Aus pogrom-bedrohte Völker Nr. 238 (4/2006)
Bozen, Göttingen, 27. Oktober 2006
INHALT
Wolfgang Mayr
Der von den
Industriestaaten und den boomenden "Schwellenländern"
verursachte Klimawandel wirkt sich zerstörerisch auf die
indigenen Regionen der Welt aus. Geografische und politische
Grenzen spielen dabei keine Rolle. 27 Milliarden Tonnen CO2 aus
Industrieschloten, Autoauspuffen und Heizungsanlagen - weltweit -
haben das Klimasystem nachhaltig gestört. Die Folge ist ein
nicht wieder gut zu machender Schaden, stellte "Die Zeit" Anfang
August fest - auf ihren Wirtschaftsseiten. Trotz der Erkenntnisse
aus der Klimaforschung und der Klimakonferenzen sind das ein
Viertel mehr als vor 15 Jahren. Damals entstand das
Klimabündnis westeuropäischer Städte und der
Amazonas-Indianer, um dem Treibhauseffekt zu stoppen.
Es sieht derzeit nicht danach aus, dass eine Wende möglich
wird. Ganz im Gegenteil. Bis 2030 wird laut Berechnungen
verschiedener Internationaler Energie-Agenturen der
Kohlendioxid-Ausstoß auf jährlich 38 Milliarden Tonnen
ansteigen. Eine dramatische Entwicklung, die sich bereits jetzt
auswirkt: Die Gletscher schrumpfen, weil ihr "ewiges Eis"
wegschmilzt; der Eispanzer am Nord- und Südpol und die
grönländischen Eismassen werden dünner (schon
heute verlieren die Gebirgsgletscher doppelt soviel Eis wie 1980,
nämlich 50 Zentimeter jährlich); Tropenwinde verwandeln
sich in gewalttätige Stürme, die das Meer ins Land
peitschen (sie entstehen bei einer Wassertemperatur von 27 Grad,
je wärmer die Meere, desto größer die
Zerstörungskraft); in Afrika und in Zentralasien hingegen
verdurstet die Erde (forciert auch durch die Viehzucht: um ein
Kilo Fleisch zu produzieren, bedarf es 10.000 Liter Wasser).
Bereits ein Drittel der Weltbevölkerung leidet unter
Wassermangel. Die Welt wird unwirtlicher, unbewohnbar, den
Menschen wird die Lebensgrundlage entzogen. 2010 werden deshalb
mehr als 50 Millionen Menschen versuchen, ihre Heimat zu
verlassen, prophezeit die United Nations University in
Bonn.
Auch die letzten Rückzugsgebiete indigener Völker sind
bedroht. Die Inuit Grönlands, Kanadas und der USA, die Samen
Skandinaviens und die "kleinen Völker" Sibiriens stellen
hilflos fest, dass ihre bisher ständig gefrorenen Böden
langsam aufweichen. Der "Perma-Frost" wird schwächer. Durch
das Auftauen geben die Permafrostböden Methan frei, ein
Treibhausgas. Die Erschließungswut der Wirtschaft dieser
Staaten trägt außerdem dazu bei, dass die
Verwüstung beschleunigt wird. Erst der Klimawandel macht den
kalten Norden unwirtlich. Ähnliches gilt auch für die
ständig schrumpfenden Regenwälder der Erde, egal ob am
Amazonas, am Kongo, in Süd-Ost-Asien, Regionen mit starker
indigener Bevölkerung. Das britische Hadley Center
befürchtet, dass der prognostizierten Erderwärmung -
seit hundert Jahren um 0,8 Grad, in den nächsten
könnten es sechs und mehr Grad werden - die Dschungelwelt
zum Opfer fällt. Weil das Wasser knapp, irgendwann fehlen
wird. Das Problem für den Norden der Welt: der Regenwald
geht ein. Beim Absterben wird Kohlenstoff freigesetzt und heizt
die Erwärmung noch kräftiger an.
Die Savannengebiete, auch von indigenen Menschen bewohnt, werden
verdorren. Hitze und Wassermangel sorgen bereits jetzt für
das Absterben von Pflanzen, auch von Bäumen. Die
Graslandwirtschaft verwandelt sich in Wüste. Die
Ernteverluste sollen bereits 30 Prozent betragen. Die
Lebensgrundlage der Bauern schrumpft. Arktische Jäger
beklagen, dass das Eis sie nicht mehr trägt. Die Eisschicht
wird dünner, auf denen die Jagdwege verlaufen. Eine Reihe
von tödlichen Unglücken schreckte die Jäger auf.
Die Jagd wird unmöglich. Der leichte Anstieg der
Temperaturen ermöglicht auf Grönland mit seinen 2,5
Millionen Kubikkilometern Eis (bis zu 3.400 Metern dick) in
geschützten Buchten den Anbau von Kartoffeln und Brokkoli.
Ende August berichtete "Der Spiegel" von einem
Landwirtschaftsprogramm der grönländischen
Landesregierung. Möglich macht es der Klimawandel. Die
Temperaturen steigen in Grönland fast doppelt so stark an
wie im Rest Europas, so Der Spiegel. Im vergangenen Jahr
verschwanden bereits mehr als 200 Kubikmeter Eis. "Der Spiegel"
zitiert den Landwirtschaftsberater der Landesregierung, Kenneth
Hoegh, mit der Aussage, dass die Wachstumsperiode in
Grönland mittlerweile so lange ist wie in den Alpen auf
1.500 Metern.
Mit dem berühmten Protokoll von Kyoto wollte die UNO den
Klimawandel stoppen. Daraus ist nicht viel geworden. Zwar
kündigten die Europäer vollmundig eine Verringerung des
Treibhausgasausstoßes an, ratifizierten im Gegensatz zum
"Buhmann" USA das Kyoto-Protokoll, passiert ist aber wenig. Die
Republikaner sorgten noch während der liberalen
Clinton-Ära dafür, dass die USA das Protokoll nicht
einmal zur Kenntnis nahmen. Die Skepsis der Republikaner vor den
"Schwellenländern" war aber nicht unbegründet. Das
kommunistische China verheizt seine Kohlevorkommen, Brasilien und
andere Aufsteiger kümmern sich wenig um Umweltauflagen - die
besonders den Menschen zugute kämen. Indien, Australien,
Kanada, Russland, klimapolitische Verweigerer, verhinderten
erfolgreich eine Umweltpolitik, die die Umweltzerstörungen
stoppen könnte.
Inzwischen gibt es positive Signale auch aus den USA.
Ex-Vizepräsident Al Gore kommt mit seiner klimapolitischen
Kampagne an. Das Kalifornien des republikanischen Gouverneurs
Arnold Schwarzenegger sieht in einer Verordnung vor, bis 2020 die
Treibhausgas-Emissionen um 25 Prozent zu verringern, auch die
Autohersteller sollen dazu verpflichtet werden. Elf
US-Bundesstaaten kündigten ebenfalls klimapolitische Schritt
an, 21 Bundesstaaten erließen bereits Gesetze zur
Förderung sauberer Energiesysteme. Mehr als 200
Bürgermeister wollen auf kommunaler Ebene das
Kyoto-Protokoll umsetzen. Es nützt wenig, wenn die indische
Umweltschützerin Sunita Narain vom Centre for Science and
Environment in Neu Dehli ausschließlich den Norden der Welt
für den Klimawandel verantwortlich macht. Sie spart Indien
und China in ihrer Kritik aus, stellvertretend für alle jene
Länder im Süden, deren Wirtschaften boomen. Narain hat
Recht, wenn sie dafür wirbt, dass die Ressourcen fair
geteilt werden. Doch weder China noch Indien sind dafür
Vorbilder. Auch sie setzen sich über berechtigte Anliegen
indigener Menschen hinweg. Beide Staaten setzen auf Wachstum, auf
ungestümes und von Umweltgesetzen ungebändigtes
Wachstum. Vorbilder für viele Staaten im Süden.
