Bozen, Göttingen, Berlin, 1. September 2003
Bundeskanzler Gerhard Schröder soll sich bei seinem
Gespräch mit dem türkischen Ministerpräsidenten
Recep Tayyip Erdogan am Dienstag für eine umfassende
Amnestie auch für ehemalige PKK-Anhänger einsetzen, die
sich aktiv am Kampf gegen die türkische Armee beteiligt
haben. "Diese PKK-Kämpfer müssen genauso straffrei
davonkommen wie diejenigen Soldaten und Offiziere der
türkischen Armee, die sich nicht an schweren
Menschenrechtsverletzungen an der kurdischen Bevölkerung
beteiligt haben", forderte der GfbV-Generalsekretär Tilman
Zülch. "Von einer Amnestie ausgeschlossen werden sollten nur
diejenigen PKK-Anhänger, die für Kriegsverbrechen
verantwortlich sind." Erst dann werde das "Gesetz zur
Reintegration in die Gesellschaft" vom 6. August seine
gewünschte Wirkung entfalten und die PKK
schwächen.
"Kriegsverbrecher beider Seiten müssen vor türkische
Gerichte gestellt werden", heißt es in dem GfbV-Schreiben
an Schröder. Allerdings müsse deren Unabhängigkeit
dadurch garantiert werden, dass Richter aus den EU-Staaten zu den
Prozessen hinzugezogen werden.
Das "Gesetz zur Reintegration in die Gesellschaft" war auf Druck
der Vereinigten Staaten von der türkischen Regierung
verabschiedet worden und ist das dritte Amnestiegesetz innerhalb
von nur zwei Jahren. Schätzungen der GfbV zufolge haben
bisher höchstens 1.000 Personen nach den neuesten Regelungen
einen Antrag auf Amnestie gestellt, in der
überwältigenden Mehrheit Häftlinge aus
türkischen Gefängnissen. Nur vier oder fünf
tatsächliche PKK-Kämpfer seien darunter.
Ausdrücklich sind die PKK-Führungsebene und all
diejenigen in dem neuen Gesetz von einer Amnestie ausgeschlossen,
die Gewalt angewendet haben.
Siehe auch den Report des IHD über die Menschenrechtsverletzungen der letzten 6 Monate in der Türkei (Report in Englisch: www.gfbv.it/3dossier/kurdi/ihd-en.html)