Bozen, Göttingen, 28. Mai 2003
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat der
Regierung von Ruanda am Mittwoch vorgeworfen, einen drohenden
Völkermord im Osten des Kongo zu begünstigen. Mit
seiner Ablehnung einer UN-Friedenstruppe für den Kongo unter
Führung Frankreichs und der systematischen Bewaffnung von
Milizen, die seit Jahren den Kongo ausplünderten und die
Zivilbevölkerung terrorisierten, würden die
Völkermord-Opfer von gestern mitschuldig am drohenden
Genozid heute, kritisierte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius.
"Es ist absurd, dass Ruanda nach den schrecklichen Erfahrungen
des Völkermords im eigenen Land, der 1994 rund einer Million
Menschen das Leben kostete, nun nichts gegen ein neues
Massensterben im Kongo unternimmt." Die GfbV appellierte an die
Europäische Union, den Druck auf Ruanda zu erhöhen,
damit schnellstmöglich eine UN-Friedenstruppe im Osten des
Kongo eingesetzt werden könne. Zwanzig Staaten hätten
sich inzwischen bereit erklärt, an einem Blauhelm-Einsatz
mitzuwirken.
Zu Recht hätte Ruanda der internationalen
Staatengemeinschaft vor neun Jahren vorgeworfen, den
Völkermord im eigenen Land zu lange ignoriert zu haben.
"Doch aus dieser schrecklichen Erfahrung hat Ruanda nichts
gelernt", sagte Delius. Nun ignoriere es nicht nur den drohenden
Genozid, sondern verschleppe alle Bemühungen, eine weitere
Eskalation des Massensterbens zu verhindern.
Der ständige Vertreter Ruandas bei den Vereinten Nationen,
Augustin Muvinyi, hatte am Dienstag nochmals bekräftigt,
dass seine Regierung eine von Frankreich geführte
UN-Friedenstruppe ablehne. "Wenn Paris damals versagt hat, so
muss heute umso mehr begrüßt werden, dass sich die
französische Regierung sehr engagiert für die schnelle
Entsendung von Blauhelmen einsetzt", erklärte Delius.
Ruandas Ängste, Frankreich könne mit dem verfeindeten
Nachbarland Uganda zusammenarbeiten und im Kongo operierende
Exil- Rebellen unterstützen, müssten natürlich
berücksichtigt werden. Die auch von Deutschland
unterstützten Programme zu deren Entwaffnung seien
ineffektiv und müssten dringend überprüft
werden.
Am Dienstag sind erneut Kämpfe in der Stadt Bunia im Osten
des Kongo ausgebrochen, bei denen zwei Menschen getötet und
fünf verletzt wurden. Inzwischen wurden von UN-Mitarbeitern
350 Leichen von Zivilisten geborgen, die bei
völkermordartigen Übergriffen zu Beginn des Monats
getötet worden waren. Wie schon während des
Völkermordes in Ruanda so nutzten nun auch in Bunia
Milizionäre Radiostationen, um ihre Botschaft des Hasses zu
verbreiten: Die von Ruanda unterstützten Rebellen der Union
des Patriotes Congolais (UPC) drohten über Radio CANDIP
Flüchtlingen, sie würden als "Feinde" angesehen, wenn
sie nicht sofort die UN-Stützpunkte verlassen würden,
in denen sie Zuflucht gesucht hatten.