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Vergessene Opfer der Flut

Die Flutkatastrophe hat auch ethnische Konflikte teilweise verschärft

Von Wolfgang Mayr

In Burma jagt das Militärregime die Minderheiten, auf Sri Lanka entzweit ein langjähriger Krieg die singhalesische Mehrheit von der tamilischen Minderheit, auf Sumatra bekämpft die indonesische Armee die Bevölkerung von Aceh. Alle Bemühungen zum Wiederaufbau in der Provinz Aceh auf Sumatra scheitern, wenn der Krieg dort nicht beendet und Frieden geschlossen wird. Bislang ist die indonesische Armee nicht zu einem Frieden in Aceh bereit, da sie um den Verlust ihrer Privilegien fürchtet. Indonesische Offiziere profitieren von der Ausplünderung der rohstoffreichen Provinz. Indonesiens Militärs und Behörden gehören zu den korruptesten in der Welt. Korruption und katastrophales Missmanagement der Armee bei der Organisation der Nothilfe erschweren die Versorgung der Bevölkerung in Aceh.

Wachsende Spannungen zwischen dem indonesischen Militär und der Aceh-Freiheitsbewegung GAM drohen die humanitäre Hilfe und den Wiederaufbau in Aceh zu verhindern. Verschärft werden die Spannungen durch radikale muslimische Milizionäre, die mit Duldung des Militärs vorgeben, im Katastrophengebiet Hilfe zu leisten. Die Milizionäre der "Bewegung der Islamischen Verteidiger" (FPI) und der "Indonesische Rat der Mujahidin" (MMI) haben in mehreren Regionen mit ihrer einseitigen Parteinahme für radikale Muslime Konflikte geschürt. Auch in Aceh begannen sie, gegen australische Helfer zu agitieren. Indonesiens Vizepräsident Kalla griff die Kritik der radikalen Muslimen auf und drohte, alle ausländischen Soldaten, die in Aceh Hilfe leisteten müssten bis Ende März die Provinz verlassen. Nach internationalen Protesten musste Indonesien dieses Ultimatum zurücknehmen.

Einschüchterungen von Menschenrechtlern, willkürliche Verhaftungen von Zivilisten, Folter und Vergewaltigung im Gewahrsam der Sicherheitskräfte sind alltäglich. Diese Soldaten können nicht gleichzeitig als Kämpfer und als humanitäre Helfer auftreten. So wurden in der Stadt Banda Aceh erschöpfte und traumatisierte Flüchtlinge verhört, Dörfer wurden nach GAM-Kämpfern durchsucht, Zivilisten von Soldaten bedroht und eingeschüchtert. In den ersten drei Wochen nach der Flutkatastrophe tötete die Armee in Aceh mehr als 200 Menschen. Das wahre Ausmaß der Katastrophe ist sehr viel größer als von der indonesischen Regierung bislang eingeräumt wird. Als offiziell 80.246 Tote in Aceh gezählt waren, stellte die Regierung für Wochen jede weitere Veröffentlichung von Totenzahlen ein. Schließlich musste die Regierung in Jakarta am 25. Januar einräumen, mehr als 220.000 Menschen seien alleine in Aceh der Flutwelle zum Opfer gefallen. Angesichts dieser Katastrophe muss die indonesische Regierung nun alles tun, um den Aceh-Konflikt friedlich zu lösen. Radikalen muslimischen Milizionären sollte der Zugang zur Katastrophenregion verwehrt werden, da sie die humanitäre Hilfe nur gefährden.

