Bozen, Göttingen, 11. Februar 2008
Nach dem versuchten
Attentat auf Osttimors Staatspräsident José Ramos-
Horta am Montagvormittag warnt die Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) eindringlich vor neuen Unruhen in der
Inselrepublik. "Die Schüsse auf den
Friedensnobelpreisträger markieren einen neuen Tiefpunkt in
der Geschichte der jungen Demokratie Osttimor", erklärte der
GfbV- Asienreferent Ulrich Delius. Der Attentatsversuch werde
alle Bemühungen um einen politischen Ausgleich zwischen der
Regierung Osttimors und ihren Kritikern erschweren. "Es ist
besonders tragisch, dass gerade Ramos-Horta Zielscheibe der
Attentäter um den Rebellenchef Alfredo Alves Reinado wurde,
denn der Präsident hatte nie für ein hartes
militärisches Vorgehen gegen die Aufständischen
plädiert, sondern das Gespräch mit ihnen gesucht". Noch
im Herbst 2007 habe Reinado gegenüber Ramos Horta die
Aufgabe des bewaffneten Kampfes abgelehnt. "Das Attentat ist
nicht nur ein schwerer Rückschlag für die Demokratie in
Osttimor, sondern auch für alle Bemühungen die Spaltung
der Gesellschaft in dem bitterarmen und von den Folgen des
Jahrzehnte langen indonesischen Völkermords gezeichneten
Landes zu überwinden", mahnte Delius.
Der ehemalige Premierminister und Außenminister Osttimors
hat einen Bauchschuss erlitten und wurde inzwischen zur
medizinischen Behandlung nach Australien ausgeflogen. Mehr als 20
Jahre lang hatte die GfbV Ramos-Hortas Bemühungen um den
Aufbau eines unabhängigen Staates Osttimor
unterstützt.
Rebellenführer Reinado wurde bei dem Attentatsversuch
getötet. Der ehemalige Chef der Marine und Kommandant einer
Einheit der Militärpolizei war am 4. Mai 2006 desertiert und
in die Berge Osttimors gegangen. Dort hatte er sich zum Sprecher
von 600 früheren Soldaten ernannt, die sich wegen schlechter
Arbeitsbedingungen und mangelnder Beförderungschancen aus
der Armee abgesetzt hatten. Ihr Protest gegen die damals
amtierende Regierung unter dem umstrittenen Premierminister Mari
Alkatiri führte im Frühjahr 2006 zu schweren Unruhen,
bei denen mehr als 30 Menschen getötet wurden und 150.000
Einwohner der Hauptstadt flohen. Der charismatische
Rebellenführer ist in der Zivilbevölkerung aufgrund
seines Protests gegen Korruption und Vetternwirtschaft sehr
beliebt, obwohl er wegen seiner Verwicklung in Schießereien
steckbrieflich gesucht wird.
Reinado war am 25. Juli 2006 mit Gefolgsleuten verhaftet worden,
am 30. August 2006 jedoch aus dem Gefängnis geflohen. Die
vielen vergeblichen Versuche australischer Soldaten, den
Rebellenführer zu verhaften, machten die Schutzmacht
Osttimors zum Gespött der Bevölkerung.