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Mauretanien

Zurück in der Heimat: Diskriminierung von Schwarzafrikanern hört nicht auf

Von Melanie Scheuenstuhl

Bozen, Göttingen, November 2012

Flüchtlinge aus Mauretanien in Dakar/Senegal im Hungerstreik, Foto: Sara Prestianni (flickr.com). Flüchtlinge aus Mauretanien in Dakar/Senegal im Hungerstreik, Foto: Sara Prestianni (flickr.com).

"Militärangehörige haben mich nach meinem Nachweis der Staatsangehörigkeit gefragt. Sie behaupteten, dass meine Dokumente gefälscht seien. Dann sperrten sie meinen Ehemann ins Gefängnis. Seitdem habe ich keine Nachricht mehr von ihm bekommen. Anscheinend ist er gestorben, nachdem er gefoltert wurde. Man hat uns in den Senegal abgeschoben. Ich war schwanger und allein", sagt Fatimata. In Dakar ist sie seit Juni 2012 mit etwa 30 mauretanischen Flüchtlingen in den Hungerstreik getreten, um auf ihre desolate Situation aufmerksam zu machen. Die Streikenden wollen auch das UN-Hochkommissariat für Flüchtlinge mobilisieren, endlich eine Lösung für sie zu finden. Denn weder im Senegal noch in Mauretanien sehen sie eine menschenwürdige Zukunft für sich. Sie fordern, in ein Drittland umgesiedelt zu werden.

Die Ursache für das Schicksal dieser mauretanischen Flüchtlinge liegt bereits mehr als 20 Jahre zurück. Als die "Ereignisse von 1989-1991" werden die damals an der schwarzafrikanischen Bevölkerung Mauretaniens begangenen Menschenrechtsverletzungen selbst in internationalen Diskussionen und Berichten immer noch verharmlost und von der Weltöffentlichkeit kaum beachtet.

Ende der 1980er Jahre entfachte ein eher unbedeutender Streit zwischen mauretanischen Hirten und senegalesischen Bauern auf einer Insel im Fluss Senegal eine Welle von Gewaltakten in Mauretanien und im Senegal an den jeweils anderen Staatsbürgern. Die Regierung von Mauretanien nutzte diese Situation und schob zehntausende Mauretanier afrikanischer Abstammung in den Senegal und nach Mali ab, um so die Arabisierung des Landes zu intensivieren. Die von muslimischen Arabern dominierte Regierung bezweifelt seit der Unabhängigkeit Mauretaniens 1960 von Frankreich, dass schwarzafrikanische Volksgruppen in ihr Land gehören. Das Regime ordnete nicht nur Deportationen an, sondern auch willkürliche Verurteilungen und außergerichtlichen Exekutionen. Schätzungen zufolge starben etwa 3.000 Menschen entweder an den Folgen von Folterungen oder durch gezielte Tötung. Betroffen waren Bauern aus dem Senegal-Tal, Intellektuelle, Geschäftsleute, Beamte und Militärangehörige afrikanischer Abstammung. Der grausame Höhepunkt dieser Menschenrechtsverletzungen ereignete sich am 28. November 1990 in der Militärbasis in Inal. An diesem Tag wurde der 30. Jahrestag der Unabhängigkeit Mauretaniens auf menschenverachtende Weise "gefeiert": 28 mauretanische Soldaten afrikanischer Abstammung wurden erhängt.

Diejenigen, die mit dem Leben davon kamen, fanden sich in senegalesischen und malischen Flüchtlingslagern wieder: rund 60.000 Flüchtlinge im Senegal und etwa 10.000 in Mali. Erst 2007 gab die mauretanische Regierung dem Druck von Nichtregierungsorganisationen nach und schloss mit dem Senegal und dem Flüchtlingswerk der Vereinten Nationen UNHCR ein Dreiparteienabkommen zur Rückführung der mauretanischen Flüchtlinge. Bis heute gibt es jedoch kein entsprechendes Abkommen für die mauretanischen Flüchtlinge in Mali. Die Rückführung sollte auf eine dauerhafte Eingliederung abzielen. Ebenso sollten die Flüchtlinge innerhalb von drei Monaten nach ihrer Rückkehr Ausweispapiere erhalten. In der Realität stellte sich die lang ersehnte Rückkehr aber als große Enttäuschung heraus. Bereits bei der Durchführung war der Unwillen der mauretanischen Regierung erkennbar. Bei der Rückführung kam es immer wieder zu Verzögerungen, Zusagen wurden nicht eingehalten, Termine ausgesetzt. Die Integration der Rückkehrer in die Gesellschaft beschränkte sich auf die Bereitstellung von grundlegenden materiellen Dingen für einen Neubeginn in Mauretanien. Rund 24.000 Flüchtlinge sind mittlerweile zurück gekehrt.