Indien

Die Gesellschaft für bedrohte Völker appellierte an die indischen Behörden, möglichst bald eine Rückkehr des Ureinwohner-Volkes der Groß-Andamaner auf ihre von der Flutwelle verwüstete Insel zu ermöglichen. Die 43 überlebenden Groß-Andamaner waren von der indischen Armee in die Andamanen-Hauptstadt Port Blair gebracht worden, nachdem ihr Dorf auf der Insel Strait Island stark beschädigt worden war. Die kleine Gruppe der Groß-Andamaner gehört zu den fünf besonders zurückgezogen lebenden indigenen Völkern auf den Andamanen und Nikobaren. Vor der Einrichtung einer Strafkolonie auf den Andamanen Mitte des 19. Jahrhunderts war diese Negrito-Gruppe mit 5.000 Menschen das größte Ureinwohner-Volk auf der Inselgruppe. Sie lebten in den Wäldern, die die britische Kolonialverwaltung systematisch roden ließ. Von indischen Siedlern eingeschleppte Krankheiten trugen mit zur Vernichtung der meisten Ureinwohner bei. 1970 ordnete die indische Regierung an, die überlebenden 30 Groß-Andamaner auf der Insel Strait Island anzusiedeln. Seit 1970 hat ihre Zahl langsam wieder zugenommen. Eine Plantage mit Kokos-Palmen sowie Jagd und Fischfang sowie Sachleistungen der indischen Behörden sicherten bislang ihr Überleben. Nun droht ihnen nach dieser Umsiedlung noch mehr Abhängigkeit von staatlicher Hilfe und ein Niedergang ihrer Identität und Kultur.

Die GfbV hat die Regierung Indiens auch dazu aufgefordert, internationalen Helfern Zugang zu der Not leidenden Bevölkerung zu gestatten. Zwar haben die meisten der besonders zurückgezogen auf den Andamanen lebenden indigenen Völker die Katastrophe überlebt, da sie die Gefahr rechtzeitig erkannt hatten und ins Landesinnere geflohen waren. Doch auf den Nikobaren sind auch viele der 29.000 dort lebenden Ureinwohner getötet worden. Vier Wochen nach der Katastrophe sind die indischen Behörden noch immer nicht in der Lage, einen genauen Überblick über die Toten und ihre Identität zu geben. Vergeblich bemühten sich internationale Hilfsorganisationen um Genehmigungen, außerhalb der Andamanen-Hauptstadt Port Blair Hilfe zu leisten. Angesehenen Hilfsorganisationen wurde nicht gestattet, auf den 36 bewohnten Inseln Hilfe zu leisten; nur die UNICEF durfte ein Impfprogramm durchführen. Um die Ureinwohner zu schützen, ist die Bewegungsfreiheit von Ausländern auf der 572 Eilande umfassenden Inselgruppe seit Jahren stark eingeschränkt; dies wird dazu missbraucht, Hilfsorganisationen fernzuhalten.

Burma

Auch der Süden Burmas/Myanmar wurde von der Flutwelle verwüstet. In den betroffenen Gebieten im Süden errichtete das Militär Straßensperren, um Menschen der betroffenen Küstendörfer daran zu hindern, an die thailändische Grenze zu gelangen. Der Grund dafür ist wahrscheinlich die Furcht des Regimes, dass bei Bekanntwerden des wahren Ausmaßes der Katastrophe internationale Helfer und damit Medien ins Land gelangen würden, die die Verbrechen der Generäle bekannt machen könnten. Die Generäle wollen aber keine Öffentlichkeit über ihren Krieg gegen das eigene Volk und über ihre ethnischen Säuberungen. Informationen über die Verbrechen der Militärs könnten dem Luxustourismus schaden. Nahezu alle luxuriösen touristischen Infrastrukturen wurden mit Drogengeld und Zwangsarbeit erbaut. Mit dem Erlös aus dem Tourismus kauft das Regime Waffen, die gegen 136 Völker und Minderheiten Burmas gerichtet werden.

Aus pogrom-bedrohte Völker 229 (1/2005)


Siehe auch:
* www.gfbv.it: www.gfbv.it/3dossier/asia/flut-1.html | www.gfbv.it/3dossier/asia/burma/burma-1.html | www.gfbv.it/3dossier/asia/burma/burma.html | www.gfbv.it/3dossier/asia/westpapua.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2005/050119de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/2005/050103ade.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/041119de.html | www.gfbv.it/2c-stampa/04-1/041105ade.html | www.gfbv.it/2c-stampa/02-2/020506de.html

* www: Daw Aung San Suu Kyi's Pages | Freeburma.org | www.gfbv.de/land.php?id=12 | Burma Action Group | www.burmaproject.org | www.burmalibrary.org | www.burmalifeline.org | www.freeburmacoalition.org | www.helfenohnegrenzen.org

Letzte Aktual.: 23.8.2005 | Copyright | Suchmaschine | URL: www.gfbv.it/3dossier/asia/flut.html | XHTML 1.0 / CSS / WAI AAA | WEBdesign, Info: M. di Vieste

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