-holsteinischen
Regierungsbildung mit allerlei verfassungsrechtlichen Warnungen,
Drohungen und Bedenken vor den Folgen einer Kieler
Minderheitsregierung hinwegzuhelfen. Wenn es SPD und Grünen
gelingt, eine Regierung auf die Duldung des
Südschleswigschen Wählerverbands zu gründen, so
ergibt sich für die CDU daraus, dass der SSW die
Mehrheitsverhältnisse umdreht.
Laut CDU ist für eine Gruppierung wie dem SSW, "der unter
Umgehung des allgemein gültigen Gleichheitsgrundsatzes der
Verfassung (keine Anwendung der Fünf-Prozent-Hürde) nur
zu dem Ausnahmezweck, die Minderheit zu repräsentieren, ins
Parlament gelangt ist, eine Überforderung, nun die
Entscheidung über eine rot-grüne Regierung zu
fällen und damit "den Wählerwillen zu
verfälschen". Der parlamentarische Geschäftsführer
Röttgen warnte, wenn sich die Repräsentanz der
dänischen Minderheit eine solche Rolle anmaßt, dann
wird das zu einer Belastung für das Zusammenleben mit der
Mehrheitsbevölkerung führen. Eine recht
unverhüllte Drohung. Für die CDU scheinen die
Sprachminderheiten kein fester Bestandteil der deutschen
Gesellschaft zu sein. Reservate plus Folklore, die
CDU-Perspektive für Minderheiten?
Die Gesellschaft für bedrohte Völker/Sektion
Südtirol hat schon vor fünf Jahren die SPD
aufgefordert, nach der wiedergewonnen Wahl die Landesregierung
auch für die dänische Sprachgruppe zu öffnen. Das
können SPD und Grüne jetzt nachholen. Damit würde
die dänische Sprachgruppe auf höchster Ebene endlich
zur Kenntnis genommen werden. Eine Vertretung der dänischen
Minderheit in der Landesregierung ist die Voraussetzung, dass die
dänische Sprachgruppe direkt an politischen Entscheidungen
teilnehmen kann. Es ist an der Zeit, dass sich die Mehrheit auch
Wünsche der dänischen Minderheit anhört. In diesem
Sinne sollen auch die Kernforderungen des SSW im
Regierungsprogramm der neuen Landesregierung aufgenommen werden.
Die GfbV-Südtirol unterstützt die Forderung des SSW,
das Dänische und das Friesische mit dem Deutschen
gleichzustellen.
Das deutsch-dänische Grenzgebiet und die Regelung der
Minderheitenfragen galten lange als mustergültig.
Schleswig-Holstein kann noch weiter gehen als bisher. Nach der
Vertretungsgarantie im Landtag sollte eine Vertretungsgarantie in
der Landesregierung folgen. Damit würde Schleswig-Holstein
sein mehrsprachiges Erbe ernst nehmen.