Bozen, Göttingen, Den Haag, 26. Februar 2007
Als "skandalöses Fehlurteil" hat die Gesellschaft
für bedrohte Völker (GfbV) die Entscheidung des
Internationalen Gerichtshofes (IGH) in Den Haag bezeichnet, nur
das Massaker von Srebrenica als Völkermord zu ächten
und das Belgrader Regime von seiner Verantwortung für die
Verbrechen in ganz Bosnien freizusprechen. "Das Gericht hat die
UN-Konvention zur Verhütung und Bestrafung des
Völkermordes missachtet und die Planmäßigkeit der
Verbrechen in ganz Bosnien geleugnet", sagte der
GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch. "Denn auch die
anderen Verbrechen wurden von serbischen Truppen mit dem Ziel
begangen, die muslimischen Bosnier als nationale religiöse
Gruppe ganz oder teilweise zu zerstören."
Zülch erinnerte an die Qualen der Opfer in mindestens 100
serbischen Konzentrations- und Internierungslagern, in denen etwa
30.000 Häftlinge ermordet wurden, an die
planmäßige Vergewaltigung von mindestens 30.000
Frauen, die zum Teil über Monate in Vergewaltigungslagern
festgehalten wurden, an die systematische Verhaftung und
Ermordung von Angehörigen der akademischen und politischen
Eliten, an die fast vier Jahre andauernde Einkesselung,
Aushungerung und Beschießung der insgesamt rund 500.000
Bosnier in den so genannten UN-Schutzzonen, an die Vertreibung
von etwa 2,5 Millionen Bosniern und die planmäßige
Zerstörung Hunderter Dörfer und Stadtteile, von 1.300
Moscheen und etwa 500 katholischen Kirchen.
Nach Auffassung des Menschenrechtlers wurden alle diese
Verbrechen von Belgrad aus unter Mitwirkung des serbischen
Innenministeriums, des Geheimdienstes, der
Rüstungsunternehmen und unter Einsatz paramilitärischer
Verbände und bosnisch-serbischer Einheiten bewusst
gesteuert. Unterstützt vom serbischen Militär und den
serbischen Behörden hielten sich die beiden
Hauptkriegsverbrecher Radovan Karadzic und Ratko Mladic bis heute
versteckt. Die GfbV hatte vor dem Gerichtshof in Den Haag mit
Frauen aus Srebrenica und anderen überlebenden Bosniern
für ein gerechtes Urteil demonstriert. Die Betroffenen
reagierten fassungslos auf die Entscheidung des IGH. Sie
fühlten sich verhöhnt und missachtet. Frauen brachen in
Tränen aus.