Inhalt
1. DIE INDIGENEN
VÖLKER
Einführung | 1.1 Eine ethnographische Umrahmung der
indigenen Völker | 1.2 Eine begriffliche Umrahmung der
indigenen Völker | 1.2.1 Definitionsbemühungen | 1.2.2
"Indigenous Populations" oder "Indigenous Peoples"? Die
Problematik der Selbstbestimmung | 1.2.3 Völker und
Minderheiten | 1.2.4 Indigene Völker über das Konzept
der "Indigenen Völker"
2. INTERNATIONALES
RECHTSINSTRUMENTARIUM ZUM SCHUTZ INDIGENER
VÖLKER
2.1 Menschenrechtsschutz der Indigenen Völker im
Schoß der Vereinten Nationen | 2.2 Schaffung der "United
Nations Working Group on Indigenous Populations" (UNWGIP) &
die jüngsten Entwicklungen | 2.3 Rechtsschutz im Rahmen der
ILO | 2.4 Andere internationale Instrumente zum Schutz indigener
Völker
3. DIE ILO UND IHR SCHUTZ DER
INDIGENEN VÖLKER DURCH DIE AUSARBEITUNGDER KONVENTION
NR.169
3.1 Die ILO und die Konvention Nr.107 | 3.1.2 Die ILO und ihre
Aktivitäten bezüglich indigene Völker bis hin zur
Vorläufer-Konvention Nr. 107 | 3.1.3 Die ILO-Konvention
Nr.107 und die Notwendigkeit ihrer Revision | 3.1.4 Die
"Beteiligung" indigener Völker an der Revision der
ILO-Konvention Nr.107 | 3.4 Die ILO-Konvention Nr.169 | 3.4.1
Einführung | 3.4.2 Gliederung der ILO169 | 3.5 "Grund &
Boden" | 3.5.1 Das Recht auf Land und Ressourcen (Art.13-19 der
ILO169) | 3.5.2 Das besondere Verhältnis indigener
Völker zu ihrem Land | 3.6 Kontrolle und Einflußnahme
der ILO169 als internationale Konvention | 3.6.1 Einführung
| 3.6.2 ILO-Kontrollmechanismen | 3.6.3 Einflußnahme auf
nationale Rechtssetzung und Politik | 3.7 Die 13
Signatarstaaten
4. DIE LATEINAMERIKANISCHEN
KONVENTIONSSTAATEN
4.1 Indianerpolitik und ILO in Lateinamerika | 4.2 Die
lateinamerikanischen Signatarstaaten (chronologisch nach dem
Datum der Ratifizierung ): 1. Mexiko | 2. Kolumbien | 3. Bolivien
| 4. Costa Rica | 5. Paraguay | 6. Peru | 7. Honduras | 8.
Guatemala | 9. Ecuador
5. DIE ILO-KONVENTION NR.169 IN
EUROPA
5.1 Chancen und Auswirkungen auf die internationale
Entwicklungszusammenarbeit | 5.2 Die ILO169 in der
Europäischen Union | 5.3 Die drei europäischen
Signatarstaaten | 5.3.1 Dänemark | 5.3.2 Norwegen | 5.3.3
Niederlande | 5.4 Die Bemühungen um eine Ratifizierung in
anderen europäischen Staaten | 5.4.1 Österreich | 5.4.2
Deutschland | 5.4.3 Italien
Bibliographie | Dokumentenanhang: Die ILO-Konvention Nr.169 (verbindliche deutsche Übersetzung)
1. DIE INDIGENEN VÖLKER .: oben :.
Einführung
Wohl mit Recht stellt Heintze fest, daß es nicht Aufgabe
des Völkerrechts sein kann, Definitionen der
Ureinwohner-Völker oder der in Stämmen lebenden
Völker vorzunehmen. Vielmehr, schreibt er, muß die
Rechtswissenschaft Instrumente schaffen, die die Diskriminierung
dieser Menschengruppen in breitestmöglichem Maße
verbieten.
Während den fast zwei Jahrzehnten, in denen über
Rechtsdefinitionen gefeilscht wurde, waren manche indigene
Völker für immer verschwunden.
