Ulrich Delius
Bozen, Göttingen, November 2007
INDEX
REBIYA KADEER | CHINAS
UMSTRITTENE ASSIMILATIONSPOLITIK | REICHE
ROHSTOFFVORKOMMEN | MINDERHEITENSPRACHEN WERDEN
MISSACHTET | SCHWERE MENSCHENRECHTSVERLETZUNGEN
DAUERN AN | CHINAS "ANTITERROR-KAMPF" SCHAFFT
NEUE GEWALT | KRIMINALISIERUNG VON UIGURISCHEN
MENSCHENRECHTLERN | EINSCHÜCHTERUNG DURCH
SIPPENHAFT | UNTERDRÜCKUNG DER
RELIGIONSFREIHEIT | UIGUREN IN GUANTANAMO
BITTEN UM ZUFLUCHT | MENSCHENRECHTE FÜR
UIGUREN - EMPFEHLUNGEN
Die seit ihrer
Haftentlassung und Ausweisung aus der Volksrepublik China im
März 2005 im US-Exil lebende uigurische Menschenrechtlerin
Rebiya Kadeer wurde im Jahr 2007 zum dritten Mal in Folge
für den Friedensnobelpreis nominiert. Die Vorsitzende des
Weltkongresses der Uiguren hatte in China eine mehrjährige
Haftstrafe verbüßen müssen, nachdem sie 1999
politisch in Ungnade gefallen war und in einem unfairen
Gerichtsverfahren wegen des angeblichen "Verrats von
Staatsgeheimnissen" verurteilt worden war. Sie galt als eine der
aussichtsreichsten Kandidatinnen für den Friedensnobelpreis
2007 unter den 181 vorgeschlagenen Persönlichkeiten.
Denn keine andere Nationalitätengruppe unter den 55
ethnischen Gruppen in China leidet so sehr unter
Menschenrechtsverletzungen wie die Uiguren. Eine Auszeichnung
für Rebiya Kadeer hätte nicht nur die Aufmerksamkeit
der Weltöffentlichkeit auf die äußerst schwierige
Lage der Uiguren gelenkt sondern auch Kadeers Bemühungen um
Menschenrechte und Demokratie für die Uiguren sowie für
eine friedliche Lösung der Konflikte in der Region
anerkennt. Denn trotz der massiven Repression chinesischer
Sicherheitskräfte wirbt Frau Kadeer unter den Uiguren im In-
und Ausland für ein friedliches Engagement für die
Menschenrechte dieser verfolgten Bevölkerungsgruppe.
Dabei mehren sich die Stimmen in der Region, die vor einer
Eskalation der Konflikte im rohstoffreichen Nordwesten Chinas
warnen. Die systematische Ansiedlung von hunderttausenden
Han-Chinesen stößt bei der seit Jahrhunderten
ansässigen Bevölkerung in der Autonomen Region
Xinjiang, die die Uiguren selbst als Ostturkestan bezeichnen, auf
immer mehr Ablehnung und Kritik. "Vor zehn Jahren gab es hier nur
wenige Chinesen" erzählt ein Ladenbesitzer in Kashgar, der
größten Stadt im Westen Ostturkestans/Xinjiangs. Heute
sind Angehörige der chinesischen Mehrheitsbevölkerung
der Han kaum mehr aus dem Straßenbild der Stadt
wegzudenken. Zwar waren 1998 offiziell noch immer 81 Prozent der
300.000-Einwohner-Stadt Uiguren, doch auch hier wird die Zahl der
Han-Chinesen in den nächsten Jahren stark zunehmen. In der
Provinzhauptstadt Urumtschi und anderen weiter östlich
gelegenen Städten Ostturkestans sind heute bereits mehr als
75 Prozent Han-Chinesen.
In der 1958 von Mao Tsetung gegründeten Stadt Shihezi
stellen die Han sogar 95 Prozent der Einwohner. Jedes Jahr
treffen in der 600.000-Einwohner-Stadt durchschnittlich 10.000
neue Siedler ein. Im Jahr 1997 wurden alleine in Shihezi 70.000
neue Migranten registriert. In Shihezi ist die Zentrale der
paramilitärischen staatlichen Produktions- und
Baugesellschaft Xinjiang (Xinjiang Production and Construction
Corporation) ansässig, die mit der Hilfe ehemaliger Soldaten
systematisch die Ansiedlung hunderttausender Han-Chinesen
betreibt. Die Produktionsgesellschaft unterhält Dutzende
Großfarmen und Industriebetriebe in der gesamten Region.