Der Hunger nach Energie wächst jährlich. Trotz des
Raubbaus gibt es noch genügend Öl, Gas und Kohle in der
Erde - besonders in den abgelegenen Gebieten indigener
Völker. Genügend jedenfalls, um die Erde zu verheizen.
Werden auch diese Ressourcen verheizt, steigen nochmals 18.000
Milliarden Tonnen CO2 in den Himmel. Das Ende der letzten
Paradiese.
Sarah Reinke und Kerstin Veigt
Den
Ureinwohnern der Arktis droht durch den Klimawandel eine Welle
der Zerstörung und Plünderung ihrer Bodenschätze.
Die Inuit, Ewenken, Yakuten, Nenets und andere indigene
Völker der Arktis leiden schon heute unter gravierenden
Folgen des Klimawandels. Nun wollen westliche Regierungen,
Erdöl- und Bergbaukonzerne daraus auch noch Profit schlagen
und den Klimawandel nutzen, um die Polargebiete wirtschaftlich zu
erschließen. Dies wäre der Todesstoß für
die mehr als 400.000 Ureinwohner der Arktis, deren
Lebensgrundlage systematisch zerstört würde. Mehr als
zehn Jahre nach Beginn der von den Vereinten Nationen
ausgerufenen Internationalen Dekade für indigene Völker
zeigt die drohende Plünderung der Arktis, dass die
Staatengemeinschaft nichts lernen will aus den schwerwiegenden
Folgen der Erschließung von Bodenschatzvorkommen für
Ureinwohner in Amazonien.
Schätzungen zufolge befinden sich in der Arktis ein Viertel
der weltweit noch nicht ausgebeuteten Erdöl- und
Erdgasressourcen. Im Norden Norwegens werde in Hammerfest bereits
eine Anlage zur Erdgasverflüssigung gebaut, damit Erdgas aus
der Barentsee in die USA und in andere Staaten exportiert werden
kann. Russland erschließt mit Unterstützung von
Energiekonzernen aus Frankreich, den USA und Norwegen ein
gigantisches Erdgasfeld nördlich der Kola-Halbinsel. Das
Energie hungrige, um sichtbare Präsenz bemühe China hat
im norwegischen Spitzbergen eine Forschungsstation eingerichtet.
Die US-Regierung betreibt ohne Rücksicht auf die indigenen
Völker und das sensible ökologische Gleichgewicht die
Erschließung neuer Erdölvorkommen im Norden Alaskas.
Alle großen internationalen Öl-Konzerne prüfen
Investitionsvorhaben in den Polargebieten.
Besorgnis erregend sind auch die Bemühungen der
Anrainerstaaten der Arktis, ihre Hoheitsgebiete auszuweiten, um
sich die Kontrolle über lukrative Bodenschatzvorkommen zu
sichern. Gemäß der Internationalen Seerechtskonvention
wird das Hoheitsgebiet bei Meeresflächen von der Ausdehnung
des Kontinentalsockels bestimmt. Russland, die USA, Dänemark
und Kanada vermessen bereits den Kontinentalsockel, um bei einem
weiteren Schmelzen der Eisfläche das Staatsterritorium zu
ihren Gunsten ausweiten zu können. Russland scheute sich
nicht einmal, die Hälfte der Arktis zu seinem Territorium zu
erklären. Neben den Bodenschätzen sind für die
Anrainerstaaten auch die reichen Fisch- und Krabbenvorkommen
sowie die Erschließung neuer eisfreier Seewege im Norden
Kanadas und Russlands interessant, um Energie und Zeit beim
Warentransport zu sparen.
Die indigenen Völker der Arktis sind deshalb in ihrem
Überleben gleich mehrfach bedroht. Die massiven Eingriffe in
die Umwelt machten den Ureinwohnern das Überleben immer
schwerer. Der Klimawandel darf nicht genutzt werden, um die
Ressourcen der Arktis auszuplündern, appellierte die GfbV an
den Arktischen Rat, der im Rahmen der Potsdamer Arktiskonferenz
(März 2006) über das Internationale Polarjahr 2007/2008
beriet. Der Arktische Rat ist ein zwischenstaatliches Forum der
acht Anrainerstaaten der Arktis und der in den Polarregionen
lebenden indigenen Völker. In der Arktis vollzieht sich der
Klimawandel zwei- bis dreimal schneller als im globalen
Durchschnitt. Er lässt das ewige Eis schmelzen und
verändert die Lebensbedingungen für Menschen, Flora und
Fauna für immer: Die indigenen Völker der Arktis sind
von den unmittelbaren und den indirekten Folgen der
Ölpolitik als erste und am stärksten betroffen.
Rücksichtlose Öl- und Gasförderung in Sibirien
Deutschland bezieht mit 35 Millionen Tonnen 30% seines
importierten Erdöls sowie mit 35 Milliarden Kubikmetern 40%
seines Erdgases aus Russland. Es kommt aus den Regionen, in denen
die Indigenen leben. Verseuchte Landstriche, vergiftete
Flüsse und Seen, hohe Luftverschmutzung durch das Abfackeln
der Begleitgase - das sind Folgen der rücksichtslosen
Öl- und Gasförderung seit den 60er Jahren auf dem
Gebiet indigener Gruppen in Sibirien. Viele mussten aufgrund der
Umweltzerstörung ihre traditionelle Lebensweise aufgeben und
leiden unter Alkoholismus und Arbeitslosigkeit. Krankheiten wie
Tuberkulose und Krebs greifen um sich, die Lebenserwartung liegt
bis zu 20 Jahren unter dem russischen Durchschnitt.
Noch immer werden neue Gebiete für die Öl- und
Gasförderung erschlossen. So sind die 3.500 Nivchen, Nanai,
Oroken und Evenken auf der Insel Sachalin akut bedroht: Eine
Pipeline vom Süden in den Norden Sachalins soll 1.103
Flüsse und Bäche sowie die Weidegründe von
Rentieren durchschneiden. Das Gebiet ist Erdbeben gefährdet;
Lecks an der Pipeline oder Ölunfälle hätten
für das empfindliche Ökosystem katastrophale
Folgen.
Klimawandel zerstört Lebensgrundlagen
Indigene Völker auf drei Kontinenten - von den Saami in
Lappland über die Evenken in Sibirien, die Yup'ik und
Gwich'in in Alaska bis zu den Inuit in Grönland -
spüren täglich die Folgen des Klimawandels. Sie sehen
ihr Recht auf Gesundheit, auf Nahrung, ihre Kultur, die
Sicherheit ihrer Wohnorte und andere Menschenrechte verletzt. Die
Winter sind kürzer und wärmer geworden, Gletscher tauen
und Menschen sterben, weil vertraute Wege auf dünnerer
Eisdecke nicht mehr sicher sind. Ganze Dörfer mussten
aufgrund von Küstenerosion und Stürmen umgesiedelt
werden. Wenn die Industrieländer nicht endlich
verantwortungsvoll konsequent ihre Energiepolitik ändern und
den Kohlendioxidausstoß reduzieren, schmilzt den Menschen
in der Arktis der Boden immer weiter unter den Füßen
weg.