Aber ohne Zweifel benötigt jedes internationale
Schutznormensystem zunächst eine abstrakten Definition des
zu schützenden Individuums bzw. der zu schützenden
Gruppe.
Ich habe mich deshalb vor der begrifflichen Auseinandersetzung
mit der Bezeichnung "indigene Völker" nicht gedrückt.
Ich beschränke mich aber absichtlich nicht auf dieses Wort:
Im politischen Kontext ist es relativ klar, welche
nicht-staatstragenden Völker bei Begriffen wie Ureinwohner,
indigene Bevölkerungen, Indígenas usw. gemeint
sind.
Es sind ihre Rechte, die oft unklar und möglichst elastisch
gehalten werden.
Auch wenn die ILO169 als das umfassendste völkerrechtliche Abkommen zum Schutz indigener Völker gilt, so fand ihre Entstehung eigentlich doch unter dem Ausschluß dieser Völker statt (infra 3.1.4), deren Stimmen ich in diesbezüglichen juristischen Abhandlungen meist vermisse. Deshalb führt das letzte Kapitel den Titel: Indigene Völker über das Konzept "Indigene Völker".
1.1 Eine ethnographische Umrahmung der indigenen
Völker .: oben :.
Es gibt heute nur sehr ungenaue Schätzungen über die
Größe dieser Menschengruppe, da es nicht leicht ist,
die oftmals in unzugänglichen Gegenden nomadisch
existierenden Ureinwohner und die in Stämmen lebenden
Völker genau zu erfassen. Als erschwerend erweist sich auch
die Tatsache, daß die indigenen Völker keine homogene
Gruppe darstellen. Vergleicht man die Zahlenangaben der UNO, der
ILO, verschiedener NGOs und einiger Menschenrechtler, so kann man
von gut 300 Millionen Ureinwohnern ausgehen, die in mehr als 70
Ländern leben, 5000 verschiedene Kulturen haben und somit zu
70 bis 80 Prozent der kulturellen Vielfalt auf der Welt
beitragen.
Unter ihnen bilden die Adivasi in Indien (70 Millionen) und die indianischen Völker des amerikanischen Doppelkontinents (40 Millionen) die größten Gruppen. Tuareg in den Sahara-Staaten, Pygmäen im zentralafrikanischen Regenwald, Penan in Malaysia, Bergvölker in Bangladesh und Birma, Ainu in Japan, sibirische Völker in Rußland, Maori in Neuseeland, Aborigines in Australien, die Bewohner der pazifischen Inseln, Inuit in Alaska, Kanada, Grönland und Sibirien, Saami in Schweden, Norwegen, Finnland und auf der Kola-Halbinsel - sie alle gehören zu jenen, für die sich die Bezeichnung "indigen" mehr und mehr durchsetzt.
Die größten indigenen
Völker
Berber: 12.000.000 in Algerien, Marokko, Tunesien;
Quichua: 12.000.000 in Bolivien, Chile, Ecuador, Peru;
Uiguren: 6.000.000 in China, Kasachistan, Usbekistan;
Hmong: 6.000.000 in China, Laos, Thailand, Vietnam;
Maya: 5.000.000 in Belize, Guatemala, Honduras, Mexiko, El
Salvador;
Tibeter: 4.000.000 in China, Tibet;
Kashmiren: 4.000.000 in Indien, Pakistan;
Karen: 3.500.000 in Burma, Thailand;
Santal: 3.200.000 in Bangladesch, Indien;
Indianer*: 2.500.000 in Kanada, USA;
Aymara: 2.000.000 Bolivien, Chile, Ecuador, Peru;
Tuareg: 1.500.000 in Algerien, Burkina Faso, Lybien, Mali,
Niger;
Mapuche: 1.400.000 in Argentinien, Chile;
Naga: 1.000.000 in Burma, Indien
Tabelle aus dem Dossier "Popoli Indigeni - Popoli Minacciati" von Michelucci A. (APM) (1998)
* Der Begriff "Indianer" schließt alle
Indianervölker Nordamerikas ein. [Die Cherokee (308.000),
die Navajos (219.000) und die Lakota, besser bekannt als Sioux
(103.000), gehören zu den größten Stämmen.]
