Bozen, 22. Januar 2007
So sehr es zu begrüßen ist, dass die
Verantwortlichen des Massakers von Marzabotto verurteilt wurden -
wenn auch in Abwesenheit -, so sehr ist es auch zu bedauern, dass
Italien mit der Aufarbeitung der Verbrechen von Krieg und
Faschismus säumig und vor allem einseitig ist.
Im Herbst 1944 hatten SS-Männer in der Gegend von Marzabotto
(Emilia Romagna) mehr als 800 Menschen getötet, unter ihnen
auch Frauen und Kinder. Es war die so häufig praktizierte
Rache für einen Partisanenangriff auf die deutschen Truppen.
Zwischen dem 29. September und dem 1. Oktober 1944 hatten
Einheiten von SS und Wehrmacht unter der Führung des aus
Österreich stammenden SS-Sturmbannführers Walter Reder
hunderte wehrlose Zivilisten, zum Großteil Frauen, Kinder
und Alte, ermordet. Die genaue Zahl der Opfer ist bis heute
ungeklärt. Sieben weitere Angeklagte seien freigesprochen
worden, berichteten italienische Medien. Die heute über
80-jährigen Verurteilten leben zum Teil in Deutschland,
keiner von ihnen nahm an dem Prozess teil. Ausgeliefert werden
sie nicht. Sie werden also straflos ausgehen.
Bis vor wenigen Jahren war die Verfolgung der Mörder von
Marzabotto ein Tabu, wie Italien überhaupt mit der
politischen und gerichtlichen Aufarbeitung der eigenen
Vergangenheit säumig ist. Italien hat nach dem Ende des
Krieges die Fragen nach Schuld und Mitschuld, nach Täter und
Mittäter einfach beiseite geschoben. Zu unbequem war das
Thema für alle ideologischen Lager, vor allem aber für
die regierenden Parteien. Unter den Antikommunisten, die
wechselnde Koalitionen bildeten, um eine Regierungsbeteiligung
der Kommunisten um jeden Preis zu verhindern, waren auch viele
ehemalige Faschisten, die so straffrei ausgingen. So wurden in
Italien weder die Verbrechen in Abessinien oder Libyen
gerichtlich untersucht und politisch aufgearbeitet, noch jene des
Faschismus in Italien.
Eine medienwirksame Ausnahme bilden seit einigen Jahren die
NS-Massaker in Italien. Die Jahre vor dem Einmarsch der deutschen
Truppen aber bleiben weiterhin ausgeklammert. Ausgeklammert
bleiben auch die Kriegsverbrechen in Afrika. Nur selten wird
dabei auch erwähnt, dass die deutschen Truppen dem
faschistischen Regime zu Hilfe eilten, das es Italien bereits
seit 21 Jahren gab. So sehr die GfbV die beginnende Aufarbeitung
der Menschenrechtsverbrechen in Italien begrüßt, so
bedauert sie gleichzeitig deren Beschränkungen; die GfbV
bedauert aber auch, dass aufgrund der Fixierung auf die
Vergangenheit viele Verbrechen der Gegenwart nicht die notwendige
Aufmerksamkeit erhalten und so auch nicht das politische
Engagement, um Massaker und Völkermord zu beenden.
Srebrenica ist das beschämendste, aber nicht einzige
Beispiel aus der Vergangenheit, Tschetschenien und Darfur die
Bespiele der Gegenwart.