Bozen, Göttingen, 4. September 2006
Für die Ureinwohner der
Kalahari-Wüste, die San, geht der Prozess gegen die
Vertreibung aus ihrem Gebiet vor dem Obersten Gericht Botswanas
am heutigen Montag in die entscheidende Phase. Darauf hat die
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hingewiesen.
Mehr als 240 Buschleute hatten im April 2002 Klage gegen ihre
zwangsweise Umsiedlung aus dem Kalahari Wildreservat (Central
Kalahari Game Reserve) eingereicht. Ihre Vertreibung aus dem
Wildpark hatte weltweit für Aufsehen gesorgt.
"In den kommenden vier Tagen können die San darlegen, warum
ihre Umsiedlung illegal ist, ihre einzigartige Kultur und ihre
Lebensgrundlage zerstört", sagte der GfbV-Afrikareferent
Ulrich Delius. "Sollte die Umsiedlung für rechtswidrig
erklärt werden, so wäre dies ein großer Sieg
für die indigenen Völker Afrikas, deren Landrechte noch
massiver als die Rechte der Ureinwohner auf anderen Kontinenten
verletzt werden."
"Mehr als 20 San, die die Klage mit unterzeichnet haben,
können das Ende des Gerichtsverfahrens nicht mehr erleben,
denn sie sind aufgrund der schlechten Versorgung in den
Umsiedlerlagern gestorben", berichtete Roy Sesana, der Sprecher
ihrer Selbsthilfeorganisation "Ureinwohner der Kalahari" (First
People of the Kalahari). "Wir hoffen, dass wir nun bald
Gerechtigkeit bekommen, bevor noch mehr von uns sterben." Seine
Organisation war für ihren gewaltfreien Protest gegen die
Zwangsumsiedlung im Jahr 2005 mit dem "Alternativen Nobelpreis"
ausgezeichnet worden.
Mit Drohungen, willkürlichen Verhaftungen, Morden, Folter
und anderen Übergriffen verbreiten Sicherheitskräfte
und Behörden seit Jahren ein Klima des Schreckens unter den
Ureinwohnern, damit dieses Jäger- und Sammler-Volk sein
traditionelles Siedlungsgebiet verlässt. Seit 20.000 Jahren
leben San in der Kalahari. Nun sollen sie das Gebiet räumen,
das in den 60er Jahren zum Wildpark erklärt wurde, da die
Behörden um den Wildbestand fürchten und die Versorgung
der vereinzelt lebenden Ureinwohner-Gemeinschaften zu
aufwändig sei. Kritiker vermuten, dass dies nur
vorgeschobene Argumente sind, um einen Abbau von Diamanten-
Vorkommen in dem Reservat zu ermöglichen.
Umweltschützer betonen, dass sich der Wildbestand in den
letzten Jahren nicht verringert habe.
Bereits seit 1986 betreibt die Regierung die Vertreibung der
Buschleute. Die meisten der insgesamt noch etwa 50.000 San wurden
bereits in 63 Umsiedlerdörfern außerhalb des
Wildparkreservats angesiedelt. Ihre traditionelle Lebensweise als
Jäger und Sammler haben die San bereits aufgeben
müssen. Mehrfach wurden Ureinwohner wegen Jagens verhaftet.
Um auch die letzten San zum Gehen zu bewegen, wurde ihnen seit
Februar 2002 kein Wasser mehr in das Reservat gebracht. Auch die
Stromverbindungen wurden gekappt. Wachen verhindern, dass
Rückkehrwillige in die alte Heimat zurück
können.