Bozen, 1. Dezember 2004
Offener Brief an den Europaminister Rocco Buttiglione
Sehr geehrter Herr Minister,
Die italienische Regierung soll sich zu den EU-Prinzipien
"Gleichheit und Nichtdiskriminierung" bekennen und in
entsprechende Politik umsetzen. Angehörige der
Sprachminderheiten, Flüchtlinge und Zuwanderer
benötigen als faktisch benachteiligte Gruppe eine besondere
Förderung. Die Regierung soll deshalb dem Beispiel der
EU-Kommission folgen. Im Zuge der Beratungen zum Grünbuch
der Kommission über "Gleichheit und Nichtdiskriminierung in
der EU" haben 88 Prozent der von der Kommission Befragten
Maßnahmen gegen Diskriminierung aus Gründen der Rasse,
der ethnischen Herkunft, der Religion oder der Weltanschauung,
einer Behinderung des Alters oder der sexuellen Ausrichtung
gefordert. Die Hälfte der Befragten sprach sich auch
dafür aus, dass sich die EU mit Diskriminierungen aufgrund
der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit
auseinandersetzt.
Die neue EU-Kommission erklärte die Umsetzung der
Grundrechte und den Kampf gegen Diskriminierung zu ihren
Prioritäten. Zwei EU-Richtlinien von 2000 verbieten bereits
Diskriminierungen aus rassischen und ethnischen Gründen
sowie aus Gründen von Glauben, Behinderung, Alter und
Sexualität. Die Wirksamkeit dieser Richtlinien ist teilweise
nicht gegeben, weil sie von einigen Mitgliedstaaten nur
schleppend umgesetzt werden.
Italien drängte dankenswerter Weise darauf, in der
EU-Verfassung auch Minderheitenrechte festzuschreiben. Die
italienische Regierung soll aufgrund der Befragungen von
EU-Bürgern nun dafür sorgen, dass die EU eine Debatte
über Diskriminierungen wegen Zugehörigkeit zu einer
nationalen Minderheit anstoßen soll. Nach den bereits
erlassenen Richtlinien und deren Umsetzung in den
EU-Mitgliedstaaten gibt es nach wie vor Probleme. Bestimmte
Formen von Diskriminierung nehmen zu und EU-Mindeststandards
wurden und werden in einigen Mitgliedstaaten nicht
vollständig umgesetzt und durchgesetzt. Laut EU-Kommission
müssen die Roma verstärkt unterstützt werden. Seit
der Erweiterung sind die Roma die größte ethnische
Minderheit in der EU und häufig Opfer von Diskriminierungen.
Das bestätigten Reporte des European Roma Rights Center. Das
Zentrum wirft Italien vor, Sinti und Roma auszugrenzen.