Bozen, Göttingen, 7. Juni 2006
Die Lage der religiösen Minderheiten im Iran hat sich
nach Recherchen der Gesellschaft für bedrohte Völker
(GfbV) seit Amtsantritt von Mahmud Amadinedschad im Juni 2005
merklich verschlechtert. Der Druck der so genannten
Revolutionswächter auf Baha'i, konvertierte Christen und
Mandäer sei deutlich stärker geworden. Besonders
schlimm ergehe es den rund 10.000 Mandäern, die
Anhänger dieser alten Glaubensgemeinschaft, die in Johannes
dem Täufer ihren letzten Propheten sieht, seien praktisch
vogelfrei und vor Angriffen auf offener Straße bis hin zum
Mord nicht sicher.
So wurde der 21-jährige Sayeed Khamsi in Mosher, einem
Vorort der Stadt Ahwaz, Ende Februar von Unbekannten
überfallen. Seinen schwer verletzten Körper zwangen die
Angreifer in Autoreifen, füllten sie mit Benzin und
zündeten sie an, so dass der junge Mann bei lebendigem Leib
verbrannte. Im Mai drangen Unbekannte in das Geschäft von
Nasar Zahrooni in Ahwaz ein, beschimpften den Baha'i als
Ungläubigen und erschossen ihn. Die iranischen Behörden
weigern sich, in diesen und anderen Mordfällen zu ermitteln.
Darüber liegen der GfbV etliche Berichte vor. Außerdem
erreichten die Menschenrechtsorganisation immer wieder
Informationen, dass mandäische Mädchen entführt,
zum Übertritt zum Islam gezwungen und mit Muslimen
verheiratet werden. Mandäer dürfen ihre Zeremonien
nicht abhalten, und ihre Toten müssen sie von muslimischen
Geistlichen bestatten lassen.
Auch zum Christentum konvertierte Muslime seien im Iran ihres
Lebens nicht sicher. Zudem werden sie systematisch vom
Geheimdienst überwacht. Verbrechen extremistischer Muslime
wie die Ermordung des protestantischen Geistlichen Ghorban Tori
am 22. November 2005 werden nicht strafrechtlich verfolgt. Seit
der Bluttat seien mehr als ein Dutzend konvertierte Christen
willkürlich festgenommen worden.
Unter verstärkten Repressalien hätten auch die Baha'i
zu leiden, die mit 300.000 Angehörigen die größte
religiöse Minderheit im Iran stellen. Sie lebten in einer
Atmosphäre der Angst vor willkürlichen Festnahmen,
Razzien und öffentlichen Diffamierungen. Seit Anfang
vergangenen Jahres seien bis zu 125 Baha'i willkürlich
festgenommen worden. Drei der 54 Baha'i, die am 19. Mai in
Schiraz von so genannten Revolutionswächtern verhaftet
worden seien, würden noch immer festgehalten. Als
"äußerst Besorgnis erregend" bezeichnete es die
internationale Menschenrechtsorganisation, dass es seit Dezember
2005 in iranischen Zeitungen mehr als 30 Artikel gegeben habe, in
denen Baha'i verunglimpft worden seien. Schon in den vergangenen
Jahren seien Friedhöfe der Baha'i und heilige Orte
zerstört sowie Eigentum beschlagnahmt worden. Außerdem
sei für Baha'i der Zugang zu höherer Bildung
eingeschränkt worden.