Bozen, Göttingen, Berlin, 22. Januar 2007
Die
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am Montag
über eine starke Zunahme von Menschenrechtsverletzungen in
den von Marokko besetzten Gebieten in der Westsahara berichtet.
Die Menschenrechtsorganisation dokumentierte in einem Report die
Verhaftung von 685 Saharauis im Jahr 2006, die friedlich
Widerstand gegen die völkerrechtswidrige Besetzung geleistet
hatten. Sippenhaft, Folter und die Verhaftung von
Minderjährigen seien an der Tagesordnung, stellte die GfbV
in dem 23 Seiten umfassenden Bericht fest. Im Mai 2005 hatte in
der Westsahara ein Volksaufstand gegen Marokkos Herrschaft
begonnen.
Drei Viertel der Festgenommenen würden innerhalb von 48
Stunden wieder freigelassen, berichtet die
Menschenrechtsorganisation. Vor ihrer Freilassung würden sie
zumeist gefoltert und massiv bedroht. Oftmals würden die
Festgenommenen in die Wüste gefahren, dort geschlagen und in
den Strassengraben geworfen. "Marokkos brutales Vorgehen gegen
die Zivilbevölkerung in der Westsahara zielt darauf ab, die
Menschen einzuschüchtern und jede Kritik an Marokkos
Willkürherrschaft im Keim zu ersticken", erklärte der
GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius. "Wer friedlich Widerstand
gegen die marokkanische Besatzungspolitik leistet, wird
willkürlich verhaftet", erklärte der saharauische
Menschenrechtler Ali Salem Tamek bei einem Besuch in Deutschland.
"Die Haftbedingungen in den Gefängnissen in der Westsahara
und in Marokko sind unmenschlich und unzumutbar." Tamek
verbrachte 14 Jahre seines Lebens in marokkanischer Haft. Zuletzt
wurde er im Juli 2005 bei seiner Rückkehr von
Gesprächen mit Politikern in Westeuropa verhaftet. Erst im
April 2006 war Tamek freigelassen worden.
Mit Ali Salem Tamek besuchte Deutschland in der vergangenen
Woche erstmals ein Menschenrechtler aus den von Marokko besetzten
Gebieten in der Westsahara. Bei Gesprächen mit den Obleuten
aller im Bundestag vertretenen Parteien in den Ausschüssen
für Auswärtige Politik, Entwicklungszusammenarbeit
sowie Menschenrechte und humanitäre Hilfe bat Tamek um
Unterstützung für die bedrängte
Zivilbevölkerung in der Westsahara. Dringend müsse das
Mandat der UN-Friedenstruppe (MINURSO) um den Schutz der
Menschenrechte erweitert werden. Jede politische Lösung
für die Westsahara müsse auf dem Selbstbestimmungsrecht
der Völker beruhen und von der Bevölkerung in einer
freien Abstimmung befürwortet werden. Die Parlamentarier
sicherten dem Gast aus der Westsahara zu, sich für einen
wirksameren Schutz der Menschenrechte in der Westsahara und
für bessere Haftbedingungen in marokkanischen
Gefängnissen einzusetzen.