Insgesamt leben fast vier Millionen Menschen in der Arktis, deren
Gebiet sich am nördlichen Polarkreis durch Norwegen,
Schweden, Finnland, Dänemark, Island, Kanada, Russland und
die USA zieht. 400.000 von ihnen gehören mehr als 30
indigenen Völkern wie den Saami in Lappland, den Inuit in
Grönland, den Gwich'in, Athabasken und Yup'ik in Alaska oder
den Evenken in Sibirien an. Die Ureinwohner haben genaue
Kenntnisse über ihre von Permafrost geprägte Umwelt,
deren Eis vielerorts keine Landmassen, sondern den Arktischen
Ozean unter sich hat. Heute beobachten sie arktisweit starke
Veränderungen der Wetter- und Umweltbedingungen.
Indigene in der Arktis haben seit Jahrzehnten gegen die Öl-
und Gasförderung vor Ort und deren Konsequenzen für
ihre Gesundheit und ihre Umwelt zu kämpfen gehabt. Jetzt
stellen die Folgen der globalen Ölförderung und anderer
industrieller Tätigkeiten sie noch umfassender vor eine nie
gekannte existentielle Herausforderung. Die indigenen Völker
haben sich über Generationen einer extremen Umwelt
anzupassen gewusst. Wie können sie jetzt auf die
katastrophalen Folgen der Klimaerwärmung reagieren, die
ihnen ihre Lebensgrundlage zu entziehen drohen? Angesichts der
Geschwindigkeit des Wandels und der globalen
Machtverhältnisse ist es für sie schwer, sich an die
veränderten Bedingungen anzupassen. Der Klimawandel stellt
sich für die indigenen Völker als eine Form der
Menschenrechtsverletzung dar, die sich in allen Lebensbereichen
zeigt und ihnen die Basis für ihr Überleben zu
zerstören droht.
Aktiv gegen den Klimawandel
Wenn die Industrieländer nicht endlich
verantwortungsvoll konsequent ihre Energiepolitik ändern und
den Kohlendioxidausstoß reduzieren, schmilzt den Menschen
in der Arktis der Boden immer weiter unter den Füßen
weg.
Von den Saami in Lappland über die Evenken in Sibirien, die
Yup'ik und Gwich'in in Alaska bis zu den Inuit in Grönland
kämpfen die Indigenen über drei Kontinente hinweg
gemeinsam gegen die Bedrohung ihrer Existenz durch den
Klimawandel. In Organisationen wie der Inuit Circumpolar
Conference, dem Saami Council, der russischen RAIPON und dem
Inuit Tapiriit Kanatami machen die arktischen Völker
weltweit auf ihre akute Gefährdungssituation aufmerksam. So
haben Delegierte indigener Organisationen im Mai 2005 die EU in
Brüssel besucht, um an die EU-Länder zu appellieren,
gegen den Klimawandel vorzugehen und den indigenen Völker
der Arktis Hilfe zu leisten. Die Vorsitzende der Inuit
Circumpolar Conference Sheila Watt-Cloutier betont, dass sich die
Inuit keineswegs als machtlose Opfer sehen. Tatsächlich
ergreift sie immer wieder vor internationalen Akteuren das Wort
und fordert ein größeres Mitspracherecht der Indigenen
in politischen Entscheidungsprozessen und eine bewusste
Klimapolitik. Zuletzt haben die Inuit auf der UN-Klimakonferenz
vom (28. November bis 9. Dezember 2005 in Montreal der
Interamerikanischen Menschenrechtskommission (IACHR) eine von 63
Inuit aus Kanada und Alaska unterzeichnete Petition
überreicht. Darin beziehen sie sich explizit auf die USA als
Hauptverantwortliche des Klimakollaps, da diese mit über 25%
weltweit die größte Emission zerstörerischer Gase
aufweisen und sich gleichzeitig weigern, das Kyoto-Protokoll zu
unterzeichnen oder andere Maßnahmen zu ergreifen.
Bei der Interamerikanischen Menschenrechtskommission wollen die
Inuit nun Unterstützung gegen die von den USA durch den
Klimawandel begangenen Menschenrechtsverletzungen an den Inuit
finden. Sie soll die Auswirkungen des Klimawandels auf die Inuit
untersuchen und feststellen, ob die US-Regierung mit ihrer
Klimapolitik die "American Declaration on the Rights and Duties
of Man" und weitere völkerrechtliche Vereinbarungen
verletzen. Die Inuit wollen den USA auf diesem Wege nahe legen,
endlich mit der internationalen Staatengemeinschaft zu
kooperieren und ihren Treibhausgasausstoß im Rahmen der
UN-Klimarahmenkonvention schnellstmöglich und effektiv zu
verringern. Kultur und Ressourcen der Inuit müssten durch
einen Plan geschützt werden, der sich auf Land, Wasser,
Schnee, Pflanzen- und Tierspezies beziehe. Außerdem
müssten sich die USA verpflichten, mit den Inuit
zusammenzuarbeiten, um mit den unwiderruflichen Schäden
umgehen zu können.
"In dieser Petition geht es nicht um Geld", so die Vorsitzende
der ICC Sheila Watt Cloutier in ihrer Rede, "es geht vielmehr
darum, die Vereinigten Staaten zu ermutigen, sich der
Weltgemeinschaft anzuschließen und der starken Verringerung
der Treibhausgasemission zuzustimmen, die für die arktische
Umwelt, die Inuit-Kultur und letztlich die ganze Welt nötig
ist...Wir legen die Petition nicht in einem Geist der
Konfrontation vor - das ist nicht die Art der Inuit -, sondern um
die USA zu einem Dialog im Rahmen der Klimakonvention
einzuladen...Ich lade die USA ein, unsere Petition positiv zu
beantworten. Außerdem lade ich Regierungs- und
Nichtregierungsorganisationen weltweit ein, unsere Petition zu
unterstützen und nicht zu vergessen, dass der Klimawandel
letztlich eine Frage der Menschenrechte ist."
Sind die indigenen Gruppen der Arktis von den Folgen des
Klimawandels am frühesten und stärksten betroffen, sind
sie doch gleichzeitig für seine Ursachen nur wenig
verantwortlich. Entsprechend haben sie zu wenig Einfluss auf
Ursachen und Prozesse des Klimawandels und auf die Konsequenzen,
die aus seinen schon heute katastrophalen Folgen dringend gezogen
werden müssen. Aus wichtigen Entscheidungsprozessen werden
sie in den meisten Fällen ausgeschlossen.
Quelle: www.gfbv.de/dossier.php?id=32
Naturgewalten zerstören Wege und Wohnorte
Früher sichere und vertraute Wege zwischen Gemeinden und in Jagdgebieten, die über das Eis führen, sind heute durch dünne und rissige Eisdecken gefährlich geworden. So ist es im kanadischen Autonomiegebiet Nunavut bereits zu Todesfällen gekommen, als Inuit beim Jagen und Fischen durch zu dünn gewordenes Eis eingebrochen sind. Den 600 Inupiat in Shishmaref (Alaska) reißt die Wirkung des Klimawandels buchstäblich den Boden unter den Füßen weg. Sie sehen sich gezwungen, ihren Ort auf der seit 4000 Jahren besiedelten Insel vor der Küste Nordalaskas in den nächsten Jahren zu verlassen. Durch die steigenden Temperaturen kommt es in Shishmaref zu Seestürmen und zu einer unaufhaltsamen Küstenerosion. Das Eis schwindet und der gefrorene Permafrostboden taut immer weiter auf. Dadurch wurden Wohnhäuser, Wasserleitungen und andere Teile der Infrastruktur zerstört. Viele Häuser mussten bereits weiter ins Land versetzt werden. Ein Ende des Dorfes wurde den Inupiat bei einem Sturm vollständig weggerissen. In Alaska sind 184 weitere Gemeinden der Gefahr von Erosion und Überflutung ausgesetzt.
