Die Gesellschaft
für bedrohte Völker fordert die Europäische
Union auf, alle ihr zur Verfügung stehenden
diplomatischen Mittel einsetzen, um zu verhindern, dass die
Vereinbarung der USA mit der Türkei, 50.000
türkische Soldaten im Nordirak einmarschieren zu
lassen, umgesetzt wird. Sonst beginnt die von George W.
Bush proklamierte angebliche Befreiung des Irak mit einem
Wortbruch gegenüber den Hauptopfern Saddam
Husseins.
Wenn die USA ihre Vereinbarung mit der Türkei
umsetzen, liefern sie vier Millionen irakisch-kurdische
Giftgasüberlebende türkischen Kurdenverfolgern
aus. Damit provozieren sie nackte Angst in einer
Bevölkerung, die heute das türkische Militär
mehr fürchtet, als die besiegten und aus dem Nordirak
verdrängten Saddam-Milizen.
Die Türkei hat allein in den Jahren von 1984 bis 1999
rund 30.000 Kurden, getötet und 3428 kurdische
Dörfer zerstört. Mehr als siebzig Jahre lang hat
sie die kurdische Volksgruppe - rund 25 Prozent der
türkischen Bevölkerung - verfolgt, vertrieben,
getötet und deren Sprache und Kultur verboten. Die
türkische Kurdenregion ist verelendet, wirtschaftlich
ausgeblutet und sitzt mit 2,5 Millionen
Binnenflüchtlingen auf einem sozialpolitischen
Pulverfass.
Im Nordirak haben die Kurden nach verlustreichen
Freiheitskämpfen gegen Saddams mörderische
Diktatur eine wirtschaftlich und kulturell aufblühende
Region geschaffen. Heute gibt es dort drei
Universitäten, Minderheitenrechte für Yeziden,
assyrische Christen und Turkmenen, sowie für den Nahen
Osten in ihrer Struktur bemerkenswerte demokratische
Ansätze.
Dieses Modell eines prosperierenden Nordirak ist für
die Türkei eine ständige Provokation, die sie nun
im Windschatten des Kampfes gegen Saddam zerstören
will. Das darf die Europäische Union nicht zulassen.
Angesichts der verheerenden Beteiligung verschiedener
europäischer Unternehmen am Aufbau irakischer
Giftgasanlagen und bei Waffenlieferungen, haben viele
europäische Staaten eine Mitschuld an der Vernichtung
zehntausender kurdischer Menschenleben. Europa steht in der
moralischen Verpflichtung, die Opfer von einst zu
schützen.
Mit einer europaweiten diplomatischen Initiative muss
verhindert werden, dass ein weiterer dauerhafter Kriegs-
und Krisenherd erneut aufflammt. Die Botschaft muss lauten:
Hände weg von Irakisch-Kurdistan. Befreit die
Völker von Saddam Hussein, öffnet die
Gefängnisse für politische Gefangene und gebt das
irakische Volk frei. Baut föderale Strukturen, sichert
damit das Selbstbestimmungsrecht der Volksgruppen und gebt
Demokratie und dauerhaftem Frieden eine Chance.
Siehe auch Dokumentation: "Saddam Hussein - die Zahl der Opfer hat die erste Million überschritten"