Aber während es in Amerika, Nord-Eurasien, dem Pazifik,
Australien und Südasien relativ klar ist, welche Völker
"indigen" sind, ist die Situation in Afrika ziemlich
unklar:
"Hier können die Khoi-San-Gruppen des südlichen Afrika
und die Bambuti (Pygmäen) der äquatorialen
Regenwaldzone zweifellos als 'indigen' gegenüber den
Bantu-Sprechern und anderen Vertretern der
Niger-Kongo-Sprachgruppe bezeichnet werden. Bedeutet dies jedoch,
daß z.B. die Südost-Bantu - also die Xhosa, Zulu,
Venda, Sotho und Tswana der Republik Südafrika - deshalb
gegenüber Buren, Malaien, angelsächsischen, deutschen
und indischen Einwandereren weniger indigen als die San und
Khoikoi sind?"
Dieselbe Frage stellt sich in Asien und Europa für die Turkvölker Zentralasiens: Kann man sie als Einwanderer des ersten nachchristlichen Jahrtausends als "indigenes Volk" gegenüber Russen, Krimtartaren, Chinesen usw. einstufen?
1.2 Eine begriffliche Umrahmung der indigenen Völker .: oben :.
1.2.1 Definitionsbemühungen
Ausgehen möchte ich bei den verschiedenen Bemühungen,
indigene Völker begrifflich zu erfassen, von der Definition
der ILO169, die im Gegensatz zu ihrer Vorläuferkonvention
Nr.107 an "Völker" ("peoples") und nicht an
"Bevölkerungen" ("populations") gerichtet ist:
"This Convention applies to:
a) tribal peoples in independent countries whose social,
cultural and economic conditions distinguish them from other
sections of the national community, and whose status is regulated
wholly or partially by their own customsor by special laws or
regulations;
b) peoples in independent countries who are regarded as
indigenous on account of their decent from the populations which
inhabited the country, or a geographical region to which the
country belongs, at the time of conquest or colonization or the
establishment of present state boundaries and who, irrespective
of their legal status, retain some or all of their own social,
economic, cultural and political institutions".
Eine zentrale Stellung in der Begriffsbestimmung nimmt das
subjektive Bekenntnis zur Zugehörigkeit zu den Ureinwohnern
ein:
"2. Self-identification as indigenous or tribal shall be
regarded as a fundamental criterion for determining the groups to
which the provisions of this Convention apply".
Exemplarisch und bahnbrechend bei dem Bestreben, den Begriff "indigene Völker" zu bestimmen, war sicher der Rapport des ecuadorianischen UN-Sonderberichterstatters Martínez Cobo, der 1971 von der Unterkommission zur Vorbeutung von Diskrimination und zum Schutz der Minderheiten den Auftrag erhielt, eine Studie über Menschenrechtsverletzungen an indigenen Völkern zu verfassen. Nachdem er die Rechtsordnungen 37 Staaten analysiert hatte um zu einer verallgemeinerungsfähigen Definition zu kommen - damit allerdings auf den Einspruch des WCIP (World Council of Indigenous Peoples) gestoßen war - machte er das Recht auf Selbstdefinition und Selbsidentifikation zum Herzstück seiner Definition:
"Indigenous communities, peoples and nations are those which, having a historical continuity with pre-invasion and pre-colonial societies that developed on their territories, consider themselves distinct from other sectors of societies now prevailing in those territories, or parts of them. They form at present and transmit to future generations their ancestral territories, and their ethnic identity, as the basis of their continued exixtence as peoples, in accordance with their own cultural patterns, social institutions and legal systems."
Für Heintze ist dies die erfolgversprechendste
Annäherung an die Definitionsfrage.
