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24. April - Erinnern statt verdrängen

Vom Völkermord an den Armeniern zu den Kriegsverbrechen des faschistischen Italiens in Afrika

Bozen, 22. April 2005

Es ist bedauerlich, dass der Bundestag in seiner Debatte zum "Gedenken anlässlich des 90. Jahrestages des Auftakts zu Vertreibungen und Massakern an den Armeniern am 24. April 1915" den Terminus Völkermord ausgespart hat. 16 Parlamente, unter ihnen die französische Nationalversammlung, die italienische Abgeordnetenkammer, das kanadische House of Commons, die russische Staatsduma, das amerikanische Repräsentantenhaus oder der Vatikan, haben sich nicht davor gescheut, durch Entschließungen oder Gesetze diese Verbrechen als Völkermord (Genozid) anzuerkennen und zu verurteilen. Auch in der Wissenschaft ist dieser Genozid an bis zu 1,4 Millionen Armeniern und bis zu 0,5 Millionen assyrischen und aramäischen Christen international bestätigt.

Wenn ein deutsches Parlament nicht die Zivilcourage hat, die Vernichtung der Armenier als Völkermord zu bezeichnen, macht es sich auch in Sachen deutscher Vergangenheitsbewältigung völlig unglaubwürdig. Die Konsequenzen für die Anerkennung gegenwärtiger Genozidverbrechen wie in Darfur im Westsudan oder in Tschetschenien und für die Verfolgung der Täter wären fatal. Am 11. Juli jährt sich das furchtbare Verbrechen von Srebrenica zum 10. Mal. Das Haager Tribunal hat bereits mehrere der serbischen Verantwortlichen wegen Völkermordes verurteilt.

Auch Italien drückte sich bisher erfolgreich an einer Entschuldigung von Völkermordverbrechen des faschistischen Italiens in Afrika vorbei. Im Winter 1929/30 startete Italien die militärische Rückeroberung des einstigen italienischen Kolonie Libyen. Dabei sollen laut Untersuchungen der italienischen Historiker Giorgio Rochat und Giulio Massobrio mehr als 40.000 (bei einer Gesamteinwohnerzahl von 800.000 Menschen) ermordet worden sein.

1935 startete das faschistische Italien von de 1887 eroberten Kolonie Eritrea einen Großangriff auf das äthiopische Königreich. Eingesetzt wurden dabei Hilfstruppen aus Eritrea, mehr als eine halbe Million italienische Soldaten und Giftgas. Die äthiopische Regierung ging nach Kriegsende von mehr als 730.000 Ermordeten aus, italienische Historiker schätzen, dass dem italienischen Kolonialismus zwischen 1887 und 1941 mehr als 300.000 Menschen zum Opfer fielen. Die Journalistin Fiamma Nirenstein kritisierte vor Jahren die Verdrängung der faschistischen Kriegsverbrechen in Afrika - zugunsten der sogenannten nationalen Aussöhnung. Der Historiker Angelo Del Boca warf dem Nachkriegsitalien vor, ein Auskommen mit den Diktatoren in Libyen, Somalia und Äthiopien gesucht zu haben. Unterlassen wurde aber bisher die Anerkennung der Kriegsverbrechen und eine entsprechende Wiedergutmachung.

Diese Nichtaufarbeitung der eigenen Verbrechen war in Italien Staatspolitik: Von 259 Todesstrafen, die Italienweit verhängt wurden, wurden 168 nicht exekutiert. Von 5.594 Verurteilten wurden 5.328 nachträglich freigesprochen oder amnestiert und begnadigt. 1952 waren aus 20 Jahren Faschismus 266 Schuldige übrig geblieben. Die UN-Kriegsverbrecherkommission hatte immerhin 1.200 Italiener als Kriegsverbrecher in ihrer Liste angeführt. Sie waren verantwortlich für Massaker in Libyen (zwischen 40.000 und 80.000 Deportationstote, 20.000 Geflohene auf 800.000 Einwohner), in Äthiopien (zwischen 300.000 und 730.000 Getötete), in Slowenien (12.000 Ermordete, 40.000 Deportierte).

Der italienische Historiker Rochat klagt das faschistische Italien einer Völkermord-Politik an. Trotzdem ist kein einziger der für die Genozid-Verbrechen in Afrika Verantwortliche je bestraft worden. Die faschistischen Verbrechen Italiens in Afrika und auf dem Balkan werden mit dem Hinweis auf die viel schlimmeren Nazi-Verbrechen abgetan.


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/2c-stampa/2005/050420de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2005/050408de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2005/050125de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040419de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040223de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/040121de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/01-3/011221de.html | www.gfbv.it/3dossier/armeni/010720armeni.html | www.gfbv.it/3dossier/war/gutman-rieff.html#r3 | www.gfbv.it/3dossier/kurdi/kurtur-de.html

* www: www.armenica.org | www.ess.uwe.ac.uk/genocide/armenia.htm | www.armenian-genocide.org | www.cilicia.com/armo10.html | www.crimesofwar.org

Letzte Aktual.: 7.11.2005 | Copyright | Suchmaschine | URL: www.gfbv.it/2c-stampa/2005/050422de.html | XHTML 1.0 / CSS / WAI AAA | WEBdesign, Info: M. di Vieste

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