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Israel / Palästina

Jüdischer Dissens: Europäische Juden kritisierten die Palästina-Politik Israels

Inhalt
>> Jüdischer Dissens: Europäische Juden kritisierten die Palästina-Politik Israels
>> Israel: Symbolischer Völkermord
>> Wie trägt Israels Besatzung zum Konflikt bei? Judith Keshet und "Checkpoint Watch"

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Europäische Juden kritisierten die Palästina-Politik Israels

Sie sind für einen gerechten Frieden im Nahen Osten, sie verstehen sich als eine jüdische Stimme, die sich gegen die Sharon-Regierung wendet. Sie, das sind jüdische Gruppe in mehr als 20 europäischen Ländern, die als European Jews for a Just Peace die israelische Friedensbewegung unterstützen.

Die EJJP wirft Sharon eine repressive Politik gegenüber den Palästinensern vor, die auf lange Sicht die Sicherheit Israels bedroht. Die israelische Besetzung der Westbank und des Gaza-Streifens sowie der Siedlungsbau verletzen laut EJJP die Genfer Konvention; der Bau der "Trennungsmauer", die tief in die Gebiete der Westbank hinein reicht und Palästinenser von ihren Angehörigen sowie von ihren Ländereien, Arbeitsplätzen, Schulen und Krankenhäusern trennt, ist eine Form der "Kollektivstrafe".

Der EJJP ist die Sicherheit der israelischen Bevölkerung ebenso ein Anliegen wie die der palästinensischen. Die jüdischen Friedensgruppen arbeiten mit Menschenrechtsorganisationen in Israel und Palästina zusammen, aber auch mit jenen palästinensischen Gruppen, die auf ein Ende der Anschläge auf israelische Zivilisten und der Selbstmordattentate hinwirken.

Die European Jews for a Just Peace forderte die deutsche Bundesregierung auf, den Internationalen Gerichtshofs um die Erstellung eines Gutachtens zu den Rechtsfolgen des Baus der Trennungsmauer ersuchen; die Menschenrechtsverletzungen zu verurteilen, die durch den Bau der Mauer innerhalb der Palästinenser-Gebiete (wie sie von den anerkannten israelischen Menschenrechtsorganisationen B'tselem und dem Israelischen Komitee gegen Hauszerstörung aufgeführt werden); den Diskussionsprozess zu unterstützen, der mit der Genfer Übereinkunft dialogbereiten Israelis und Palästinensern initiiert wurde sowie alle Schritte zu verstärken, die auf einen gerechten Frieden gerichtet sind; das Europäischen Parlament zu unterstützen, das forderte, alle Sonder-Privilegien, die Israel auf der Basis des Assoziationsabkommens gewährt wurden, auszusetzen, bis die israelische Regierung so, wie das Abkommen es vorsieht, "die Menschenrechte und Demokratieprinzipien achtet".

EJJP
Die jüdische Stimme ist den jüdischen Werten wie der Toleranz und der Achtung vor dem Anderen verpflichtet. Besorgt sind die europäisch-jüdischen Friedensgruppen über die langfristige Sicherheit Israels. Diese wird von der rechten Sharonregierung untergraben.

Vor dem Hintergrund der deutschen Vergangenheit, auf die Außenminister Fischer immer wieder verweist, haben die EJJP Verständnis für die Zurückhaltung der deutschen Regierung, einseitige Maßnahmen zu ergreifen. Angesichts der Vergangenheit sowie aus Sorge um die Zukunft Israels fordert die EJJP Deutschland auf, sich mit anderen demokratischen Ländern gegen den Mauerbau und gegen weitere Verletzungen der Menschenrechte durch die israelische Regierung (besonders die gezielten Tötungen von mutmaßlichen Hamas-Terroristen) zu wenden. Laut der Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost hängt die legitime und sichere Existenz des israelischen Staates auch davon ab, inwieweit er den palästinensischen Nachbarn ein Leben in Würde ermöglicht.