Der Cobo-Definition entsprechend, erstellte die UNWGIP (United
Nations Working Group on Indigenes Peoples), die einmal
jährlich innerhalb der UN-Menschenrechtskommission in Genf
tagt, folgende Kriterien für die Zugehörigkeit zu einem
indigenen Volk:
(1) pre-existence (or "historical continuity")
(2) self-identification
(3) non-dominance
(4) cultural difference
"Pre-existence" bedeutet, daß Angehörige eines indigenen Volkes im betreffenden Land die Urbevölkerung darstellen. "Das bedingt anwendbare Kriterium trifft vor allem in den seit dem 15. Jahrhundert von den Europäern besiedelten Großregionen wie Amerika, Australien und Sibirien zu. "
"Self-Identification" ist ein subjektives Kriterium: die indigenen Völker haben in den letzten Jahren wiederholt auf ihr exklusives Recht bestanden, selbst zu bestimmen, wer "zu ihnen" gehört. Das entspricht auch dem indigenen Zusammengehörigkeitsgefühl.
"Non-dominance" umfaßt die gesellschaftliche Marginalisierung von indigenen Völkern: ganz gleich ob sie nun indigene Minder- oder Mehrheiten darstellen.
"Culturel difference" weist auf die Unterschiede in Kultur, Sprache, Weltanschauung und Wertesystem indigener Völker gegenüber der restlichen Bevölkerung hin.
Eng verbunden mit dem Kriterium der "pre-existence" ist die "historical continuity" ; d.h. Landbesetzung und Unterschiede in Sprache, Kultur und Lebensraum, die in einer bestimmten Region des Landes von alters her fortdauern.
"Diese Kontinuität kann genetischer (durch die biologische Reproduktion) und kultureller Natur sein (durch die Erhaltung kultureller Formen wie Sprache und Religion, die sich direkt von der ursprünglichen Gruppe ableiten lassen). In den meisten aktuellen Fällen der "Indigenität" erfahren sowohl die genetische als auch die kulturelle Kontinuität Veränderungen."
Das Kriterium, das in engem Zusammenhang mit Kolonisation und Eroberung steht, läßt die indigenen Völker von den "europäischen" Minderheiten wie Basken, Katalanen, Roma und Wanderarbeiter unterscheiden.
Ein Charakteristikum indigener Völker ist schließlich auch die besondere Beziehung zu ihrem Land (infra 3.5.2). Nicht von ungefähr hat ein Vertreter des WCIP 1985 in Genf gemeint:
"Nach dem Erschießen, ist die sicherste Art uns zu töten, uns von unserem Land zu trennen."
Wesentlich kürzer ist die Begriffsbestimmung von Alfredsson :
"Generally, an indigenous population can be described as the original inhabitants of a territory who have been overcome, often outnumbered, but not assimilated by later settlers of different cultures and ethnic backgrounds who control the national government".
Hummer bemängelt an der Cobo-Definition, daß der Faktor des Entwicklungsgefälles nicht genügend beachtet worden ist, da offensichtlich nicht alle indigenen Völker in den verschiedenen Staaten auf derselben Entwicklungsstufe stehen.
Auch wenn die gesetzliche Definition für "indigenous
populations" von Staat zu Staat varieren, so weisen sie doch
gemeinsame Merkmale auf:
- Objektive Kriterien Herkunft, Kultur, Sprache
- Subjektive Kriterien Selbstidentifikation &
Akzeptanz
- Funktionelle Kriterien gemeinsame Lebensbedingungen.
Demzufolge ist auf der individuellen Ebene derjenige ein Ureinwohner, der sich durch Selbstidentifikation als Angehöriger eines indigenen Volkes betrachtet und von ihm als Angehöriger akzeptiert wird. Praktisch jenes Recht, auf das der WCIP gegenüber Cobo gepocht hatte: ohne Einmischung von außen die Zugehörigkeit bestimmen zu können. Vehement wehren sich indigene NGOs gegen die staatlichen Versuche, durch Gesetzgebungsakte die Zugehörigkeit zu indigenen Völkern zu bestimmen, wobei die Staaten oft außerstande sind, Aussagen über die ethnische Zugehörigkeit von Bürgern u machen.
Schließlich gibt es noch ein weiteres Merkmal: Stavenhagen stellt fest, daß "der Diskurs über die "Indigenität" zur Anklage historischer Ungerechtigkeiten und Verbrechen führt, die gegen die indigenen Völker begangen wurden (Genozid, Landraub, Knechtschaft, Diskriminierung), und in der Folge auch zur Begründung spezifischer Rechte führen, die sich von den erfahrenen Ungerechtigkeiten und der indigenen Zugehörigkeit ableiten lassen."