Dank der mit vielen Vergünstigungen staatlich
geförderten Migration von Han aus dem Osten Chinas,
beherrscht die chinesische Mehrheitsbevölkerung inzwischen
in den meisten Städten Ostturkestans den Handel und das
öffentliche Leben.
Eine vergleichbare Umwälzung der Bevölkerungsstruktur
erlebte auch Tibet in den letzten Jahren. Millionen chinesische
Siedler strömten nach Tibet, so dass die tibetische
Hauptstadt Lhasa heute schon sehr chinesisch geprägt ist.
Eine neue Welle von Migranten kam nach der Eröffnung einer
neuen Eisenbahnlinie von Golmund nach Lhasa seit dem Sommer 2007
in die Autonome Region Tibet. Schon heute ähneln die
Städte Ostturkestans und Tibets mit ihren breiten
Straßen und modernen Häuserblocks architektonisch
immer mehr chinesischen Städten und verlieren ihren
besonderen kulturellen Charakter. Ihr architektonischer
Niedergang ist symptomatisch für die wachsende Bedrohung der
traditionellen Kultur ihrer einheimischen Völker.
Gefördert wird die Ansiedlung von Han-Chinesen in
Ostturkestan durch große Infrastrukturprojekte wie den Bau
von Eisenbahnen und Straßen. Als 1992 eine Eisenbahnlinie
nach Kasachstan gebaut wurde, nutzten Han-Migranten die neue
Verbindung, um sich entlang der Strecke anzusiedeln. Bis 1999 die
Eisenbahnlinie von Kashgar in die 1.500 Kilometer östlich
gelegene Provinzhauptstadt Urumtschi eröffnet wurde, lebte
in Kashgar vor allem die lokale muslimische Bevölkerung. Nun
treffen zweimal am Tag hunderte Han-Chinesen mit dem Zug oder mit
den zwanzig täglichen Flügen aus Urumtschi ein.
1949 war nur einer von fünfzehn Bewohnern Xinjiangs
Han-Chinese. Rund fünf Millionen Uiguren standen damals nur
300.000 Han gegenüber. Heute ist mindestens jeder Dritte ein
Han. Die chinesischen Behörden verschleiern das
tatsächliche Ausmaß der Ansiedlung von Migranten. So
behaupteten sie bis vor wenigen Jahren, nur sechs Millionen Han
hätten sich in Xinjiang niedergelassen. Eine
Volkszählung ergab im Jahr 2000, dass bereits 7,5 Millionen
Han in Ostturkestan lebten. Ihnen standen mehr als neun Millionen
Uiguren gegenüber. Doch tatsächlich leben viel mehr
Chinesen in Ostturkestan, das flächenmäßig rund
dreimal so groß wie Deutschland ist. Denn in der
Volkszählung wurden Soldaten, Polizisten, chinesische
Berater und Helfer sowie Mitarbeiter der Produktions- und
Baugesellschaft Xinjiang nicht erfasst.