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Symbolischer Völkermord

Von Lev Grinberg

Als Sohn des jüdischen Volkes, als ein betroffener israelischer Bürger verurteile ich die gezielten Tötungen als abscheuliche Tat und rufe die internationale Gemeinschaft auf, Israel vor sich selbst zu retten; insbesondere rufe ich die EU auf, sich einzumischen und zu vermitteln, um einem gegenseitigen Blutvergießen zuvorzukommen. Die komplizierte Verbindung zwischen dem jüdischen Volk und Europa ist noch nicht abgebrochen - und es ist Zeit zum Handeln.

Nicht auf Grund der Schuld der Vergangenheit, sondern aus einem Verantwortungsgefühl für die Zukunft. Jedes Volk hat seine Symbole, nationalen Führer und politischen Institutionen, eine Heimat, vergangene und zukünftige Generationen und Hoffnungen. All dies steht symbolisch für ein Volk. Israel ist dabei, systematisch all dies zu beschädigen, zu zerstören und zu vernichten.

Das palästinensische Land ist von den Siedlungen geraubt, von Straßensperren und dem "Sicherheitszaun" zerschnitten worden. Tatsächlich ist es eine Demontage der letzten Landreserven, von denen das palästinensische Volk als territoriale Grundlage für einen unabhängigen Staat geträumt hat. Sharons Ausrede ist, dass Verhandlungen nicht in Zeiten von Terrorakten geführt werden können. Aber als die Palästinenser im Dezember 2001 und im Juli 2003 einen einseitigen Waffenstillstand ausriefen, weigerte er sich dennoch, den "Friedensprozess" zu fördern; der zeitweilige Aufschub wurde durch eine Rückkehr zur "gezielten Tötungs-" Politik wieder gebrochen.

Eine andere Art der Reaktion konzentriert sich auf Israels Recht, sich selbst zu verteidigen. Was bedeutet diese Selbstverteidigung denn nach 37 Jahren Besatzung. Wie kann die Besatzung als defensiv bezeichnet werden? Die einzige legitime Verteidigung ist die von Israels legalen Grenzen, innerhalb dieser Grenzen - nicht durch das Besetzen von Land und dadurch, dass man einem ganzen Volk die Freiheit verweigert. Terrorismus ist eine Reaktion darauf. Eine schreckliche, grausame, unmenschliche und unmoralische Reaktion und vom politischen Standpunkt aus gewiss dumm, aber es ist eine Reaktion. Die Ursache muss behandelt werden, nicht die Folgen.

Als erstes hat sie die Autorität, die Institutionen und die Infrastruktur der palästinensischen Behörde zerstört, und nun ist sie dabei, das zu zerstören, was an Hoffnungen noch übrig geblieben ist. Sie tötet Führer und Zivilisten, Männer und Frauen, Kinder und alte Leute und behauptet, dass die als "Ziel von Liquidationen bestimmten Leute" sich hinter den Bürgern verstecken. Die Regierung Israels macht aus den Palästinensern ein Volk von Märtyrern und aus dem Nahostkonflikt einen kreuzzugartigen heiligen Krieg.

Das ist eine gefährliche Politik. Sie stellt eine existentielle Bedrohung für das palästinensische Volk dar, aber auch für den Staat Israel und seine Bürger und gefährdet so den ganzen Nahen Osten. Die Regierung ist im Begriff, das Volk in eine Konfrontation hineinzuziehen, die vom Rachewunsch entzündet wird, statt eine Zukunft aufzubauen. Solange es keine palästinensische Behörde und keine palästinensische Militärmacht gibt, die die Palästinenser gegen Israel verteidigen kann, gibt es nur eine Lösung: eine internationale Intervention und die schnelle Entsendung einer UN-Friedensgruppe, um die Palästinenser zu schützen und auch die Israelis. Solange die Palästinenser in Gefahr sind, sind auch wir nicht sicher, weil sie mit terroristischen Aktionen reagieren.

Aber solange sich auf palästinensischer Seite politisch nichts Wesentliches tut, gibt es keine Chance, den Konflikt jemals zu beenden. Erst dann - unter einem internationalen Schutz - können wir beginnen, über eine dauerhafte Lösung zu sprechen. Ohne zuerst die blutige Gewaltspirale und die Spirale tribaler Rache zu brechen, gibt es keine Chancen. Es ist die Verantwortung der Welt, vor allem Europas, die Regierung Israels zu stoppen. Ein paar Monate Embargo würde genügen, die Mehrheit der Israelis von der Weisheit internationaler Interventionen zu überzeugen. Unter den augenblicklichen Umständen zu schweigen, bedeutet Zustimmung.