"Der Diskurs der Indigenität begründet und legitimiert die Forderung der indigenen Völker nach spezifischen Menschenrechten."
1.2.2 "Indigenous Populations" oder "Indigenous
Peoples" ? Die Problematik der Selbstbestimmung .:
oben :.
Während sich die Konvention Nr.107 - The Indigenous and
Tribal Populations Konvention, an "populations"
("Bevölkerungen") richtet, verwendet die ILO Nr.169 - The
Indigenous and Tribal Peoples Konvention, den Begriff "peoples"
("Völker").
Nach dreijähriger Diskussion über den angemesseneren
Begriff, hat sich in der ILO schließlich der Ausdruck
"peoples" durchgesetzt.
Der Widerstand kam hauptsächlich von Brasilien, Frankreich,
Indien, Türkei und Venezuela. Kanada und Schweden hatten
noch auf der 75ten ILO-Konferenz versucht, "peoples" mit
"populations" zu ersetzen. Die ILO war sich aber
schließlich über die Korrektheit des verwendeten
Begriffs einig,
" because this term recognizes the existence of organized
societies with an identity of their own rather than mere
groupings sharing some racial or cultural characteristics."
Aber: "After protracted discussions, it was also decided that
"the use of the term 'peoples' in this Convention shall not be
construed as having any implication as regards the rights which
may attach to the term under international law."
Weder sieht sich die ILO deshalb als zuständiges Organ um
den Begriff "Selbstbestimmung" definieren zu können, noch
bezieht sie diesbezüglich eine Pro-oder-Contra-Haltung. Ein
Recht auf Selbstbestimmung schließt sie demnach nicht
aus.
Das ILO-Expertenkomitee unterstreicht diesbezüglich ,
daß es eines der grundlegendsten Prinzipien der ILO169 ist,
daß
"a relationship of respect should be established between indigenous and tribal peoples in the States in which they live, a notion which should not be confused with autonomy, or political and territorial independence from the nation state."
Prinzipiell beginnt beim Begriff "Volk" die Problematik
bereits damit, daß es darüber keine klare Definition
gibt (infra 2.1).
Während die indigenen Völker den Begriff peoples
bevorzugen, ziehen die Regierungen meist den Ausdruck populations
vor, da er keine Selbstbestimmungsansprüche impliziert.
Dabei spricht der "Internationale Pakt über die
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte"
ausdrücklich von der "freien Selbstbestimmung aller
Völker".
In der Regel wird der "Volksbegriff", "der wohl kaum mit einem
juristischen Inhalt zu füllen ist" von drei Gemeinsamkeiten
geprägt:
gemeinsame Sprache, gemeinsame Kultur und gemeinsames Schicksal
(Sprachgemeinschaft, Kulturgemeinschaft, historische
Gemeinschaft)
Dem UNO-Spezialberichterstatter Cristescu genügten für die Umschreibung des Begriffes zwei Merkmale:
a) eine klare Einheit, die eine klare Identität und ihre
eigenen Charakteristika besitzt;
b) eine Beziehung zum Territorium, die auch nicht durch
gewaltsame Vertreibung oder künstliche Verdrängung von
anderen Bevölkerungen aufgehoben wird.
Stavenhagen sieht gleichermaßen zwei Möglichkeiten um den Begriff Volk zu verwenden:
(1) Gesamtheit der Staatsbürger, die ein Land bilden: Man
spricht hier von der "Souveränität der Völker",
von einer "Regierung die vom Volk ausgeht", usw.
(2) Gesamtheit der Merkmale, die ein menschliches Konglomerat in
territorialen, historischen, kulturellen und ethnischen Grenzen
charakterisieren: Merkmale, die ein
Identitätsbewußtsein vermitteln.
