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Libyen-Krise: Papiertiger Europa versagt

Sanktionen gegen Libyen JETZT - Verbrechen gegen die Menschlichkeit untersuchen!

Bozen, Göttingen, 24. Februar 2011

Libyen abgeschobene Flüchtlinge in den Hafen von Tripolis. Foto: CIR. Libyen abgeschobene Flüchtlinge in den Hafen von Tripolis. Foto: CIR.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat der Europäischen Union vorgeworfen, in der Libyen-Krise zu versagen. "Europa gebärdet sich als Papiertiger, der nur zetert, statt zu handeln", kritisierte der GfbV- Afrikareferent Ulrich Delius am Donnerstag in Göttingen. "Wenn die EU eine ernst zu nehmende politische Kraft sein will, dann muss sie mehr tun, als nur ihre Staatsbürger aus Libyen zu evakuieren. Mit jedem Tag, der verstreicht, ohne dass durch Sanktionen der Druck auf das Gaddafi-Regime erhöht wird, steigt auch das Risiko eines Flüchtlingsexodus aus Libyen." Die EU-Außenminister hatten sich gestern nicht auf gemeinsame Sanktionen verständigen können, sondern das Thema zur Klärung an Arbeitsgruppen delegiert.

Nachdrücklich forderte die GfbV die unverzügliche Einrichtung einer internationalen Untersuchungskommission, um zu klären, ob und von wem Verbrechen gegen die Menschlichkeit und massive Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht in Libyen verübt werden. "Die EU muss auf einer erneuten Sondersitzung des Weltsicherheitsrates bestehen, bei der die Einberufung einer solchen Kommission beschlossen wird", sagte Delius. Die Kommission könnte wichtige Vorarbeiten für die Aufnahme von Ermittlungen durch den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) leisten.

Seit der Weltsicherheitsrat am vergangenen Dienstag in einer Krisensitzung über Libyen beraten hat, haben Augenzeugen glaubwürdig über neue massive Menschenrechtsverletzungen durch libysche Sicherheitskräfte und ihre Handlanger berichtet. Willkürliche Erschießungen von Krankenwagen- Fahrern und Ärzten, die gezielte Beschießung von Zivilisten aus Flugzeugen, Massenmorde an Soldaten, die sich weigerten auf Demonstranten zu schießen sowie systematische Vergewaltigungen von Regimegegnerinnen deuten darauf hin, dass vorsätzlich humanitäres Völkerrecht missachtet wird und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen werden.

Scharf kritisierte die GfbV den Widerstand Italiens, Maltas und Zyperns gegen eine zügige Verhängung von Sanktionen. "Es ist skandalös, dass sich die EU ausgerechnet von Italiens umstrittenen Premierminister Silvio Berlusconi ausbremsen lässt, der als Geschäftsmann persönlich mit Libyens Diktator Gaddafi verbunden ist", erklärte Delius. Berlusconis Konzern Fininvest besitzt über eine luxemburgische Tochtergesellschaft 22 Prozent der Pariser Filmproduktionsgesellschaft Quinta Communications, an der auch Gaddafis in den Niederlanden registriertes Familienunternehmen Lafitrade Holdings BV mit zehn Prozent beteiligt ist. Darüber hinaus kontrolliert Gaddafis Clan Anteile an Italiens größter Bank Unicredit, an dem Automobil-Unternehmen FIAT, am Energiekonzern ENI, der Industriegruppe Finmeccanica, die über die Firma Alenia Aeronautica Aktionär des Jagdflugzeugherstellers Eurofighter GmbH ist, an dem Fußballverein Juventus Turin sowie an zahlreichen weiteren Firmen.

Italien ist zudem Libyens wichtigster Waffenlieferant. Dem Regime in Tripolis wurden Flugzeuge, Landfahrzeuge, Raketensysteme und Sicherheitssysteme für einen Marktumfang von 93 Milionen Euro im Jahr 2008 und 112 Milionen Euro im Jahr 2009 verkauft. Spätestens seit den Nachrichten über Flugzeugangriffe auf die Demonstranten liegt der Verdacht nur allzu nah, dass die Massaker in Libyen auch mit italienischen Waffen verübt werden.