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Nigeria: Vor 50 Jahren begann der Völkermord in Biafra (30. Mai)

In Nigeria nimmt Gewalt wieder zu: Neuer Report dokumentiert Massen-Festnahmen und Erschießungen von Biafra-Aktivisten

Bozen, Göttingen, 29. Mai 2017

Der Biafra-Aktivist Samuel Ukeje nahm im September 2015 an einer Podiumsdiskussion der GfbV teil. Dort sprach er über die Kriminalisierung friedlicher Demonstranten in Biafra. Foto: Sandy Naake / GfbV. Der Biafra-Aktivist Samuel Ukeje nahm im September 2015 an einer Podiumsdiskussion der GfbV teil. Dort sprach er über die Kriminalisierung friedlicher Demonstranten in Biafra. Foto: Sandy Naake / GfbV.

Fünfzig Jahre nach dem Beginn des Völkermords in Biafra warnt die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) vor einer erneuten Eskalation der Gewalt im Südosten Nigerias. In einem am Montag veröffentlichten 75-seitigen neuen Menschenrechtsreport dokumentiert die GfbV die Erschießung von 180 Unterstützern von Pro-Biafra-Bewegungen und die Festnahme von 1.244 Biafra-Aktivisten seit August 2015. "Der brutale Umgang von Nigerias Polizei und Armee mit Biafra-Aktivisten ist einer Demokratie nicht würdig. Niemand hat das Recht, unbewaffnete Bürger willkürlich zu erschießen, nur weil sie sich für ein unabhängiges Biafra einsetzen", erklärte der Autor des Reports und GfbV-Afrikaexperte Ulrich Delius. "Außerdem wird die nigerianische Verfassung auf das Gröbste missachtet, denn Pro-Biafra-Organisationen wird das darin garantierte Recht auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit systematisch verweigert."

Biafra hatte sich am 30. Mai 1967 für unabhängig erklärt. Nigeria antwortete auf die Loslösung mit einem Genozid, der bis 1970 der zwei Millionen Menschenleben forderte. "Wenn heute die Gewalt wieder zunimmt, so ist dies eine direkte Folge von 50 Jahren Tabuisierung des Völkermords in Biafra. Denn Nigerias Staatsführung gesteht bis heute nicht ein, dass die Biafra-Frage noch immer ungelöst ist. Es ist ein politisches Problem, dass eine politische Lösung braucht und mit Einschüchterung und Terror nicht lösbar ist", betonte Delius.

Nigerias Regierung setzt seit Herbst 2015 auf eine Strategie der Kriminalisierung von Biafra-Aktivisten. Anhänger der Pro-Biafra-Organisationen IPOB, MASSOB, BZM und BIM, die an friedlichen Demonstrationen oder Mahnwachen teilnehmen, riskieren GfbV-Recherchen zufolge ihr Leben oder ihre Freiheit. Als Amnesty International dies in einem Report schon im November 2016 anprangerte, wurde die Menschenrechtsorganisation diffamiert. Ihr wurde vorgeworfen, Lügen zu verbreiten und Nigeria destabilisieren zu wollen. Einige Festgenommene wurden wegen "Hochverrats" angeklagt. Eine Verurteilung scheitert jedoch regelmäßig am Mangel an Beweisen, heißt es in dem GfbV-Report. Um den IPOB-Gründer Nnamdi Kanu wegzusperren und mundtot zu machen, wurde ein Verfahren gegen ihn eingeleitet, das allen Standards fairer Gerichtsverfahren widersprach.

Geschürt wird die Gewalt in Nigeria durch eine Eskalation der Konflikte zwischen muslimischen Fulani-Nomaden und überwiegend christlichen Bauern. Dieser so genannte Fulani-Konflikt ist Jahrzehnte alt. Aufgrund des Klimawandels verschärft sich der Konflikt, weil immer mehr Hirten auf der Suche nach Weideland für ihre Herden auch im christlich geprägten Biafra einfallen, Bauern ermorden und ihre Felder zerstören. Der lange unterschätzte Fulani-Konflikt hat im Jahr 2016 bereits mehr Menschenleben gekostet als die Attacken von Boko-Haram. "Viele Biafraner fühlen sich an den Genozid von damals erinnert. Dringend muss Nigeria den Fulani-Konflikt lösen, damit die Gewalt in Biafra nicht weiter eskaliert", forderte Delius.

Den 75-seitigen Menschenrechtsreport der GfbV finden Sie in Kürze auf www.gfbv.de/fileadmin/redaktion/Reporte_Memoranden/2017/Menschenrechtsreport_Nr._82_Biafra.pdf