Bozen, Göttingen, Den Haag, 23. September 2003
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat die
Aufnahme von Ermittlungen des Internationalen Strafgerichtshofes
in Den Haag zur Ahndung schwerster Menschenrechtsverletzungen im
Kongo begrüßt und gefordert, führende Vertreter
der neuen kongolesischen Regierung wegen ihrer Verantwortung
für Massaker, Folter, Vergewaltigungen, Zwangsrekrutierungen
von Kindern und Kannibalismus zur Rechenschaft zu ziehen. "Die im
Juli 2003 vereidigte Regierung des Kongo ist ein Kabinett des
Schreckens, das für tausendfachen Mord an unbewaffneten
Frauen, Kindern und Pygmäen-Ureinwohnern verantwortlich
ist", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius am
Dienstag. "Gerechtigkeit wird es für die vielen Opfer der
Verbrechen gegen die Menschlichkeit nur geben, wenn der
Internationale Strafgerichtshof nicht nur subalterne
Milizionäre zur Rechenschaft zieht, sondern die
Straflosigkeit der Warlords beendet."
Besonders umstritten sei der heutige Vizepräsident
Jean-Pierre Bemba, der Chef der Bewegung für die Befreiung
des Kongo (MLC), sagte Delius. Allein zwischen dem 24. und 29.
Oktober 2002 hat die MLC bei Angriffen auf die Orte Mambasa und
Mangina mindestens 117 Zivilisten erschossen, 65 Personen
vergewaltigt, 82 Menschen entführt und 27 gefoltert.
Pygmäen berichteten glaubhaft, sie seien von
MLC-Kämpfern gezwungen worden, ihre Angehörigen zu
töten und aufzuessen. Auch gegen den Minister für
Außenhandel, Roger Lumbala, werden schwere Vorwürfe
erhoben. Milizionäre der von ihm geführten
Kongolesischen Bewegung für Demokratie - National
(RCD-National) sollen sich ebenfalls an Massakern und
Kannibalismus beteiligt haben.
Schwere Menschenrechtsverletzungen habe in der Region Ituri im
Osten des Kongo aber auch die von Staatspräsident Joseph
Kabila unterstützte Bewegung für Demokratie -
Befreiungsbewegung (RCD - ML) verübt. Ihr Führer Mbusa
Nyamwisi sei heute Minister für regionale Zusammenarbeit.
Belangt werden müsse auch Rebellenführer Thomas
Lubanga, Chef der Union der Kongolesischen Patrioten (UPC). Der
Warlord hatte im Frühjahr die Bevölkerung der Stadt
Bunia terrorisiert, bevor internationale Friedenstruppen
intervenierten. Momentan halte sich Lubanga in Kinshasa auf, um
sich um ein Ministeramt zu bemühen.
Weitere führende Minister und Vizepräsidenten der neuen
kongolesischen Regierung seien für massive
Menschenrechtsverletzungen in den vergangenen zehn Jahren
verantwortlich. Sie können von dem Internationalen
Strafgerichtshof jedoch nicht zur Rechenschaft gezogen werden.
Denn das Gericht kann nur Verbrechen ahnden, die im Jahr 2002 und
später verübt wurden.