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27. Januar 1945/2005 - Tag des Erinnerns

Vor 60 Jahren befreite die Rote Armee die wenigen Überlebenden von Auschwitz

Bozen, 24. Januar 2005

"Auschwitz darf nicht zur Bürde, sondern muß zum Anlaß der Brüderlichkeit werden"
(Heinrich Böll)

Mehr als eine Million Juden, Roma und Slawen wurden von den Nazis im KZ Auschwitz ermordet. Darunter waren auch Meraner Juden, die von den Südtiroler Nazis vom Ordnungsdienst an den SS-Sicherheitsdienst ausgeliefert wurden. Ein gern verdrängter und vergessener brauner Fleck in der Südtiroler Geschichte. Die Vernichtung der jüdischen Gemeinde in Meran begann am 8. September 1943 mit dem Einmarsch der NS-Wehrmacht und den gleichzeitig nachrückenden NS-Terrororganisationen. Am 16. September wurden 25 der wenigen noch in Meran verbliebenen Juden verhaftet und in die Vernichtungslager deportiert. Ein Großteil hatte Meran zwischen 1939 und 1943 wegen der faschistischen Rassengesetze verlassen. Die in Meran verbliebenen Juden waren damit die ersten, die dem eliminatorischen NS-Antisemitismus zum Opfer fielen. Nach der Besetzung Italiens durch die Wehrmacht erfolgte eine enge Zusammenarbeit faschistischer "Sicherheitskräfte" (eine auch gern verdrängte Tatsache) und der SS bei der Verfolgung der jüdischer Italiener.

In Meran plünderten die Nachbarn die Wohnungen der jüdischen Bürger, deren Eigentum wurde "arisiert". Die Meraner Shoah-Überlebenden erhielten keine Wiedergutmachung, weder von der italienischen Republik noch vom autonomen Südtirol. In Bozen errichteten die Nazis an der heutigen Reschenstraße ein "Durchgangslager", indem mehr als 11.000 Häftlinge auf ihre Deportation in die KZ warten mussten. Es kam zu Hinrichtungen und Misshandlungen, auch durch Südtiroler Wachpersonal, Satellitenlager gab es in Sterzing, Meran, Sand in Taufers, Gossensaß, Brixen, Sarnthein, Moos in Passeier und in Karthaus im Schnalstal. Die Brutalitäten im "Durchgangslager", verübt auch von Südtirolern, beschäftigen heute noch die Gerichtsbarkeit. Während in Deutschland und Österreich Spitzenpolitiker sich für den Völkermord der Nazis an den Juden entschuldigten, blieb dies in Südtirol bis heute bedauerlicherweise aus. Landeshauptmann Luis Durnwalder verglich zwar das Schicksal Südtirols unter dem Faschismus mit der Shoah. Der Geschichte gerechter würden Worte des Bedauerns.

Südtirol tut sich mit seiner braunen Geschichte schwer. Wahrscheinlich deshalb, weil es "hinter vorgehaltener Hand" auch einen Südtiroler Antisemitismus gibt, schrieb der ehemalige Landtagsabgeordnete Alexander Langer in der Kulturzeitschrift "sturzflüge" über die Geschichte der Juden in Tirol. Er zitierte geringschätzige Aussagen über seine jüdische Herkunft, die entrüstete Zurückweisung seines Vergleichs zwischen den Ladinern und den Juden durch den ehemaligen SVP-Landtagsabgeordneten, Leserbriefschreiber, die Langer vorwarfen, als "Judensohn" die Südtiroler eliminieren zu wollen. Langer 1986: "Aber, wie gesagt, Antisemitismus gibt es in Südtirol nicht. Denn einen solchen könnte es nur geben, wenn es auch Juden gäbe. Und von denen wurde Südtirol ja zum Glück damals, als wir heim ins Reich geholten wurden, nicht ohne Mithilfe anständiger Tiroler gesäubert".

In der Tradition dieser anständigen Tiroler wandte sich die freiheitliche Landtagsabgeordnete Ulli Mair gegen eine Spendensammlung der Tageszeitungen "Dolomiten" und "alto adige" für einen jüdischen Gedenkstein. Maier wurde nach einer Anzeige wegen Aufhetzung zum Rassenhaß freigesprochen. Maier ist stellvertretend für viele andere Antisemiten nicht verurteilt worden - in einem Land, in dem sich die beiden großen Bevölkerungsgruppen in ihrer Geschichte als die Opfer der jeweils anderen empfinden.

Die Befreiung von Auschwitz vor 60 Jahren, ein Anlaß, nicht nur einen privaten Gedenkstein für die ermordeten jüdischen Südtiroler zu errichten. Der deutsche Schriftsteller Heinrich Böll schrieb anlässlich der Hungerblockade Biafras und der verweigerten Solidarität mit diesem Land: "Auschwitz darf nicht zur Bürde, sondern muß zum Anlaß der Brüderlichkeit werden." Eine Aufforderung, sich gegen ethnische Säuberungen und Genozide heute zu wenden, gegen ethnische Diskriminierungen und Hetzkampagnen gegen "Andere". Ungeniert wenden sich heute rechte Kreise gegen Einwanderer aus muslimischen Ländern, schüren Emotionen gegen Sinti und Roma, die von den Nazis ebenfalls vernichtet werden sollten. Italienische Rechte scheinen vergessen zu haben, dass auch der italienische Faschismus Völkermord verübte - in Libyen, Eritrea und Äthiopien.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040127ade.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040127de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040113de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/03-1/030125de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/02-1/020126de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/1-01/26-1-dt.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2-00/8-11-dt.html | www.gfbv.it/3dossier/eu-min/jued-st.html | www.gfbv.it/3dossier/pogrom-dt.html | www.gfbv.it/3dossier/linkgfbv.html#shoah

* www: www.wiesenthal.com | www.edi.admin.ch/ara/d/frb_links_kommentiert.htm | antisemitismusforschung.de | www.tu-berlin.de/~zfa/ | www.antisemitismus.de/ | www.antisemitismus.at | www.antisemitismus-info.de | www.burks.de/nazis.html | www.shoa.de

Letzte Aktual.: 24.2.2005 | Copyright | Suchmaschine | URL: www.gfbv.it/2c-stampa/2005/050124bde.html | XHTML 1.0 / CSS / WAI AAA | WEBdesign, Info: M. di Vieste

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