Bozen, Göttingen, 22. Dezember 2005
Mehrere zehntausend Ureinwohner in Vietnam werden systematisch
von Soldaten eingeschüchtert, um sie an der Teilnahme an
Festgottesdiensten während der Weihnachtsfeiertage zu
hindern. Dies berichtete die Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) am Donnerstag in Göttingen. In 62 Orten
in den Provinzen Dak Lak, Dak Nong und Gia Lai im zentralen
Bergland seien nach GfbV-Informationen seit dem 28. November 2005
Soldaten stationiert worden. Die Armee-Angehörigen drohten
Dorfbewohnern mit Inhaftierung und Folter, sollten sie zu
Weihnachten Gottesdienste besuchen. "Die erneute Repression gegen
christliche Ureinwohner zeigt, dass Vietnam noch immer nicht
bereit ist, die in der Verfassung garantierte Glaubensfreiheit zu
gewährleisten", kritisierte der GfbV- Asienreferent Ulrich
Delius. Bereits in den Vorjahren seien regelmäßig vor
allem in Siedlungsgebieten christlicher Ureinwohner Christmetten
von Soldaten verhindert oder gestört worden.
Die Hoffnung vieler protestantischer Christen in Vietnam, die
Unterdrückung ihrer Religionsfreiheit werde nach der
offiziellen Anerkennung der Südlichen Evangelischen Kirche
Vietnams (SECV) 2001 schnell nachlassen, habe sich bisher noch
nicht erfüllt. Zwar hat das Staatliche Komitee für
Religiöse Angelegenheiten 2003 per Erlass die
"Normalisierung" des protestantischen Glaubens in den Gebieten
der ethnischen Minderheiten im zentralen Bergland beschlossen, so
dass sich dort 18 der 33 Gemeinden der SECV registrieren lassen
konnten. Die Kirche durfte im März 2005 auch ihren zweiten
nationalen Kongress abhalten, und einen Monat später konnte
erstmals eine Bibelschule in der Provinz Gia Lai eröffnet
werden. Doch in der benachbarten Provinz Dak Lak sei eine
ähnliche Initiative der SECV am Widerstand der lokalen
Behörden gescheitert.
"Der derzeitige Militäreinsatz im zentralen Bergland zeigt,
dass die Glaubensfreiheit der Ureinwohner trotz der Anerkennungen
neuer Gemeinden noch immer massiv unterdrückt wird," sagte
Delius, "wer ohne Registrierung seinen Glauben praktiziert,
riskiert jahrelange Haftstrafen." So seien seit November 2005
mindestens 32 der GfbV namentlich bekannte Ureinwohner
festgenommen worden, weil sie in ihren Dörfern gepredigt
hätten oder sich weigerten, schriftlich ihren Beitritt zur
Evangelischen Kirche Vietnams (ECVN) zu erklären. Die ECVN
ist neben der SECV die zweite staatlich anerkannte
Protestantische Kirche Vietnams. Sie äußere noch
weniger Kritik an der Unterdrückung der Glaubensfreiheit als
die SECV und werde daher von den meisten Ureinwohnern
abgelehnt.
Nur 1,5 Millionen der 83 Millionen Vietnamesen bekennen sich zum
protestantischen Glauben. Rund sieben Millionen sind katholisch.
Die meisten Protestanten sind Ureinwohner. Sie leiden sowohl
unter der Unterdrückung ihrer Religionsfreiheit als auch
unter Diskriminierung und Verletzung ihrer traditionellen
Landrechte. Für den Kaffeeanbau wurden Tausende von ihrem
Land vertrieben. Ihre Heimat zählt heute zu den wichtigsten
Kaffeeproduzenten Deutschlands.