Unter vielen chinesischen Neusiedlern herrscht
Goldgräberstimmung. Angelockt von dem 1999 von
Staatspräsident Jiang Zemin verkündeten "Großen
Entwicklungsplan für den Westen", der massive Investitionen
in Tibet, Xinjiang und anderen westlichen Provinzen vorsieht,
hoffen sie auf Arbeit. Die chinesische Führung betreibt die
Erschließung des Westens nicht nur aus militärischen
Gründen, um die Grenzen zu den Nachbarstaaten zu sichern und
um eine Abspaltung Tibets oder Ostturkestans zu verhindern,
sondern auch, um sich Rohstoffe zu sichern. Denn die
prosperierende Wirtschaft in den industriellen Zentren an der
Ostküste verlangt immer mehr Rohstoffe. Unter dem Deckmantel
der "wirtschaftlichen Erschließung benachteiligter
Regionen" wird die Ausbeutung neuer Rohstoffvorkommen in Xinjiang
und Tibets vorangetrieben. Schon heute ist Xinjiang der
bedeutendste Erdgaslieferant der Ostküste. Im Oktober 2007
wurde erneut ein großes Erdgasfeld in der Region entdeckt,
das Reserven in Höhe von 130 Milliarden Kubikmetern Gas
enthalten soll. Im Jahr 2006 wurden 8 Milliarden Kubikmeter
Erdgas in Ostturkestan gefördert. Bislang werden in der
Region insgesamt acht Billionen Kubikmeter Erdgas vermutet.
Auch werden immer mehr Ölfelder im Tarim-Becken in
Ostturkestan erschlossen. Tibet liefert Holz, Wasser, Gold,
Kupfer, Bauxit und Kohle. Für die ansässige heimische
Bevölkerung bringt die Rohstofferschließung keine
wirtschaftlichen Perspektiven. Denn chinesische Arbeitgeber
bevorzugen Han-Chinesen. Tibeter, Uiguren, Kasachen und andere
ethnische "Minderheiten" werden benachteiligt.
Zwischen den Uiguren und den zugewanderten Siedlern gibt es
kaum Kontakt. Han-Chinesen und Uiguren leben in unterschiedlichen
Stadtvierteln. Mischehen gibt es nur selten. Die Uiguren und
andere in Ostturkestan lebende ethnische Minderheiten empfinden
die chinesischen Siedler als illegale Einwanderer, die die
Bevölkerungsstruktur im Sinne der chinesischen Führung
verändern sollen. Nur wenige Han beherrschen die uigurische
Sprache oder bemühen sich zumindest, sie zu lernen. Die
Uiguren sollen nach dem Willen der Behörden und der
Mehrheitsbevölkerung Chinesisch und nicht Uigurisch lernen.
So wurde das auf der Förderung von Minderheiten-Sprachen
aufbauende Erziehungssystem seit 1997 systematisch
ausgehöhlt.
Eine im April 2004 vom Parteikomitee der Kommunistischen Partei
Xinjiangs verabschiedete Erziehungsrichtlinie sieht die
schrittweise Abschaffung der "Minderheiten-Schulen" vor. Neben
den Schulen für Han-Chinesen, die auch von muslimischen Hui
besucht werden, gab es bislang in allen drei Schulstufen
(Grundschule, Mittelschule, Obere Mittelschule) separate Schulen
für Uiguren und andere in Xinjiang lebende "Minderheiten
(Kasachen, Mongolen, Kirgisen, Pamir Tadschiken), in denen die
Minderheiten-Sprache als Unterrichtssprache eingesetzt wurde.
Wurde in den letzten Jahren bereits ab der 3. Klasse in diesen
Minderheiten-Schulen in Chinesisch unterrichtet, so sollen die
Minderheitensprachen nun ganz zugunsten des Chinesischen
abgeschafft werden.
Die Minderheiten-Schulen sollen aufgelöst und den
chinesischen Schulen angeschlossen werden. Tausende uigurische
Lehrer werden mangels ausreichender Chinesisch-Kenntnisse ihre
Arbeit verlieren, da sie nicht an chinesischen Schulen
unterrichten können. Im Zuge der Assimilation waren die
Schülerzahlen an den Minderheiten-Schulen in den letzten
Jahren bereits zurückgegangen. Immer häufiger melden
uigurische Eltern ihre Kinder an chinesischen Schulen an, um
ihnen ein gutes berufliches Fortkommen zu ermöglichen. Denn
die chinesische Führung macht mit ihrer Politik der
Assimilation deutlich, dass in der Volksrepublik nur beruflich
Karriere machen kann, wer Chinesisch spricht und sich dem
Wertesystem der Kommunistischen Partei Chinas unterwirft.