Nahrungsgrundlage in Gefahr
Wie in anderen Teilen der Arktis auch, müssen die Bewohnerinnen und Bewohner Shishmareffs außerdem um ihre Nahrungsmittelversorgung fürchten. Durch das schwindende Meereis können sie nicht mehr Anfang November über das Eis ans Festland gelangen, um Elche und Karibus zu jagen. Die Bucht ist nunmehr ein offenes Gewässer geworden. Doch nicht allein der Zugang zu Nahrung lässt viele indigene Völker, die von der Jagd, vom Fischfang, von der Rentierzucht und vom Sammeln leben, besorgt sein. Unter den neuen Bedingungen verändern manche Tiere ihre Wanderbewegungen. Tierpopulationen werden kleiner und drohen auszusterben. Ebenso gehen pflanzliche Nahrungsquellen verloren, da zum Beispiel bestimmte Beeren im veränderten Klima nicht mehr wachsen können. Es treten Insekten-, Vogel- und Fischarten auf, die in den jeweiligen Gegenden bisher unbekannt waren. Seehunde, Eisbären und Walrosse, für die das Eis als Lebensraum notwendig ist, drohen sogar auszusterben. So berichten Yup'ik davon, wie in Alaska der Rückzug des Eises den Lebensraum der Walrosse verkleinert.
Kulturelle Identität bedroht
Die Tier- und Pflanzenwelt stellt nicht allein eine Nahrungsquelle dar, von denen die Indigenen existentiell abhängig sind. Darüber hinaus ist sie wichtig für ihre soziale, kulturelle und spirituelle Identität. Feste, Zeremonien, Mythologien und Überlieferungen von Geschichten spiegeln die Bedeutung der arktischen Umwelt für ihre Bewohnerinnen und Bewohner wider. So stellt der Klimawandel das Überleben der Inuit-Kultur infrage. Sie sehen das Menschenrecht, sich für ihre eigene Lebensweise entscheiden zu können, gravierend verletzt.
Gefährdung der Gesundheit
Durch die Nahrungssituation kommt es zu Nahrungsmangel und zur Umstellung der Ernährungsgewohnheiten. So nehmen Krankheiten unter den Indigenen zu. Die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen sind außerdem durch erhöhte UV-Strahlen angegriffen. Die Sonne ist stechender geworden, Sonnenbrände und vorher unbekannte Hautausschläge nehmen zu. Auch treten mit dem Wandel des Klimas neue Infektionskrankheiten auf.
Freie Fahrt von Spitzbergen zum
Nordpol
Die Eisschmelze in der Arktis nimmt immer dramatischere Formen
an: Die europäische Raumfahrtorganisation ESA meldete unter
Berufung auf Satellitenbilder von Ende August erste "dramatische
Öffnungen" des vermeintlich ewigen Eises im hohen Norden.
Die Wissenschafter sind bestürzt: Risse im Packeis
erstreckten sich über ein Gebiet, das größer ist
als die Britischen Inseln. "Es ist vorstellbar, dass ein Schiff
mühelos von Spitzbergen oder Nordsibirien bis zum Nordpol
durch das gelangt wäre, was normalerweise Packeis ist",
erklärte ESA-Meeresexperte Mark Drinkwater. Derartiges sei
in den vergangenen Jahrzehnten noch nie beobachtet worden,
betonte der Wissenschaftler. Die Risse im Packeis haben sich mit
Beginn des arktischen Herbstes im September zunächst wieder
schlossen.
Mitte September hatten auch US-Klimaforscher Alarm geschlagen,
weil das so genannte "ewige" Eis in der Arktis drastisch
abschmolz und sie nun eine Spirale der Erwärmung im hohen
Norden fürchten. Demnach gingen allein von 2004 bis 2005
etwa 720.000 Quadratkilometer und damit ein Siebtel des
ganzjährig vorhandenen Eises verloren. Dies entsprach einem
Gebiet von der Größe des US-Bundesstaates Texas. Im
September 2005 wurde so wenig Eis in der Arktis gemessen wie noch
nie seit Beginn der Satelliten-Aufzeichnungen im Jahr 1978.
Betroffen ist vor allem der Ostarktische Ozean oberhalb von
Europa und Asien. "Wenn dieser anormale Trend sich fortsetzt,
wird die Nordost-Passage zwischen Europa und Asien längere
Zeit über offen sein", sagte Drinkwater. Dann sei denkbar,
dass in zehn oder zwanzig Jahren sogar Weltumseglungen direkt
durch den sommerlichen Arktischen Ozean versucht
würden.
Das offenbar durch den Treibhauseffekt und die allgemeine
Erderwärmung ausgelöste Schmelzen des arktischen Eises
sehen Wissenschafter mit großer Sorge. Es stört
wichtige Meeresströmungen wie den warmen Golfstrom, der
weiten Teilen Westeuropas mildes Klima bringt. Tiere wie
Eisbären und Seehunde, deren Lebenszyklen vom Eis
abhängen, drohen durch die Schmelze schwer getroffen zu
werden. Das Phänomen hat auch geopolitische Folgen - so
streiten Kanada, Russland und die USA um die Rechte für
Nordpol-Passagen.
Quelle: APA, 20. Sept. 2006
Sarah Reinke
Unterschiedliche Nachrichten erreichen die Gesellschaft für
bedrohte Völker (GfbV) im Moment aus Sibirien. Während
die Ureinwohner-Proteste gegen das Ölprojekt Sachalin II
erste Erfolge zeitigen, geht es anderen Gruppen in der Region
sehr schlecht. Besonders erschreckend ist die Lage der Amur
Ewenken.
Von den 35.527 Ewenken in ganz Russland (Volkszählung 2002)
leben im Verwaltungsbezirk Amur 1.501. Die meisten von ihnen sind
Rentierzüchter. Im Frühling 2005 wandte sich Elena
Kolesova, die Vorsitzende des Verbandes der indigenen Gruppen der
Region Amur zum ersten Mal an die Dachorganisation RAIPON. Sie
berichtete darüber, wie die Rechte der indigenen Gruppen in
ihrer Region von Waldarbeitern, Goldsuchern, Straßenbauern
und der Verwaltung verletzt werden. "Im Jahre 2000 begann der Bau
der Umnak-Elga Straße, die direkt durch unser Land
führt. Im Zuge dessen kamen Holzarbeiter, Wilderer und
Goldsucher in unser Gebiet. 2002 wurde die Arbeit an der
Straße unterbrochen, ein Holzhandelszentrum wurde aber
mitten auf unserem Land aufgebaut. Genau dort, wohin sich die
trächtigen Rentiere zurückzogen, um zu kalben. Unsere
Rentierzüchter versuchten, die Tiere woanders hin zu
treiben, was ihnen aber nicht gelang. Dann schossen
Holzhändler zweimal auf die Tiere. Beim ersten Mal
töteten sie acht Rene, beim zweiten Mal 14. Als wir sie
damit konfrontierten, sagten sie, sie hätten ja nicht
erkennen können, dass es sich um zahme Rentiere handelte.
Unsere Rene tragen Glocken um den Hals und Bänder,
außerdem haben die Waldarbeiter keine Jagdlizenzen.",
berichtete Frau Kolesova.
Nach der Konfrontation mit den Waldarbeitern hätten diese
begonnen den Rentierzüchter, dessen Rene sie getötet
hatten, zu verfolgen und zu drangsalieren. Sie hätten das so
lange getrieben, bis Vadim, der Rentierzüchter, sich
umbrachte, erklärt Kolesova weiter. Viele der
Rentierzüchter seien seit der Ankunft der Fremden gestorben.
Früher gab es große Herden und 22 junge Züchter.