Die Forderungen der schwarzafrikanischen Mauretanier und die Voraussetzungen für ihre nachhaltige Eingliederung und die Entwicklung eines gesellschaftlichen Zusammenhalts sind bis heute nicht erfüllt. Bereits vor den Vertreibungen waren die Mauretanier afrikanischer Abstammung Opfer von Landenteignungen aufgrund einer rassistischen Auslegung des Landrechts zu Gunsten der maurischen Eliten. Hinzu kommt, dass sie durch die Vertreibungen von 1989 bis 1991 große Flächen verloren haben. Sie fordern nun ihre Ländereien zurück, um dort wieder Landwirtschaft zur Selbstversorgung zu betreiben und so ihren Lebensunterhalt bestreiten zu können. Nach den Vertreibungen haben sich dort jedoch freigelassene Sklaven angesiedelt, so genannte Haratin. Deshalb kommt es nun immer häufiger zu Spannungen zwischen diesen Bevölkerungsgruppen. Dies ist besonders beklagenswert, da beide Gruppen an sich schon an den Rand der Gesellschaft gedrängt und von der maurischen Bevölkerung in vielen Bereichen diskriminiert werden.

Als der UNHCR die mauretanischen Flüchtlinge offiziell anerkannte, wurde bei vielen die Hoffnung geweckt, nun auch von der Regierung als mauretanische Staatsbürger anerkannt zu werden. Eine landesweite Registrierung der Bevölkerung, die feststellen soll, wer als mauretanischer Staatsangehöriger oder als Ausländer in Mauretanien lebt, zerstört jedoch ihre Hoffnungen. Während dieser Registrierung sollen den ehemaligen Flüchtlingen die nötigen Dokumente für die Beantragung der mauretanischen Staatsbürgerschaft ausgestellt werden. Den schwarzafrikanischen Mauretaniern werden dabei provozierende und diskriminierende Fragen gestellt, die darauf abzielen, ihren Anspruch auf die mauretanische Staatsbürgerschaft zu widerlegen. Dieses Vorgehen muss man als erneuten Versuch der Regierung werten, den schwarzafrikanischen Bevölkerungsteil auszuschließen.

Ein tiefer greifendes Problem für die Betroffenen, aber auch für den mauretanischen Staat, ist jedoch die Weigerung, die massiven Menschenrechtsverletzungen von 1989 bis 1991 aufzuarbeiten. Die Regierung hat wenig Interesse an einem aufrichtigen Aussöhnungsprozess. Sie beruft sich auf ein Amnestiegesetz von 1999, das eine Untersuchung der damaligen Geschehnisse untersagt. Präsident Aziz' symbolische Gesten finden bei den Betroffenen nur wenig Anklang. So erklärte er zwar den 25. März zum nationalen Tag der Versöhnung. Doch dieser Tag wird von Menschenrechtsorganisationen und Opferverbänden nicht anerkannt. Ihrer Meinung nach kann nur von Versöhnung gesprochen werden, wenn ein gemeinsamer Prozess der Aussöhnung mit den vier Pfeilern Wahrheitsfindung, Gerechtigkeit, Andenken und Entschädigung stattfindet.

Die Diskriminierung der Schwarzafrikaner durch die maurischen Eliten, die wichtige Bereiche wie Politik und Wirtschaft dominieren, ist immer noch tief verwurzelt in der mauretanischen Gesellschaft. Dies wurde erst vor kurzem wieder bei der Nominierung für die hohen Ränge bei Polizei und nationaler Sicherheit deutlich: Keiner der Nominierten war afrikanischer Abstammung.

Die ethnische Zusammensetzung Mauretaniens
Die 3,3 Millionen Einwohner Mauretaniens setzen sich zusammen aus drei Gruppen: Mauren (30 Prozent), Haratin (40 Prozent) und Schwarzafrikaner (30 Prozent). Die Mauren sind arabisch-berberischer Abstammung. Mit dem Begriff "Haratin" werden freigelassene schwarzafrikanische Sklaven bezeichnet. Unter "Schwarzafrikaner" werden verschiedene ethnische Gruppen wie Halpulaaren, Wolof, Bambara, Soninké zusammengefasst, die sowohl in Mauretanien als auch im Senegal und in Mali beheimatet sind. Schätzungen besagen, dass Haratin und schwarzafrikanische Gruppen zusammen die Bevölkerungsmehrheit darstellen. Nichtsdestotrotz sind es die Mauren, die weiterhin Politik, Wirtschaft und den Sicherheitsapparat dominieren.

Aus pogrom-bedrohte Völker 272 (4/2012)