Bozen, Göttingen, 9. November 2005
Zu Beginn der Parlamentswahlen in Ägypten hat die
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Mittwoch vor
einer weiteren Marginalisierung der Kopten in Politik und
Gesellschaft Ägyptens gewarnt. "Angesichts eines wachsenden
politischen Einflusses der Muslimischen Brüderschaft und
jüngster Zusammenstöße zwischen Muslimen und
Kopten fürchten viele Christen eine neue Welle der Gewalt
gegen Kopten", warnte der GfbV-Referent Ulrich Delius. Zwar seien
nach den Ausschreitungen von Muslimen gegen Kopten, bei denen am
21. Oktober 2005 in Alexandria drei Menschen getötet worden
waren, christliche Kirchen unter Polizeischutz gestellt worden.
Doch die ägyptischen Behörden täten zu wenig, um
die latente Gewalt zu stoppen. So seien inzwischen 104
gewalttätige muslimische Demonstranten, die an den
Ausschreitungen in Alexandria beteiligt waren, aus der Haft
entlassen worden. Mit weiteren Ermittlungen müssten sie nach
bisherigen Erfahrungen nicht rechnen. 17 Personen würden
wegen ihrer Verstrickung in die Gewalttaten noch verhört.
Erneut drohten Verantwortliche für gewalttätige
Übergriffe auf Christen straflos zu bleiben. Schon in der
Vergangenheit hatten sich Kopten darüber beschwert, dass
politisch motivierte Morde an Christen nur selten juristisch
geahndet wurden.
"Mit dem einfachen Slogan "Islam ist die Lösung" hat die
Muslimische Brüderschaft im Wahlkampf gezielt auf eine
religiöse Spaltung der ägyptischen Gesellschaft
hingearbeitet", kritisierte Delius. Die Behörden seien nicht
eingeschritten, obwohl die Regierung zuvor religiöse
Wahlslogans untersagt hatte, die die nationale Einheit
gefährden. "Viele Kopten fühlen sich nun verunsichert,
in Alexandria hat nach den Unruhen bereits ein koptischer
Politiker seine Bewerbung um ein Parlamentsmandat
zurückgezogen". Die Kopten stellen rund zehn Prozent der 74
Millionen Bürger Ägyptens. Erst am gestrigen Dienstag
hatte das US-Außenministerium in seinem jährlich
veröffentlichten Bericht zum Stand der Religionsfreiheit in
der Welt festgestellt, dass Kopten in Ägypten an der
Ausübung ihres Glaubens gehindert würden, da staatliche
Stellen immer wieder den Bau neuer Kirchen oder die Reparatur
baufälliger Gotteshäuser behinderten.