Bozen, Göttingen, Berlin, 14. Mai 2007
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat die
Europäische Union (EU) am Montag aufgefordert, den
Menschenrechtsdialog mit China auszusetzen, so lange sich die
Lage der Menschenrechte in der Volksrepublik nicht spürbar
bessert. Anlässlich der für Dienstag in Berlin
angekündigten neuen Runde des seit 1996 halbjährlich
stattfindenden Dialogs erklärte der GfbV-China-Experte,
Ulrich Delius: "Nach elf Jahren fruchtloser Gespräche muss
die EU endlich eine kritische Bilanz ziehen, wenn dieser Dialog
nicht nur Feigenblatt-Charakter haben soll." Ungeachtet aller
wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen in der
Volksrepublik nehme die Repression gegen ethnische und
religiöse Minderheiten sowie die Unterdrückung der
Presse- und Meinungsfreiheit weiter zu und werde immer
perfekter.
Für das Scheitern der Gespräche sei nicht nur China,
sondern auch das mangelnde Standvermögen der EU
verantwortlich, kritisierte Delius: "Wie wollen die Europäer
glaubwürdig Respekt für Menschenrechte von der
chinesischen Führung einfordern, wenn sie selber
Wirtschaftsinteressen höher bewerten als Menschenrechte?"
Jüngstes Beispiel für Europas Versagen sei, dass die
belgische Regierung dem Druck Pekings in der vergangenen Woche
nachgegeben und dem Dalai Lama die Einreise verweigert hat. Das
religiöse und weltliche Oberhaupt der Tibeter hatte an einer
Unterstützerkonferenz in Brüssel teilnehmen wollen. Mit
Rücksicht auf einen bevorstehenden China-Besuch des
belgischen Kronprinzen und führender Wirtschaftsmanager war
der Dalai Lama kurzfristig von der belgischen Regierung
ausgeladen worden.
Wenn die EU-Regierungen in ihrer China-Politik zum Beispiel in
der Tibet- Frage systematisch die Resolutionen nationaler
Parlamente und des Europaparlaments ignorierten, sei ein
Menschenrechtsdialog sinnlos. Darüber hinaus sei die
Tatenlosigkeit der EU unverständlich, die hinnehme, dass
Chinas Führung Verhandlungen für eine friedliche
Lösung der Tibet- Frage ablehne. Auch die Repression gegen
muslimische Uiguren werde von der EU kaum thematisiert, obwohl
uigurische Menschenrechtler mit langjährigen Haftstrafen,
Sippenhaft und Todesurteilen verfolgt würden.
Für die chinesischen Staatsbürger habe sich die
Menschenrechtslage seit Beginn des Dialogs nicht gebessert. Im
Gegenteil, mehr als 3.000 Praktizierende der verbotenen
Meditationsbewegung Falun Gong seien seit Juli 1999 im Gewahrsam
der Sicherheitskräfte eines gewaltsamen Todes gestorben.
Seit Herbst 2006 seien mehrere hundert chinesische Bürger
verhaftet worden, die mit rechtlich erlaubten Petitionen auf ihre
Probleme aufmerksam gemacht hätten. Ohne konkrete
Verbesserungen für die Menschen in China sei dieser Dialog
sogar schädlich, da er den Anschein erwecke, Chinas
Führung bemühe sich um mehr Respekt für
Menschenrechte.