Bozen, 5. Oktober 2007
Im ladinischen Fascia (Fasstal) wurden neue Wege beschritten:
Die Toponomastik ist weitgehend ladinisch. Dieser offiziellen
Anerkennung sind aber nicht Jahre der Agitation vorausgegangen,
sondern Jahre der wissenschaftlichen Arbeit: Eine korrekte
Toponomastik ist eine kulturelle und philologische Angelegenheit,
keine politische. Sonderbar ist die Südtiroler Sicht auf die
Errungenschaften in Fascia; man hat den Eindruck, dass es nur um
die Ausmerzung des Italienischen geht. Es geht aber um den
Respekt der Minderheit, es geht um das Recht aller Sprachgruppen,
dass in ihrem Gebiet ihre Namen offizielle Gültigkeit haben.
Und da hat Südtirol selbst sehr viel nachzuholen.
Während man auf politischer mit auf medialer Ebene die
Toponomastikfrage behandelt und die Missachtungen des
italienischen Nationalismus anprangert, respektiert man in den
meisten Fällen die Toponomastik der anderen nicht: Die
ladinischen Ortsnamen finden kaum Verwendung. Viele
Landesämter kennen nur die deutschen und italienischen
Bezeichnungen, die öffentlichen Verkehrsmittel, die
Verkehrsberichte, das Landespresseamt, auch die
Straßenschilder außerhalb Ladiniens kennen die
ladinischen Ortsnamen offenbar nicht. Hier ist genau jenes
Verhalten anzutreffen, das man so harsch kritisiert, wenn es von
den Italienern kommt.
Südtirol könnte und sollte dem gutem Fassaner Beispiel
folgen: in den ladinischen Tälern kommt die ladinische
Toponomastik zum Tragen. Keine sinnlosen Übersetzungen,
keine Verhunzungen - weder italienisch noch deutsch. Würde
Südtirol mit diesem guten Beispiel vorangehen, hätte
man den Beleg, dass es anders als jetzt auch geht. Würde
Südtirol mit gutem Beispiel vorangehen, hätte man auch
die Legitimation, gleiches für sich einzulösen.
Südtirol soll also endlich die ladinische Toponomastik
respektieren; auch sollte Südtirol auf deutsche Verhunzungen
und sinnlose Übersetzungen verzichten, sie sind nicht besser
als die italienischen; und das Recht der Ladiner auf die
offizielle Verwendung ihrer Orts- und Flurnamen ist nicht weniger
wert als dieses Recht auf deutscher Seite.
Es ist diese ständige, sture Ungleichbehandlung, die ein
schiefes Licht wirft auf diese wie so viele andere Bestrebungen:
Wer für sich selbst Rechte fordert, muss sie auch den
anderen gewähren. In Südtirol ist es üblich,
für die Deutschen zu fordern und im gleichen Atemzug die
Ladiner zu übersehen. Wer nur für sich selbst fordert,
den anderen aber diese Recht vorenthält, betreibt nicht
Minderheitenschutz, sondern Chauvinismus. Minderheitenrechte
gelten für alle, nicht nur für die Deutschen.