Bozen, Göttingen, 30. März 2007
Nigerias bedeutendste Ölregion, das
Nigerdelta, versinkt zunehmend in Chaos und Gewalt. Davor hat die
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) am Freitag
gewarnt. So hätten die gewaltsamen Geiselnahmen seit Januar
2007 dramatisch zugenommen. Allein in den vergangenen drei
Monaten seien 64 Ausländer in der Krisenregion entführt
worden, um Lösegelder zu erpressen. Im gesamten Jahr 2006
seien 70 Ausländer von Milizen entführt worden. "Wenn
Nigerias Regierung nicht endlich eine friedliche Lösung des
Konflikts auf dem Verhandlungsweg mit allen 40 ethnischen
Gemeinschaften des Nigerdeltas sucht, droht in spätestens
zwei Jahren ein totaler Zusammenbruch der für Nigeria und
viele westliche Staaten bedeutsamen Ölproduktion", sagte der
GfbV-Afrikaexperte, Ulrich Delius. "Denn der Terror im Nigerdelta
ist hausgemacht und kann militärisch nicht wirksam beendet
werden, auch wenn die Sicherheitskräfte jetzt verstärkt
und auch von britischen und US-amerikanischen Ausbildern
trainiert werden."
Offenbar seien die Zeiten des friedlichen Widerstands der MOSOP
(Bewegung für das Überleben der Ogoni) und ihres
legendären Führers Ken Saro-Wiwa vorbei. Angesichts der
gewaltsamen Übergriffe der Miliz "Bewegung für eine
Emanzipation des Nigerdeltas" (MEND) und anderer militanter
Bewegungen der verarmten 27 Millionen Ureinwohner des Deltas
hätten einige Staaten ihren Bürgern bereits untersagt,
im Nigerdelta zu arbeiten. So hätten die Philippinen nach
der Entführung von 24 ihrer Staatsbürger den Abzug
aller Arbeitskräfte aus Nigeria angeordnet.
Seit Beginn der Übergriffe der MEND Ende des Jahres 2005
habe Nigerias Ölindustrie aufgrund der Gewalt mindestens 4,5
Milliarden US-Dollar verloren. Seien früher rund zwei
Millionen Barrel Rohöl am Tag gefördert worden, so
verliere Nigeria zurzeit jeden Tag 800.000 Barrel Öl. Noch
im Jahr 2004 habe das Land aufgrund von Übergriffen nur
200.000 Barrel am Tag eingebüßt. Rund 95 Prozent der
Exporterlöse Nigerias stammen aus der Erdölausfuhr.
Einer der größten Abnehmer sind die USA, die 14% ihrer
Rohölimporte aus Nigeria beziehen.
Die anhaltende Verarmung im Nigerdelta, wo viele Menschen noch
immer von weniger als einem Dollar am Tag leben müssten, sei
die Triebfeder der Gewalt. Während Nigeria durch den
Ölexport seit den 70-er Jahren mehr als 300 Milliarden
US-Dollar verdient habe, klagten die Bewohner des Nigerdeltas bis
heute über die katastrophalen ökologischen und
gesundheitlichen Folgen der Ölförderung und des
Abfackelns von Erdgas. Ein am Dienstag dieser Woche vom
nigerianischen Präsidenten Olusegun Obasanjo
verkündeter Master-Plan für die Entwicklung der Region
verspreche wenig Besserung, da für die Umsetzung des Planes
die notorisch korrupte Entwicklungskommission des Nigerdeltas
verantwortlich sei. Die im Jahr 2000 gegründete Kommission
habe sich unglaubwürdig gemacht, da sie wie viele andere
nigerianische Regierungseinrichtungen seit Jahren Gelder
unterschlage, die eigentlich für die Entwicklung der Region
bestimmt seien.