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Indien

Indien wird zum Hindu-Staat - Kritik an umstrittener Zeremonie in Ayodhya

Bozen, Göttingen, 5. August 2020

Die ansteigende radioaktive Verseuchung des Pazifischen Ozeans gefährdet die Ureinwohner der Region. Diagion.

Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat die Grundsteinlegung für einen umstrittenen Hindu-Tempel durch Indiens Premierminister Narendra Modi in Ayodhya kritisiert. "Mit dieser Zeremonie treibt Modi den Umbau Indiens zum Hindu-Staat voran und markiert die Ausgrenzung religiöser Minderheiten", erklärte GfbV-Direktor Ulrich Delius am Mittwoch in Göttingen. Es sei das falsche Zeichen zur falschen Zeit, denn Indien leide massiv unter den Folgen der Covid-19-Pandemie. Trotz steigender Covid-19-Todeszahlen leitet Modi heute eine feierliche Zeremonie zur Grundsteinlegung eines Hindu-Tempels in Ayodhya. Der Bau des Tempels ist seit Jahrzehnten Streitpunkt zwischen den Religiomsgemeinschaften.

Der Tempel wird auf den Fundamenten einer im 16. Jahrhundert errichteten Moschee erbaut, die 1992 von Hindu-Extremisten zerstört wurde. Bei anschließenden landesweiten Protesten wurden rund 2.000 Menschen getötet. Ein Großteil der Opfer war muslimischen Glaubens. Sowohl Muslime als auch Hindu beanspruchen den Baugrund für sich. Nach jarzehntelangen gerichtlichen Auseinandersetzungen entschied das Oberste Gericht Indiens in einem umstrittenen Urteil im Dezember 2019, dass ein Hindu-Tempel erbaut werden dürfe. Die Gerichtsentscheidung wurde zwar von der Hindu-Mehrheit im Land sehr positiv aufgenommen, konnte juristisch jedoch nicht überzeugen. Die Regierung wurde angewiesen, Muslimen zum Ausgleich Land für den Bau einer neuen Moschee zur Verfügung zu stellen. Inzwischen bekamen Muslime für den Bau einer Moschee Land in einem 25 Kilometer entfernten Dorf zur Verfügung gestellt. Doch gegen das Vorhaben gibt es Proteste der örtlichen Bevölkerung.

Die rund 200 Millionen Menschen muslimischen Glaubens in Indien leiden noch stärker als die Personen christlichen Glaubens unter Diskriminierung in dem Viel-Religionen-Staat. Mit immer neuen administrativen Restriktionen wird nicht nur ihre Glaubensausübung eingeschränkt, sondern auch in ihr Berufs- und Privatleben eingegriffen. So werden ganze Berufsstände quasi mit Arbeitsverboten belegt, in denen besonders viele Menschen muslimischen Glaubens aktiv sind. Anfeindungen in der Öffentlichkeit und Übergriffe durch Hindu-Extremisten bleiben straflos, weil die Hindu-nationalistische Regierung des Landes eine weitere Hinduisierung des Landes anstrebt.

Vergeblich hatten hunderte Persönlichkeiten aus dem öffentlichen Leben an Modi appelliert, nicht die umstrittene Zeremonie in Ayodhya zu leiten, sondern sich in Fragen der Religion neutral zu verhalten. Dies würde auch der säkularen Verfasung des Landes entsprechen, die für den Premierminister jedoch nicht mehr maßgebend zu sein scheint. "Statt zu de-eskalieren, schürt Modi Spannungen zwischen den Religionsgemeinschaften. Gezielt missbraucht er Religion zur Stärkung seiner Machtposition. Indiens religiöse Minderheiten zahlen einen hohen Preis für die Hinduisierung des Landes", erklärte Delius.