Minderheiten-Kultur hat darin allenfalls einen folkloristischen
Stellenwert. Die 55 offiziell registrierten "ethnischen
Minderheiten" Chinas, die acht Prozent der Gesamtbevölkerung
stellen, weisen die höchsten Zahlen von Analphabeten auf. So
können in der Autonomen Region Tibet 36 Prozent nicht lesen
oder schreiben, in den angrenzenden alten tibetischen Provinzen
sind es zwischen 17 und 24 Prozent der Bevölkerung,
während insgesamt in den ländlichen Regionen Chinas
durchschnittlich nur 8 Prozent Analphabeten sind.
Die UN-Sonderberichterstatterin für Bildung, Katarina
Tomasevski, zog nach einem Besuch in Tibet im Jahr 2004 eine
katastrophale Bilanz und forderte dringend Maßnahmen zum
Schutz der tibetischen Sprache und Kultur sowie anderer
Minderheiten-Sprachen. Ähnliches gilt auch für die
uigurische Sprache und Kultur, die durch die Assimilationspolitik
Chinas massiv in ihrem Fortbestand gefährdet ist. Von 120
Minderheiten-Sprachen in der Volksrepublik seien fünfzig
Prozent bedroht, erklärte Tomasevski. Wenn China die
Assimilationspolitik nicht aufgibt, wird der Untergang der Kultur
und damit auch der Identität der ethnischen Minderheiten in
der Volksrepublik kaum aufzuhalten sein.
Keine andere ethnische Gruppe ist in der Volksrepublik so
massiver und willkürlicher Gewalt der Sicherheitskräfte
ausgesetzt. So wurden seit Mitte der 90er-Jahre im Rahmen der
"Schlag hart zu"- Kampagne der Sicherheitskräfte mehr als
700 Todesurteile aus politischen Gründen gegen Uiguren
verhängt und vollstreckt. Im gleichen Zeitraum wurde in
Tibet ein Tibeter zum Tode verurteilt. Die willkürliche
Gewalt richtet sich nicht gegen Einzelpersonen, sondern gegen die
gesamte Bevölkerungsgruppe der Uiguren. So werden in
Xinjiang Menschen allein aufgrund ihrer ethnischen Abstammung
verfolgt, und nicht nur aufgrund konkreter Straftatbestände.
Wer sich für die Bewahrung der traditionellen Kultur und
für Menschenrechte in Ostturkestan einsetzt, gilt als
Unterstützer des "Terrorismus" und wird mit jahrelanger Haft
oder sogar mit der Hinrichtung bestraft. Dies gilt auch für
Uiguren, die im Ausland um politisches Asyl ersuchten oder sich
für Menschenrechte für Uiguren einsetzten. Mehrfach
wurden seit dem Jahr 2004 uigurische Flüchtlinge, die aus
zentralasiatischen Staaten oder Pakistan nach China abgeschoben
worden waren, in unfairen Gerichtsverfahren zum Tode verurteilt
und hingerichtet.
Nur eine sehr kleine Gruppe unter den Uiguren in China hat
bislang zu den Waffen gegriffen und den bewaffneten Kampf gegen
die chinesische Herrschaft aufgenommen. Statt diese
Angehörigen von kleinen Widerstandsgruppen mit
rechtsstaatlichen Mitteln für ihre Straftaten juristisch zur
Rechenschaft zu ziehen, erklären die chinesischen
Behörden pauschal die gesamte uigurische Bevölkerung
und uigurische Menschenrechtler zu "Terroristen", die
Xinjiang/Ostturkestan gewaltsam aus dem chinesischen
Staatsverband herauslösen wollten. Einen Dialog mit diesen
Widerstandsbewegungen oder mit uigurischen Menschenrechtlern oder
regimekritischen Oppositionellen lehnt die chinesische
Führung ab. Beijing setzt in Xinjiang/Ostturkestan nur auf
eine militärische "Lösung". So wurden seit der blutigen
Niederschlagung von Protesten in der Stadt Gulja im Jahr 1997
systematisch die Sicherheitskräfte verstärkt.