Lev Grinberg ist Soziologe an der Ben Gurion Universität, Israel. (Übersetzung: Ellen Rohlfs).

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Judith Keshet, Mitbegründerin der israelischen Frauenorganisation "Checkpoint Watch", über ihre Aktionen

Die 300 Aktivistinnen der Organisation versuchen, an militärischen Kontrollpunkten zwischen den israelischen Soldaten und palästinensischen Zivilisten zu vermitteln. Die Prognose, daß es zu mehr Blutvergießen kommen wird, ist leider nicht schwer zu stellen. Nach dem Angriff auf Yassin wurde aber noch eine weitere besorgniserregende Entwicklung deutlich: Weil Yassin ein bekannter muslimischer Geistlicher war, könnte sich der religiöse Protest weit über die Grenzen der palästinensischen Gebiete ausdehnen.

Leider genießt Scharon in Israel nach wie vor große Unterstützung. Seine Unterstützer meinen offenbar, daß durch die gezielte Tötung von Gegnern die Sicherheit in Israel erhöht werde. Umfragen belegen, daß über die Hälfte der israelischen Bevölkerung diese Taktik unterstützt. Die Selbstmordattacken von palästinensischer Seite haben den Friedenswillen in der israelischen Bevölkerung sinken lassen. Die Angst hat Menschen dazu gebracht, Scharon zu unterstützen. Alle Morde sind also mehr als kontraproduktiv, wenn es um einen friedlichen Ausweg aus dem Konflikt geht.

Gush Shalom (Friedensblock) etwa legt den Focus auf das Organisieren von Protesten und die Verbreitung von Nachrichten. Meine Organisation "Checkpoint Watch", in der etwa 300 Frauen organisiert sind, geht es darum, militärische Kontrollpunkte zu beobachten. Viele andere israelische Friedensgruppen protestieren täglich. Bei diesen Kontrollpunkten geht es nicht darum, Palästinenserinnen und Palästinenser bei der Einreise nach Israel zu kontrollieren. Es sind Kontrollpunkte, die es diesen Menschen unmöglich machen, sich auf palästinensischem Gebiet frei zu bewegen. Sie machen ein geregeltes Leben und eine wirtschaftliche Prosperität in den palästinensischen Gebieten unmöglich.

Die Menschen können nicht zur Arbeit gehen, haben kaum Zugang zu Krankenhäusern oder Schulen. Um diese Kontrollen passieren zu können, benötigen die Menschen einen Paß von den israelischen Behörden. Und von diesen Dokumenten werden nur sehr wenige vergeben. Die Menschen in den palästinensischen Gebieten sind also regelrecht eingesperrt. An den Kontrollpunkten sind zudem oft junge Rekruten eingesetzt, die keine Erfahrungen haben und quasi Polizeiaufgaben wahrnehmen. Die Menschen müssen daher oft Stunden, manchmal einen ganzen Tag über, an den Kontrollpunkten ausharren. Wir wissen, daß 53 palästinensische hochschwangere Frauen deswegen im Dreck und vor den Augen der Umstehenden gebären mußten. 30 dieser Säuglinge sind wegen der fehlenden medizinischen Versorgung gestorben.

Quelle: Jungle World


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/3dossier/isr-pal/stimme.html | www.gfbv.it/3dossier/isr-pal/frauer.html | www.gfbv.it/3dossier/isr-pal/watzal.html | www.gfbv.it/3dossier/isr-pal/avnery.html | www.gfbv.it/3dossier/isr-pal/neudeck.html

* www: www.nahostfriede.at | www.ejjp.org | www.semit.net | www.yeshgvul.org | www.nahostfocus.de | www.machsomwatch.org

Letzte Aktual.: 26.4.2005 | Copyright | Suchmaschine | URL: www.gfbv.it/3dossier/isr-pal/dissens.html | XHTML 1.0 / CSS / WAI AAA | WEBdesign, Info: M. di Vieste

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