Keiner davon ist übrig geblieben. Der Ehemann von Frau
Kolesova starb an einem Herzinfarkt. Einen ersten Infarkt erlitt
er, als die Wohnung der Familie von der Polizei durchsucht wurde,
nachdem sich Frau Kolesova mit Briefen an die Behörden
gewandt hatte. Dort wurde sie angeschrieen und bedroht. Der
ältere Sohn der Familie brachte sich im Winter 2005 um und
hinterlässt seine Frau und Tochter. Der jüngere Sohn
wurde in einem unfairen Gerichtsverfahren zu zehn Jahren
Gefängnis verurteilt. Als Frau Kolesova ihn besuchte, sagte
er ihr, seine Strafe sei wegen ihres Engagements für die
Rechte der Amur Ewenken so hoch ausgefallen. Noch weitere der
jungen Rentierzüchter brachten sich um, starben an
Alkoholvergiftungen und Krankheiten.
Auch Arkadij Ochlopov, Vorsitzender des Vereins "Aborigen" im
Bezirk Selemdzhin in der Region Amur wandte sich in dringenden
Appellen an die Öffentlichkeit. Er warf den Goldgräbern
vor die Weiden der Rentierzüchter in Wüsten zu
verwandeln. Die betroffenen Ewenken haben so ihre Lebensgrundlage
verloren. Sie sind so verzweifelt, dass sie mit kollektivem
Selbstmord gedroht haben, sollten sie keine Unterstützung
von Seiten der Behörden bekommen. Arkadij Ochlopov selbst
sagte, er wolle sein Leben dafür opfern, dass den Ewenken
geholfen wird. Der Dachverband indigener Völker RAIPON hat
durch Briefe und Beschwerden versucht, die Betroffenen zu
unterstützen. Als nächster Schritt ist geplant, einen
sachkundigen Juristen in die Region zu entsenden, um die
Vorfälle zu dokumentieren und zu prüfen.
Dass Widerstand zu positiven Veränderungen führen kann,
erleben gerade die Ureinwohnergruppen auf der Insel Sachalin im
äußersten Osten der Russischen Förderation. Dort
werden die weltweit größten Investitionen im
Ölgeschäft getätigt. Die Proteste der Ureinwohner,
die im Januar 2005 begannen, richteten sich besonders gegen das
Projekt Sachalin II, den Bau einer Pipeline vom Süden in den
Norden der Insel. Dass es ihnen nicht gelingen würde, den
Pipelinebau zu verhindern, war den Ureinwohnern unter
Führung des Vorsitzenden des Rates der indigenen Völker
Sachalins, Aleksej Limanso, der im September 2005 Gast der GfbV
war, klar. Ihre Proteste, die international von Greenpeace, dem
WWF und natürlich der GfbV unterstützt wurden,
führten aber dazu, dass die Vertreter des Konsortiums
Sachalin Energy, in dem der britische Energieriese Shell den
Löwenanteil hat, sie ernst nehmen mussten. Es kam zu
Gesprächen und schließlich fand vom 26. bis 30. Mai
2006 unter dem Titel "Schutz der Rechte der indigenen Völker
auf Sachalin und die industrielle Nutzung von Gebieten
traditioneller Landnutzung" in Moskau ein Workshop statt.
Beteiligt waren die Konzernvertreter, Repräsentanten der
indigenen Gruppen und internationale Beobachter.
Parallel dazu wurde der Entwicklungshilfeplan für die
Urbevölkerung Sachalins auf den Weg gebracht. Dieser Plan
hat das Ziel negative Auswirkungen des Projektes "Sachalin-II" zu
minimieren und zum Wohlergehen der Indigenen beizutragen. Ein
Memorandum wurde von der führenden Firma Sachalin Energy,
dem Rat der indigenen Völker und der politischen Verwaltung
Sachalins unterzeichnet. Sachalin Energy wird in die Umsetzung
von sozialen Projekten 300.000 US $ investieren. Diese Umsetzung
wird von einem Beirat beobachtete, in dem die indigenen Vertreter
in der Mehrzahl sind. Zuvor hatte im März in Moskau eine
öffentliche Anhörung zum Thema Sachalin statt gefunden,
an der NGOs, Geldgeber wie die Europäische Bank für
Wiederaufbau etc. beteiligt waren. Es ist wichtig anzuerkennen,
dass der Entwicklungsplan keine karitative Maßnahme seitens
Sachalin Energy ist, sondern vielmehr ein den russischen und
internationalen Gesetzen entsprechender Schritt, der schon vor
Beginn der Bauarbeiten hätte gegangen werden
müssen.
Mehr aktuelle Informationen zur Lage in Sibirien in der neuen Ausgabe des Ansipra Bulletin (www.npolar.no/ansipra/english/index.html).
Theodor Rathgeber
Françoise Hampson, Expertin der
UN-Unterkommission zum Schutz der Menschenrechte und Mitglied der
UN-Arbeitsgruppe Indigene Bevölkerungen (UNWGIP), legte 2004
und 2005 einen Überblick vor, der sich mit der Lage von
indigenen Völkern beschäftigt, die durch
veränderte Umwelt- und Klimabedingungen vor großen
Überlebensproblemen stehen. Françoise Hampson
berichtet über indigene Territorien, denen das Verschwinden
droht, oder über indigene Völker, die im Angesicht
naher Notlagen durch Naturereignisse zwangsweise von ihren
Gebieten umgesiedelt oder vertrieben werden. Die Ursachen
derartig gravierender Eingriffe in die Lebensverhältnisse
liegen im Ansteigen des Meeresspiegels infolge der
Klimaerwärmung, in der Verdrängung von
Süßwasser durch Salzwasser oder in der
buchstäblichen Verwüstung großer Landstriche
durch extrem umweltfeindlichen Ressourcenabbau. Besonders
betroffen sind indigene Territorien mit empfindlichen
Ökosystemen, wie sie etwa in der Arktis, in borealen und
tropischen Regenwäldern sowie im Gebirge vorkommen oder auf
Inseln im Pazifik, in der Karibik und im Indischen Ozean.
Als vom Untergang potenziell bedroht gelten etwa Tuvalu, Nauru,
Kiribati, die Salomon-Inseln, die Malediven und die Bahamas.
Einen großen Teil seiner Landmasse zu verlieren droht auch
Bangladesh. Ian Aujare-Zazao, ein indigener Repräsentant der
Salomon-Inseln beim Montrealer Klimagipfel im November 2005,
machte mit drastischen Worten auf die drohende Überflutung
aufmerksam.
Im nördlichen Polarmeer erleben die Inuit die Folgen der
Klimaerwärmung ebenfalls schon hautnah. Sheila
Watt-Cloutier, die Vorsitzende der Inuit Circumpolar Conference
(ICC) reichte im Washingtoner Büro der Interamerikanischen
Menschenrechtskommission Klage wegen Verletzung von
Menschenrechten aufgrund der vor allem in den USA weiter
ungehinderten Emission von Treibhausgasen ein. Die Klage soll die
USA dazu bringen, Höchstgrenzen für die Emissionen
festzulegen sowie sich endlich zur internationalen Zusammenarbeit
aufzuraffen. Außerdem sollen die USA verpflichtet werden,
zusammen mit den Inuit einen Plan auszuarbeiten, wie die jetzt
schon eingetretenen gravierenden Folgen der Klimaveränderung
abgefedert werden können.
Das Schmelzen von Gletschern im Himalaya beeinträchtigt auf
indischer Seite vor allem in den trockenen Monaten die Versorgung
mit sauberem Wasser just jener abgelegenen ländlichen
Gebiete, die als Rückzugsgebiete der wenigen verbliebenen
Adivasi ("erste Siedler") gelten. Nicht nur die Wasserversorgung
ist betroffen, sondern die biologische Vielfalt und damit die
bisherige Grundlage der Nahrungssicherheit der Gemeinschaften.
