Bozen, 23. September 2003
"Sollte eines Tages ein Gegenmittel gegen AIDS gefunden
werden, wird es möglicherweise aus dem Amazonasgebiet
kommen." Mit diesem und anderen Argumenten suchen
Pharmakonzerne den Regenwald nach nützlichen Pflanzen ab und
betreiben Raubbau - meist ohne offizielle Genehmigung. Die
Biopiraterie ist eine neue Form der Ausbeutung indigener
Völker. Findige Konzerne machen sich ihr Wissen und ihre
reichhaltigen natürlichen Ressourcen zu eigen, um damit Geld
zu scheffeln. Davon betroffen sind vor allem die Ureinwohner in
den Regenwäldern Ecuadors, Boliviens, Brasiliens,
Venezuelas, Kolumbiens, Perus, Surinams und Guyanas.
Begonnen hat der Raubbau vor rund 15 Jahren, seine Formen sind
unterschiedlich: Händler, die sich oftmals als Touristen
ausgeben, horten Pilze, Tiere, Samenkörner und Pflanzen, um
sie in ihre Laboratorien zu schicken; oder sie kaufen
Waldstücke, um dort in Versuchsreihen die verschiedenen
Arten zu spezifizieren; daneben schleichen sie sich in die
indigenen Gemeinschaften ein, um ihnen ihr Wissen über die
Heilkraft der Pflanzen zu entreißen. Zuletzt lassen die
Pharmakonzerne die dadurch gewonnenen Produkte patentieren, um
mit ihrem Verkauf Millionen zu verdienen.
Durch die Finger schauen, wie so oft, die Ureinwohner. Beispiel
Ecuador: Der Unternehmer Loren Miller erhielt im Jahr 1986 in den
USA das Patent auf Ayahuasca. Er verkaufte die Heilpflanze
millionenfach, ohne dass die über 400 Indianervölker
des Landes auch nur einen Cent sahen. Dabei verwenden sie
Ayahuasca seit Jahrhunderten und vertrauten Miller die Kraft der
Pflanze in ihrer Gutgläubigkeit an. Erst als sich die
Dachorganisation der nationalen Indianerverbände des
Amazonasbeckens COICA (www.coica.org) einschaltete,
beschloss das US-Patentamt 1999 die Aufhebung des
Ayahuasca-Patents und erkannte damit die Ureinwohner als
Entdecker und Hüter der heiligen Pflanze an. Im Jahr 2001
folgte die kalte Dusche: In einem undurchsichtigen Verfahren
erhielt Miller sein angebliches Recht wieder zurück.
Aus dem gleichen Land wurden 750 Frösche der Art
Epipedobates tricolor in die USA geschmuggelt. Dort patentierte
man das aus den Fröschen gewonnene Schmerzmittel, das 200
Mal stärker als Morphium ist. Aus Peru exportiere die
japanische Regierung illegal Yacón, eine
süßliche Kartoffelart, aus der kalorienarmer Zucker
gewonnen werden kann. In den Fall verwickelt waren das
internationale Kartoffelzentrum und peruanische Behörden,
obwohl sie wussten, dass der Export nach Japan verboten war.
Für Peru bedeutete der Diebstahl einen großen Verlust.
Studien zufolge verlieren die Regionen im Amazonasgebiet
jährlich mehr als 10.000 Millionen Dollar durch diese
Machenschaften.
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) fordert,
dass alles getan wird, um die Biopiraterie zu stoppen. In erster
Linie muss das Übereinkommen über die Biologische
Vielfalt, das auf dem UN-Umweltgipfel 1992 in Rio de Janeiro
erzielt worden ist, eingehalten werden. Infrage gestellt wird das
vor allem durch die undurchsichtigen Geschäfte der
Welthandelsorganisation. Außerdem sollten lebende
Organismen oder Teile von ihnen nicht patentiert werden
dürfen. Den Zugang zu den genetischen Resourcen und zum
Wissen der Ureinwohner dürfen nur sie selbst gewähren,
ohne dass dabei die kollektiven Rechte ihrer Gemeinschaften
verletzt werden.