Auch hat China im Rahmen der im Jahr 2001 gegründeten
Shanghaier Kooperations- Organisation die Zusammenarbeit in
Sicherheitsfragen mit den zentralasiatischen Nachbarstaaten
deutlich verstärkt. So finden viele uigurische
Flüchtlinge aus der Volksrepublik in diesen Nachbarstaaten
heute keine Zuflucht mehr, da die Regierungen dieser Länder
Beijing nicht verärgern wollen. Immer wieder kommt es zu
Massenverhaftungen von Uiguren, zuletzt im Jahr 2006, als nach
offiziellen chinesischen Angaben mehr als 16.000 Uiguren
verhaftet wurden. In Polizeistationen und Gefängnissen
werden Gefangene trotz des offiziellen Folterverbots
regelmäßig misshandelt, um vermeintliche Mittäter
zu ermitteln oder Geständnisse zu erpressen.
Seit den Terroranschlägen des 11. September 2001 versucht
China seine blutige Repression in Xinjiang als Chinas Beitrag zum
weltweiten Kampf gegen den Terrorismus darzustellen. Die
UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, viele Regierungen in
aller Welt und Menschenrechtsorganisationen haben diese
Darstellung jedoch zurückgewiesen und China vorgeworfen, den
Antiterror-Kampf für seine eigenen politischen Zwecke zu
instrumentalisieren. Es seien hausgemachte Probleme, die China in
Xinjiang habe, die keinen Bezug zum Erstarken des internationalen
Terrorismus hätten, betonen Experten.
Denn in Xinjiang/Ostturkestan sind keine muslimischen
Extremisten bestrebt, einen radikal-islamischen Gottesstaat
aufzubauen, sondern uigurische Widerstandsbewegungen fordern nur
die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts ihres Volkes und
verlangen den Respekt grundlegender Menschenrechte. Chinas
brutale Niederschlagung und Unterdrückung jeglicher
öffentlicher Kritik schürt die Gewalt in Ostturkestan
und lässt den Zulauf für diese Widerstandsbewegungen
anwachsen.
Auch im Ausland wächst der Druck der Volksrepublik auf
uigurische Menschenrechtler. So werden in zahlreichen Staaten
über chinesische Botschaften "schwarze Listen" von
unerwünschten Uiguren bei den lokalen Behörden mit der
Aufforderung hinterlegt, diesen Personen die Einreise zu
verweigern. Von dieser Einschränkung ihrer Reise- und
Bewegungsfreiheit betroffen sind zum Beispiel auch Vertreter des
Weltkongresses der Uiguren. Ein Hauptaugenmerk richtet China auf
die Aktivitäten uigurischer Menschenrechtler in Deutschland.
So forderte die Volksrepublik die deutschen Behörden
mehrfach in den letzten fünf Jahren auf, drei uigurische
Organisationen mit Sitz in München und Nürnberg zu
verbieten, ihr Kapital einzuziehen und die Mitglieder dieser
Vereine nach China auszuweisen.
Eine öffentliche Reaktion deutscher Behörden auf die
Anfragen aus China ist nicht bekannt, doch erklärten das
Bundesinnenministerium und das für München und
Nürnberg zuständige Bayerische Landeskriminalamt und
der Bayerische Verfassungsschutz auf GfbV Anfrage, dass alle
genannten uigurischen Organisationen die deutschen Gesetze
achteten und auf dem Boden des Grundgesetzes stehen würden.
