Bozen, Göttingen, 29. April 2008
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) bedauert
die vorschnelle Einigung der EU-Außenminister auf die
Unterzeichnung des EU-Annäherungsabkommens mit Serbien.
"Damit hat die EU einen Trumpf aus der Hand gegeben, die
Auslieferung der mutmaßlichen serbischen Kriegsverbrecher
Ratko Mladic und Radovan Karadzic zu erzwingen", kritisierte der
GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch am Dienstag in
Göttingen. Jetzt müssten wenigstens die "Bedingungen",
an die die Außenminister das Inkrafttreten des Abkommens
knüpfen wollen, so eng gefasst werden, dass Serbien um eine
enge Zusammenarbeit mit dem UN- Kriegsverbrechertribunal in Den
Haag nicht herumkomme.
Es sei für viele Überlebende des Bosnienkrieges
unerträglich, dass Serbien nun konkrete Hoffnungen auf eine
EU-Annäherung gemacht werden, bevor ein entsprechendes
Abkommen mit Bosnien-Herzegowina unter Dach und Fach gebracht
worden sei, sagte Zülch und mahnte: "Europa muss deutlich
machen, dass nicht zur Tagesordnung übergegangen werden
kann, so lange die schlimme Vergangenheit nicht bewältigt
wurde: Die Verantwortlichen für die schwersten
Kriegsverbrechen in Bosnien- Herzegowina müssen zuvor zur
Rechenschaft gezogen werden. Das ist Europa den Menschen in
Bosnien-Herzegowina und vor allem den Überlebenden von
Srebrenica schuldig!" In der so genannten UN- Schutzzone waren
1995 unter den Augen der dort stationierten Blauhelme mindestens
8373 bosnische Jungen und Männer von serbischen Einheiten
ermordet worden.
Die GfbV erinnerte daran, dass das Regime von Slobodan Milosevic
gemeinsam mit den Streitkräften der bosnischen Serben aus
der heutigen Republika Srpska unter dem Kommando von Mladic und
Karadzic verantwortlich war für die Errichtung von über
100 Internierungs-, Konzentrations- und Vergewaltigungslagern.
Mehr als 200.000 bosnische Zivilisten waren in den Lagern
inhaftiert, über 20.000 von ihnen kamen darin ums Leben. Bis
zu 30.000 bosnischen Frauen wurden Opfer von systematischen
Massenvergewaltigungen.