Soweit die indische Regierung nach Lösungen sucht, findet
sie ohne Konsultation oder gar Beteiligung der Adivasi statt. Es
gab bereits erste Umsiedlungen von lokaler Bevölkerung im
nordöstlichen Bundesstaat Arunachal Pradesh - ähnlich
wie in Indonesien - auf Territorien der Adivasi, ohne diese zuvor
in Kenntnis gesetzt oder gar gefragt zu haben. Indonesien
missbrauchte in den 1970er Jahren zerstörerische
Naturereignisse, um davon betroffene lokale Bevölkerungen zu
evakuieren und strategisch auf indigenen Territorien, etwa in
West-Papua, anzusiedeln und die indigenen Gemeinschaften zu
verdrängen.
In Nord-, Mittel- und Südamerika treten Verwüstungen
und nachhaltige regionale Klimaveränderungen vor allem im
Zusammenhang mit Ressourcenabbau auf. Die Peabody Western Coal
Company in Arizona ruiniert nicht nur den sakralen Black Mesa der
Dineh und Hopi, sondern greift tief in das ökologische
Gleichgewicht der ganzen Region ein und untergräbt die
kulturelle wie physische Existenz der lokalen Bevölkerung.
In Guatemala, Ecuador, Kolumbien, Peru oder Bolivien vergiften
Erdöl- und Gasexplorationen auf Jahrzehnte die
überlebensnotwendige Umwelt von Dutzenden indigener
Gemeinschaften, bringen ganze Ökosysteme zum Absterben und
verunmöglichen die historisch gewachsene Lebensplanung
zukünftiger Generationen. Die Abwanderung insbesondere
junger Menschen in andere Gebiete oder Städte ist
vorgezeichnet.
In ähnlicher Weise zerstörerisch für Region und
Klima vollzieht sich der Ressourcenabbau in Sibirien (vgl.
pogrom/bedrohte Völker Nr. 235, 1/2006). Zu diesen
Verheerungen kommt in der Russischen Föderation die
politisch gewollte Privatisierung der elementaren Naturressourcen
wie Wasser und Wald hinzu, so dass bei ungebrochener Fortsetzung
dieser Prozesse vom traditionellen und selbstbestimmten
Lebensentwurf etwa der Nivkhi, Nanai und Ulta auf Sachalin nichts
mehr übrig bleiben wird.
Zusätzlich zum Verlust an Land, an Ressourcen für die
Generationenvorsorge, an regionalem Charakter und religiösen
Stätten droht auch der Wegfall zentraler rechtlicher Normen
bis hin zur Frage, inwieweit die Geflohenen, Umgesiedelten oder
Vertriebenen den Status des "indigenen Volkes" verlieren, wenn
die Gemeinschaften etwa in einem anderen Land Zuflucht suchen
müssen. Sie bleiben zwar anthropologisch betrachtet
"indigen", würden aber im neuen (Bundes-)Staat politisch und
rechtlich eher als "Minderheit" eingestuft, mit deutlich anderen
Rechtsansprüchen als zuvor. Internationale Regelungen zu
solchen Fragen existieren bislang nicht.
All die - drohenden - Zerstörungen einer vormals
menschliches Leben ermöglichenden Umwelt sind Ergebnis eines
Prozesses, an dem Eingriffe durch den Menschen ein gehöriges
Maß an Mittäterschaft aufweisen. Solange die
zerstörerischen Eingriffe sich fortsetzen, werden
Menschenrechte verletzt.
Die Betroffenen sind nicht mehr bereit, dies hinzunehmen. Seit
langem nehmen indigene Repräsentanten an den
Folgekonferenzen zum Kyoto-Protokoll teil. Am Klimagipfel 2005 in
Montréal beteiligten sich indigene Repräsentanten aus
der Arktis, den USA, Kanada, Mexico, Ecuador, Panamá,
Norwegen, Russland, Grönland, Indien, Neuseeland und
verschiedenen Inseln im Pazifik. Zu Tausenden, vor allem aus den
USA und Kanada, gingen sie zusammen mit Umweltschützern zum
Protest auf die Straße. Beeindruckt werden sollten nicht
nur die Regierungen. Das Protestpotenzial gezeigt bekamen auch
die Industrieunternehmen, die wesentlich zur
menschlich-induzierten Klimaveränderung beitragen. Im
Konferenzgebäude verhandelten indigene Delegierte allerdings
überwiegend mit Regierungsdelegationen über rasche
Maßnahmen zur Reduzierung wenigstens der
Treibhausgasemissionen.
Die Vereinten Nationen und ihre Sonderorganisationen beginnen,
sich dem Problem auch unter dem Gesichtspunkt gravierender
Menschenrechtsverletzungen anzunehmen. Françoise Hampson
ist dabei, einen Kontroll- und Schutzmechanismus auszuarbeiten,
der zumindest extreme Beeinträchtigungen der
Lebensbedingungen indigener Völker denunzieren hilft und die
Regierungen zum Handeln auffordert oder gar zwingt. Eigentlich
müssten die Regierungen ein großes Interesse an
solchen Warnsystemen haben, da die klimatisch bedingten,
drohenden Wanderungen ganzer Völker nicht nur kulturelle
Verwerfungen mit sich bringen, sondern ernsthaft den Frieden von
Regionen bedrohen. Soviel Weitsicht und Weisheit ist bei
Regierungen jedoch eher die Ausnahme; wir sollten sie also damit
nicht alleine lassen.
Es sind die Ärmsten der Armen, die vom Klimawandel am
härtesten getroffen werden. Die Landlosen, Bauern, mit nur
einer Krume Land, die Slumbewohner, die bei starkem Regen im
Schlamm versinken. Millionen Menschen im Süden der Welt sind
bereits auf der Flucht, Menschen, denen Unwetter die
Lebensgrundlage weggeschwemmt hat. Betroffen sind auch die
Angehörigen der indigenen Völker, die abseits noch in
intakten "Umwelten" leben. Der Reichtum der indigenen Völker
sind auch ihre vielen Sprachen und Kulturen, die Weisheit ihrer
Religionen und ihres Umgangs mit der Natur. Wo sie leben, ist die
Vielfalt an Pflanzen und Tieren besonders groß. Weltweit
wird derzeit von 350 bis 400 Millionen Menschen ausgegangen, die
einem der ca. 5.000 indigenen Völker in 75 Staaten
angehören.
Die Ureinwohner-Völker sind der Politik der jeweiligen
Staaten ausgeliefert. Trotz der 1991 in Kraft getretenen
Konvention 169 der International Labour Organisation ILO, die
inzwischen von 17 Staaten ratifiziert wurde. In 44 Artikeln legt
sie Mindeststandards im Umgang mit Ureinwohnern und in
Stämmen lebenden Völkern fest. Besonders wichtig sind
das Recht auf kulturelle Identität und auf gemeinschaftliche
Strukturen und Traditionen, das Recht auf Land und Ressourcen,
das Recht auf Beschäftigung und angemessene
Arbeitsbedingungen, das Konsultationsverfahren als solches und
das Recht, an der Art der Entwicklung auf dem jeweiligen
Territorium beteiligt zu werden. Auf EU-Ebene wird die Konvention
als Wegweiser für die Planung und Durchführung von
Entwicklungsprojekten betrachtet. Das Europäische Parlament
forderte bereits 1994 die EU-Regierungen auf, der ILO-Konvention
beizutreten. 1998 verabschiedete die EU-Kommission mit
ausdrücklichem Bezug auf die ILO-Konvention 169 ein
Strategiepapier zur verbesserten, zukünftigen
Entwicklungszusammenarbeit zwischen EU und indigenen
Völkern. Im selben Jahr verabschiedete auch der Ministerrat
eine entsprechende Resolution.