Der Weltkongress der Uiguren und andere uigurische Organisationen
in Deutschland suchen regelmäßig das Gespräch mit
den zuständigen deutschen Sicherheitsbehörden, um sie
über ihre Menschenrechtsarbeit zu informieren. Mit
größtmöglicher Transparenz reagieren die
uigurischen Organisationen in Deutschland auf die Vorwürfe
der chinesischen Behörden und konnten so dokumentieren, dass
die Vorwürfe unbegründet sind.
Auch Sippenhaft ist verbreitet, wie das Beispiel der in China
verbliebenen Angehörigen von Frau Kadeer zeigt. So wurde im
April 2007 der 32 Jahre alte Uigure Ablikim Abdureyim zu neun
Jahren Gefängnis verurteilt. Das Gericht warf ihm vor, sich
für die Unabhängigkeit Ostturkestans eingesetzt zu
haben. Doch die Prozessbeobachter waren sich einig: Ablikim wurde
in einem unfairen Verfahren verurteilt, weil er der Sohn der
bedeutenden uigurischen Menschenrechtlerin Rebiya Kadeer ist.
Sein "Geständnis" war unter Folter erpresst worden. Er ist
nicht der einzige Sohn Kadeers, der Probleme mit der Justiz
Chinas hat. Alim Abdurereyim wurde im November 2006 zu sieben
Jahren Haft verurteilt und ihr ältester Sohn, Kahar
Abdureyim, muss eine hohe Geldstrafe zahlen. Rebiya Kadeers
Tochter und ihr jüngerer Bruder werden unter Hausarrest
festgehalten. Da man die im US-Exil lebende Menschenrechtlerin
nicht mundtot machen kann, rächt man sich an ihren
Kindern.
Auch das Vermögen von Rebiya Kadeer wurde beschlagnahmt;
das von ihr gegründete Textil-Handelshaus wird zurzeit von
den Behörden zerschlagen. Inzwischen hat China eine eigene
Einsatzgruppe innerhalb seines Sicherheitsapparats aufgebaut, die
sich nur mit Rebiya Kadeer und ihrer Familie beschäftigt.
Von China wird Frau Kadeer heute als Staatsfeindin Nummer eins
behandelt, nachdem sie sich nicht an die bei ihrer Freilassung
erteilte Auflage hielt, sich im Exil jeder politischen
Äußerung zur Lage in China zu enthalten.
Nicht nur Meinungs- und Versammlungsfreiheit, sondern vor allem die Religionsfreiheit der muslimischen Uiguren wird systematisch verletzt. So werden Moscheen und Koran-Schulen willkürlich geschlossen, religiöse und kulturell bedeutende Schriften und Bücher öffentlich verbrannt, das Feiern muslimischer Feste wird untersagt, Imame werden zur Teilnahme an Umerziehungskursen der Kommunistischen Partei gezwungen, um sie auf den Kurs der Kommunistischen Partei zu verpflichten. Kindern wird an den Schulen die Teilnahme an religiösen Feiern untersagt.
Auch Jahre nachdem ihre Unschuld von US-Behörden eingeräumt wurde, warten 17 in dem US-Gefangenenlager Guantanamo auf Kuba festgehaltene Uiguren noch immer vergeblich auf ihre Aufnahme in einem Drittland. Während die US-Behörden auf Druck von Menschenrechtsorganisationen inzwischen eine Abschiebung der Inhaftierten nach China ausschließen, sind bisher alle Versuche gescheitert, Drittländer zu einer Aufnahme der Flüchtlinge zu bewegen. Sie sind de facto staatenlos, da mit Rücksicht auf die Volksrepublik China kein Staat bereit ist, ihnen Zuflucht zu gewähren. Rund einhundert Staaten wurden bislang weltweit von den USA gebeten, die Gefangenen aufzunehmen, doch bislang willigte kein Land ein. Fünf weitere Uiguren, die in Guantanamo festgehalten wurden, konnten nach vierjähriger Haft im Jahr 2006 nach Albanien ausreisen. Sie leben dort unter schwierigen Umständen.