Bozen, Göttingen, Brussel, 11. März 2005
Mit Empörung hat die Gesellschaft für bedrohte
Völker (GfbV) zur Kenntnis nehmen müssen, dass 60
kurdische Demonstranten, die mit einem sechstägigen
Fußmarsch von Aachen nach Brüssel zum
Europäischen Parlament auf den Jahrestag der blutigen
Niederschlagung von Kurdendemonstrationen in Syrien (12.
März 2004) aufmerksam machen wollten, von der belgischen
Polizei am Donnerstagabend festgenommen und die Nacht über
in Haft gehalten worden sind. Die kurdischen Demonstranten
wollten unter anderem für die sofortige Freilassung von mehr
als 200 kurdischen politischen Gefangenen aus syrischer Haft
eintreten.
"Es ist ein beschämendes und skandalöses Armutszeugnis
für das Demokratieverständnis in Europa, wenn es den
Kurden hier nicht erlaubt ist, friedlich um Unterstützung
und Hilfe für die Durchsetzung von Demokratie und
Rechtsstaatlichkeit in Syrien zu bitten", kritisierte scharf der
Präsident der GfbV International, Tilman Zülch, am
Freitag in Göttingen. "Das Vorgehen der belgischen
Sicherheitskräfte wird die Demonstranten an syrische
Verhältnisse erinnert haben!"
Die GfbV hatte anlässlich des Jahrestages am Freitag an die
deutsche Bundesregierung appelliert, sich an den internationalen
Bemühungen für die Demokratisierung Syriens und
für die Humanisierung der syrischen Minderheitenpolitik zu
beteiligen.
Am 12. März 2004 waren syrische Sicherheitskräfte nach
einem Fußballspiel zwischen kurdischen und arabischen Clubs
gegen kurdische Fans vorgegangen. Bei der blutigen
Niederschlagung nachfolgender Demonstrationen im ganzen Land
wurden mindestens 30 kurdische Zivilisten getötet, über
1.000 verletzt und mehr als 2.500 gefangen genommen. Mehr als 200
von ihnen sind noch immer in Haft. Der GfbV liegen die Namen von
170 Inhaftierten vor, unter ihnen sind auch Minderjährige.
Mindestens fünf Kurden wurden nach Recherchen der GfbV seit
Niederschlagung der Demonstrationen im Gefängnis zu Tode
gefoltert. Sechs Kurden wurden in diesem Zeitraum während
ihres Militärdienstes ermordet.
Mit etwa zwei Millionen Menschen stellen die Kurden rund
zwölf Prozent der Gesamtbevölkerung Syriens.
Sprachliche und kulturelle Rechte werden ihnen vorenthalten. Rund
200.000 Kurden wurde im Zuge der Arabisierung die
Staatsbürgerschaft entzogen.