In der Bundesrepublik Deutschland ist die Ratifizierung der
ILO-Konvention 169 ebenfalls seit langem ein Thema. 1996 sprach
sich das Bundesministerium für wirtschaftliche
Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) in einem Strategiepapier
ausdrücklich für die Berücksichtigung der
ILO-Konvention 169 in der bundesdeutschen Außen-,
Wirtschafts- und Entwicklungspolitik aus. Bei dieser zustimmenden
Haltung ist das Ministerium bis heute geblieben. Auch die
damalige Regierung Kohl sah 1996 keine völkerrechtlichen
Bedenken, ratifizierte aber dennoch nicht, da man davon ausging,
dass die Konvention sich nur an Staaten wende, in deren Grenzen
indigene Völker beheimatet seien. Eine Ratifizierung macht
aber auch für Deutschland Sinn, denn mit ihrer Außen-
, Wirtschafts- und Entwicklungspolitik beeinflusst auch die
Bundesrepublik die Lebensbedingungen von Angehörigen
indigener Völker und Gemeinschaften. Beteiligungen deutscher
Firmen und Banken am Staudammbau oder an
Öl-Pipeline-Projekten sind dafür ebenso Beispiele wie
die Einfuhr von Erdöl oder Erdgas. Deshalb ist Deutschland
gefordert, Verantwortung für die Folgen solcher Projekte zu
übernehmen. Ein Projekt, das 2005 besonderes Aufsehen
erregte, ist die Ostseepipeline, die von Altkanzler Gerhard
Schröder mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin
vereinbart wurde. Deutsche Firmen verdienen an dem Projekt
kräftig mit. Das Gas, für dessen Export die Pipeline
gebaut wird, stammt von Ureinwohnerland aus Sibirien. Grund
genug, dass sich Deutschland als Projektpartner Russlands Regeln
für einen fairen Umgang mit den sibirischen Indigenen
auferlegen sollte.
Ecuador: Huaorani von Holzfirmen und Ölkonzernen überrannt
Die etwa 2.500 Huaorani leben in einem Gebiet des
ecuadorianischen Regenwaldes, das sich mit dem weltberühmten
Yasuní- Nationalpark überschneidet. Aufgrund seiner
weltweit größten Artenvielfalt wurde Yasuní
bereits 1979 zum Nationalpark erklärt. 1989 deklarierte die
UNESCO den Park zum Biosphären-Reservat. Einige
Huaorani-Gruppen wie die Tagaeri und Taromenane leben in
freiwilliger Isolierung und lehnen jeden Kontakt mit der
Außenwelt ab. Die Huaorani werden gerade von einer Invasion
durch illegale Holzfirmen und transnationale Ölkonzerne wie
die brasilianische Petrobas und die spanisch- argentinische
Repsol YPF überrannt. Die seit Jahren andauernde Ausbeutung
von Holz, Öl und anderen Ressourcen ging wiederholt mit
Massakern einher, die bisher ungeahndet geblieben sind. Illegale
Holzfäller schlagen die Bäume, transnationale und
nationale Ölkonzerne teilen das Gebiet in Blöcke auf,
die sie dann ausbeuten. Das ecuadorianische Militär sichert
die Ölförderanlagen und reagiert entsprechend
entschieden auf Proteste gegen die Verseuchung.
Dennoch versucht ein Teil der Huaorani, die über die
Provinzen Orellana, Napo und Pastaza verteilt in 37 Gemeinden
leben, sich mit politischem Widerstand gegen die Zerstörung
ihrer Lebensgrundlage zu behaupten. Die 1990 gegründete
Huaorani- Vereinigung ONHAE fordert, dass die Ölfirmen die
verseuchten Gebiete wieder säubern, und kritisiert die
ecuadorianische Regierung dafür, mit den Ölfirmen zu
verhandeln, ohne die Huaorani in die Entscheidungen
einzubeziehen. Die Huaorani bekommen keine Entschädigung
für die Zerstörung ihrer Umwelt und Gesundheit, keinen
Ausgleich für die Landverluste und die Verseuchung ihrer
Nahrungsgrundlagen. Doch die Veränderungen haben die
Huaorani gespalten. Manche arbeiten für die Holzfäller
und führen sie durch das Gebiet, um ihr Überleben durch
den Geldverdienst zu sichern. Andere Gruppen, wie die Tagaeri und
die Taromenane, haben sich gegen jeden Kontakt mit einer Welt
entschieden, die sich ihnen ausschließlich
zerstörerisch nähert, und leben in freiwilliger
Isolation. Doch die Intervention der Ölkonzerne bedroht das
tief im Wald gelegene Gebiet, wohin sie sich zurückgezogen
haben. Das bisher größte Problem stellen die illegalen
Holzfäller dar, die von den Straßen der
Ölkonzerne profitieren und das Holz über Kolumbien
vermarkten.
Zentralafrika: Pygmäen werden wie "Untermenschen" behandelt
250.000 Angehörige indigenen Völker in den
zentralafrikanischen Ländern werden unter der abwertenden
Bezeichnung "Pygmäen" zusammengefasst. Batwa, Efe, Mbuti,
Baka und andere Gruppen leben in den heutigen Grenzen der
Demokratischen Republik Kongo, der Republik Kongo, in Gabun,
Kamerun, Ruanda, Burundi, Uganda und der Zentralafrikanischen
Republik. Durch die Abholzung der Wälder, in denen sie seit
Tausenden von Jahren als Jäger und Sammlerinnen einer
halbnomadischen Lebensweise nachgegangen waren, sind die
Pygmäen vielerorts ihrer Lebensgrundlage beraubt und
vertrieben worden. Den Mehrheitsgesellschaften gelten sie als
"Untermenschen", und sie werden diskriminiert und ausgebeutet.
Gleichzeitig werden sie - z.B. bei Gesundheitsversorgung und
Schulbildung - vollständig ignoriert. Als ärmste und
verletzlichste gesellschaftliche Gruppen sind sie Gewalt und
Krieg in besonderem Maße ausgesetzt. Von vielen Regierungen
werden Pygmäen noch nicht einmal als Staatsbürger
anerkannt.
Die indigenen Jäger und Sammlerinnen- Kulturen
Zentralafrikas gehören seit Tausenden von Jahren zum
Regenwald. Er ist die unersetzliche Grundlage ihrer Lebensweise.
Doch die zentralafrikanischen Wälder werden von
transnationalen Konzernen, wie dem deutsch-schweizerischen
Konzern Danzer (Reutlingen) und dem deutschen Unternehmen
Feldmeyer (Bremen), der niederländischen Firma Wijma und den
französischen Konzernen Rouchier, Thanry und Becob
abgeholzt. Der Großteil des Holzes wird nach Europa
exportiert. Durch diesen Kahlschlag sind die meisten Pygmäen
vertrieben worden und leben heute ohne eigenes Land und ihrer
ursprünglichen Lebensweise entfremdet, an den Rand der
Gesellschaft gedrängt. Auch wo Naturschutzparks und
Reservate eingerichtet worden sind, ist der Schutz der
Ureinwohnerinnen und Ureinwohner nicht berücksichtigt
worden. In allen acht Ländern werden Pygmäen-Gruppen
mit einer starken gesellschaftlichen Stereotypisierung als
rückständige, unzivilisierte Unter-Menschen belegt.
