Bozen, Göttingen, 14. Januar 2008
Die Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) hat am Montag vor einer weiteren Zunahme der
Gewalt gegen Christen in Indien gewarnt. Nach Angaben des "All
India Christian Council" wurden im Jahr 2007 mit mehr als 1.000
Übergriffen mehr Gewaltakte als in jedem anderen Jahr seit
der Staatsgründung vor 60 Jahren registriert. "Die
jüngsten beschwichtigenden Erklärungen des indischen
Premierministers schaffen unter den Christen nur wenig
Vertrauen", sagte der GfbV-Asienreferent Ulrich Delius. So
hielten sich im Bundesstaat Orissa nach den Angriffen zu
Weihnachten noch immer Christen in den Wäldern versteckt. Zu
groß sei der Einfluss fanatischer Hindu in vielen
Bundesstaaten Indiens.
In Orissa hatten radikale Hindu zu Weihnachten 2007 mindestens
730 Häuser von Christen und 95 Kirchen niedergebrannt. "Am
meisten leiden unter der Gewalt in diesem Bundesstaat
Adivasi-Ureinwohner", erklärte Delius. Die ohnehin aufgrund
ihrer ethnischen Abstammung oft diskriminierten und
marginalisierten Ureinwohner würden nun auch noch wegen
ihres Glaubens verfolgt. Adivasi stellen nicht nur viele Christen
in Orissa, sondern auch ein Viertel der 37 Millionen Bewohner des
Bundesstaates und mit 84 Millionen Menschen rund acht Prozent der
Gesamtbevölkerung Indiens. Die Christen machen nur 2,3
Prozent der Bevölkerung aus, 80,5 Prozent sind Hindu.
"Seit 1996 nimmt der Druck fanatischer Hindu-Organisationen auf
christliche Adivasi nicht nur in Orissa, sondern auch in anderen
Bundesstaaten immer mehr zu", sagte Delius. Diese Hindu-Gruppen
sehen in den Ureinwohnern eine bedeutende Zielgruppe der Arbeit
christlicher Missionare und wollen mit massivem Druck auf die
Adivasi neue Taufen verhindern. So habe sich die radikale "Vishwa
Hindu Parishhad-Bewegung" (VHP) im Jahr 2004 vorgenommen, bis zum
Jahr 2011 in 100.000 Adivasi- Dörfern Projekte
durchzuführen, um den Einfluss der christlichen Kirchen
einzudämmen. Die fanatische Hindu-Bewegung gibt vor, bis zu
60.000 Freiwillige für diese "Projektarbeit" mobilisieren zu
können. "Die Adivasi betrachten hingegen die christlichen
Kirchen als eine der wenigen Stätten, in denen sie frei von
Diskriminierung als gleichberechtigte Bürger behandelt
werden", berichtete Delius. Für sie sei das Engagement in
christlichen Kirchen eine Chance, um sich von Jahrhunderte alter
Unterjochung in der Kastengesellschaft Indiens zu befreien.
Nicht zum ersten Mal sei die Gewalt zu Weihnachten eskaliert. So
gab es 1999 im Bundesstaat Gujarat die bislang schlimmsten
Ausschreitungen gegen Christen. Öffentlich mobilisiert werde
für die Überfälle auf Kirchen oft bei
Großveranstaltungen radikaler Hindu-Gruppen, die ganz
gezielt mit offizieller Genehmigung während der christlichen
Weihnachtsfeiertage stattfänden. Auf einem solchen Treffen
sei auch im Jahr 2004 zu Übergriffen auf Gotteshäuser
aufgerufen worden, die sich in den darauf folgenden Tagen in
verschiedenen Regionen Indiens ereigneten. Auch am ersten
Weihnachtstag 2006 hatten radikale Hindu zu einer
Großveranstaltung nach Orissa eingeladen, um gegen die
Verhaftung von fünf Personen zu protestieren, die Christen
geschlagen hatten. Vergeblich hatten Priester ein Verbot der
Veranstaltung gefordert, die in neue Übergriffe auf Christen
einmündete.