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Tag des Erinnerns. Wie Gedenken?

Offener Brief an den Südtiroler Landtag

An die Präsidentin Veronika Stirner-Brantsch,
An den stellvertretenden Präsidenten Giorgio Holzmann,
An die Vorsitzenden der Fraktionen

Bozen, 27. Januar 2004

Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Sehr geehrte Herr Präsident,
sehr geehrte Damen und Herren,

Es ist löblich, wenn Sie, Frau Präsidentin, zum Kampf gegen den verbalen Rassismus aufrufen. Es ist aber seltsam, wenn Sie die Shoah lediglich als "einschneidend" für das Schicksal vieler jüdischer Bürger bezeichnen, und wenn Sie die Shoah nur als "Freveltat" abtun. Dem industriell organisierten Völkermord Nazi-Deutschlands fielen mehr als sechs Millionen jüdische Europäer zum Opfer.

Auch die meisten Angehörigen der jüdischen Gemeinde von Meran wurden in die Vernichtungslager des NS-Staates deportiert. Die aktive Mithilfe Südtiroler Nazis ermöglichte die Deportation der Meraner Juden. "Und diejenigen ihrer Mitbürger - es war keine geringe Anzahl - die zu diesem Massenmord beigetragen und sich mit jüdischem Besitz bereichert hatten, wurden namentlich angezeigt, nie aber bestraft; unter ihnen gab es bekannte Geschäftsleute, Unternehmer, Politiker, deren blühende Geschäfte und Karriere in den darauffolgenden Jahren eher gestärkt als behindert wurden," erinnerte Federico Steinhaus in der Zeitschrift "sturzflüge" (1986) an die Südtiroler NS-Täterschaft. Das italienische Regierungsdekret über die Rückerstattung jüdischen Eigentums wurde in Südtirol nie ausgeführt.

Das neue Südtirol nach 1945 verdrängte aber bewusst und erfolgreich diese Geschichte des eigenen Täter- und Mittäterschaft. Der Historiker Günther Pallaver kritisierte zurecht die Verdrängung als dunklen Fleck: "Die Verantwortung für das, was über all die Jahrhunderte mit den jüdischen Mitbürgern auch in Tirol geschehen ist, bis hin zur letzten Konsequenz, die der Nationalsozialismus in die Praxis umgesetzt hat, kann nicht mit Verjährungsfristen beiseite geschoben werden."

Es reicht deshalb nicht aus, am 27. Januar an die Befreiung der Insassen von Auschwitz zu erinnern. Wir appellieren an Sie, Frau Präsidentin, im Namen des Landtages als Vertretung der Bürgerschaft sich zur Verantwortung endlich zu bekennen und sich bei der jüdischen Gemeinde von Meran für die Südtiroler Mittäterschaft an der Shoah entschuldigen. Die Entschuldigung sollte auch an eine Form der Wiedergutmachung gekoppelt werden.

Außerdem sollte sich der Landtag an der Initiative jüdischer Gedenkstein der jüdischen Kultusgemeinden und der Tageszeitungen Dolomiten und Alto Adige beteiligen. Denn: Auch Schweigen macht schuldig.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040127de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-1/030125de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040113de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/02-1/020126de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/1-01/26-1-dt.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2-00/8-11-dt.html | www.gfbv.it/3dossier/eu-min/jued-st.html | www.gfbv.it/3dossier/pogrom-dt.html | www.gfbv.it/3dossier/linkgfbv.html#shoah

* www: www.wiesenthal.com | www.edi.admin.ch/ara/d/frb_links_kommentiert.htm | antisemitismusforschung.de | www.tu-berlin.de/~zfa/ | www.antisemitismus.de/ | www.antisemitismus.at | www.antisemitismus-info.de | www.burks.de/nazis.html | www.shoa.de

Letzte Aktual.: 27.1.2004 | Copyright | Suchmaschine | URL: www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040127ade.html | XHTML 1.0 / CSS | WEBdesign, Info: M. di Vieste
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