Mali und Niger: Nomaden vom Hunger bedroht
3,5 Millionen Tuareg- und Peulh-Nomaden leben in Niger und
Mali. Periodisch auftretende Hungersnöte, Überweidung
und Vernichtung ihrer Viehherden, Konflikte um Land- und
Weiderechte mit Bauern, Verelendung und mangelnde
Unterstützung durch die Behörden bedrohen das
Fortbestehen der Nomadengesellschaft. Für viele unter
anhaltender Trockenheit leidende Regionen ist die nomadische
Lebensweise die einzige Wirtschaftsform, die ökologisch
vertretbar ist und die Böden nicht langfristig
zerstört. Die große Flexibilität der Nomaden und
geringe Kosten für die Unterhaltung der Herden waren lange
vorteilhaft für den Ausbau dieses Wirtschaftszweiges.
Weltweit wird ein Viertel allen Landes noch heute von Nomaden
genutzt, deren 20 Millionen Haushalte 10 Prozent der globalen
Fleischproduktion erzeugen. Doch wachsende Hygiene-Anforderungen,
eine zurückgehende Nachfrage nach Milchprodukten und
zunehmende Konkurrenz durch Billigfleisch-Importe aus
Industrieländern bedrohen die Lebensgrundlage der
Nomaden.
Zehntausende Tuareg- und Peulh-Nomaden standen nach der
Hungerkatastrophe vom Sommer 2005 vor dem Nichts. In manchen
Regionen Nigers waren 80 Prozent ihrer Tiere entweder aufgrund
der Dürre verendet oder mussten notgeschlachtet werden. Die
Notschlachtung vieler Tiere führte zu einem Preisverfall auf
den Viehmärkten, so dass die Nomaden mit den geringen
Erlösen nicht ausreichend Nahrungsmittel für die
kommenden Monate kaufen konnten. Denn auf den Märkten waren
auch die Preise für Hirse und andere Nahrungsmittel aufgrund
des geringen Angebots und von Spekulation drastisch
gestiegen.
Nach den großen Dürrekatastrophen im Sahel der Jahre
1973/74 und 1984/85 mussten die Nomaden schon einmal um ihre
Existenz bangen. Damals hatten die Tuareg jahrelang vergeblich
auf angekündigte Hilfsprogramme gewartet und sich
schließlich im Frühjahr 1990 mit Waffengewalt gegen
die Regierungen des Niger und Malis erhoben. Angesichts der
Verelendung und mangelnder staatlicher Hilfe erhoben sich die
Tuareg im Norden Malis im Mai 2006 erneut. Dank der Vermittlung
Algeriens konnte der Konflikt schnell beigelegt werden, so dass
die Regierung Malis am 3. Juli 2006 mit den Aufständischen
ein Abkommen schloss, in dem sie dem Norden des Landes
größere Hilfe zusicherte. Auch im Sommer 2005 kam die
Hilfe für die Hungernden im Sahel nur schleppend in Gang.
Dabei war es eine angekündigte Tragödie:
Hilfsorganisationen hatten schon im Herbst 2004 vor Dürre
und Nahrungsmittelknappheit gewarnt.
Borneo: Kahlschlag des Regenwaldes gefährdet Penan
In der malaysischen Provinz Sarawak auf der
Insel Borneo leben 27 verschiedene ethnische Gruppen. Die Orang
Ulu oder Dayak, wie die indigenen Völker zusammenfassend
bezeichnet werden, stellen 5,5 Prozent der 2,2 Millionen Bewohner
Sarawaks. Zu ihnen gehören unter anderem die Völker der
Penan, Punan, Iban, Bidayuh, Kayan, Murut, Kenyah und Kelabit.
Bedroht sind diese indigenen Völker durch die
fortschreitende Rodung des Regenwaldes und die Zerstörung
ihres Lebensraumes. Mit Blockade-Aktionen gegen Holzfäller
wehren sich Penan-Ureinwohner seit Ende der 80er-Jahre gegen die
Zerstörung ihres Lebensraumes in der malaysischen Provinz
Sarawak auf der Insel Borneo. Ein Großteil des Urwaldes ist
trotz des Widerstands der Ureinwohner bereits in den letzten 15
Jahren gerodet worden.Heute lebt nur noch ein kleiner Teil der
rund 10.000 Penan als Halbnomaden. Die meisten sind nicht zuletzt
aufgrund der fortschreitenden Zerstörung des Regenwaldes
sesshaft geworden, weil ihr Lebensraum immer kleiner wurde. Neben
den in Europa sehr bekannten Penan gibt es noch andere indigene
Völker wie die rund 5.000 Punan, die auch heute noch als
Halbnomaden in Sarawak leben.
Mindestens 2,7 Millionen Hektar Regenwald gingen in den 90er
Jahren durch Rodungen in Malaysia verloren. Damit
büßte das südostasiatische Land in nur einem
Jahrzehnt mehr als 13 Prozent seines Waldbestandes ein.Heute sind
nur noch 20 Prozent der Regenwälder Malaysias
unberührt, so dass der Lebensraum der Halbnomaden stetig
schrumpft.Denn wenn die Wälder sterben, können auch sie
sich auch die Halbnomaden nicht mehr von der Jagd auf
Wildschweine, Affen und Vögel sowie vom Sammeln von
Wildfrüchten ernähren. Traditionell aßen die
Penan weder Gemüse noch Wurzeln, wohl aber Sagomehl, das sie
aus Palmenstämmen gewannen.Nur wenige Wochen hielten sie
sich an einem Ort auf und lebten dort in kleinen Hütten aus
Baumstämmen und Palmblättern, die Windschirmen
ähnelten. Hatten sie in der Umgebung die älteren
Sagopalmen gefällt und die Wildfrüchte geerntet, zogen
sie weiter. Doch die meisten der nun sesshaft gewordenen
Ureinwohner mussten diese traditionelle Lebensweise inzwischen
aufgeben, da es kaum mehr Wildfrüchte gibt und auch der
Wildbestand aufgrund des Kahlschlags der Wälder immer mehr
zurückgeht. So haben die Holzkonzerne nicht nur das
ökologische Gleichgewicht des Regenwaldes zerstört,
sondern auch den indigenen Völkern in Sarawak die
Lebensgrundlage entzogen.
Die Holzkonzerne setzten ihren Kahlschlag auch in Waldgebieten
fort, die Penan-Nomaden in den Regionen Sungai Bareh und Magoh
von den Behörden offiziell zugesprochen worden seien.
Systematisch missachteten die Holzfirmen malaysisches Recht, doch
die Behörden blieben tatenlos. Stattdessen wäscht der
Staat die Holzkonzerne von jeder Schuld rein und stärkt
sogar noch ihre Stellung, in dem er ihre Bemühungen um eine
fragwürdige Zertifizierung aller Holzexporte aus Malaysia
fördert. Mit dem angestrebten Gütesiegel will der
malaysische Holz-Zertifizierungsrat im Ausland alle Zweifel daran
zerstreuen, dass die großflächigen Rodungen
ökologisch vertretbar sind und mit den Menschenrechten der
indigenen Völker im Einklang stehen.
Anders als viele Penan kämpfen die Kelabit noch immer gegen
das Eindringen von Holzfällern in ihr Siedlungsgebiet. Sie
bewohnen eines letzten Rückzugsgebiete von indigenen
Völkern in Sarawak der im Bario- Hochland am
Baram-Fluss.Doch auch hier wird der Regenwald bald
zurückgedrängt werden, da der malaysische Holzkonzern
Samling sich jüngst eine Konzession für Rodungen von
mehreren Millionen Hektar Wald sicherte.
Quelle: GfbV-Menschenrechtsreport: "Indigene Völker - ausgegrenzt und diskriminiert".
Aus pogrom-bedrohte Völker 238 (4/2006)