Daraus folgt und für die Verwendung des Begriffs "people" spricht, daß:
a) -im Gegensatz zum Staatsvolk im Rechtssinn- der "Volksbegriff" im Völkerrecht nicht objektiv definierbar ist
b) aufgrund ähnlicher Überlegungen Staaten wie Brasilien, Kanada, USA usw. in ihren Rechtsordnungen den Begriff "peoples", der schließlich auch in der ILO zur Anwendung kam, aufgenommen haben
c) im Vergleich mit anderen Begriffen die Ureinwohner-Gemeinschaften aufgrund ihres meist stark ausgeprägten Zusammengehörigkeitsgefühls als Völker angesehen werden müssen
d) nicht alle "indigenen Völker" das Selbstbestimmungsrecht gleich weit auslegen wollen
In Diskussionen anläßlich der ersten Verhandlungsrunde über die "Deklaration über die Rechte der indigenen Völker" in der UNO-Menschenrechtskommission 1995 in Genf, kamen hinsichtlich der Auslegung des im "Volksbegriff" implizierten Selbstbestimmungsrechts unterschiedliche Anschauungen zum Ausdruck: Während die Maori Neuseelands darunter ein Sezessionsrecht "gegenüber der Kolonialregierung" verstehen, begnügen sich andere indigene Vertreter mit einem grösseren Einfluß auf Reformvorhaben ihrer nationalen Regierungen.
Differenziert man das Konzept der Selbstbestimmung so kann darauf hingewiesen werden, daß die
- "äußere Selbstbestimmung nicht notwendigerweise
politische Unabhängigkeit bedeutet, sondern vielmehr Ziel
von Verhandlungen zwischen Volk und jenem Staat sein kann, mit
dem es verbunden ist. Das Ergebnis kann eine neue Form des
politischen Zusammenlebens sein, ohne dabei trotz möglicher
politischer Übereinstimmungen die Unterschiede zu
vergessen."
Bsp: Fall von Quebeq; die Kuna in San Blas von Panama;
- "interne" Selbstbestimmung sich auf die interne politische
und ökonomische Form der Organisation eines Volkes bezieht,
ohne daß notwendigerweise die schon etablierten externen
Beziehungen betroffen sind. Die nordamerikanische Regierung
verwendet diesen Begriff gern, um irrtümlicherweise die
interne ökonomische Verwaltung der indigenen Reservate zu
beschreiben.
Bsp: Provinzen, Munizipien in Lateinamerika;
Ein Beispiel, das die Besorgnis mancher Regierungen bezüglich Volksbegriff und Selbstbestimmungsrecht veranschaulicht, bot 1995 in Genf die erste Verhandlungsrunde über die "Deklaration über die Rechte der indigenen Völker" in der UN-Menschenrechtskommission, als sich vor allem Frankreich - und in deren Windschatten Indonesien, China, Brasilien, Bangladesh, Malaysia und Burma - zum Wortführer der Kritiker aufschwang. Frankreich, das sich in den vergangenen vierzehn Jahren gar nicht an der Arbeit beteiligt hatte, begründete dies mit der französischen Verfassung, die die Einräumung von Sonderrechten für eine Gruppe von Bürgern verbiete.
"Die Vehemenz der französischen Intervention [...] ist wohl nur vor dem Hintergrund des Widerstandes gegen die Nukleartests seitens der Ureinwohner von Französisch-Polynesien zu verstehen".
Menschenrechtler werten es als eine völkerrechtlich bedeutsame Tatsache, daß die US-Außenministrerin Madeline Albright Mitte Juli 1998 erstmals von "indigenous peoples" statt wie bislang von "people" sprach.
Einen anderen Denkanstoß bietet der ehemalige UN-Generalsekretär Boutros-Ghali, der1992 in New York die Befürchtung aussprach, die Welt drohe in rund 400 marode Kleinstaaten zu verfallen, wenn das Problem der Rechte von Minderheiten nicht bald energisch angegangen werde.
"Die schlimmste Entwicklung könnte es in Afrika nehmen, das jetzt schon in 50 Staaten zersplittert ist. Dort gibt es 5000 Stämme. Wenn all diese das Recht auf Selbstbestimmung wahrnähmen, würde eine Art 'Mikro-Nationalismus' mit winzigen Staaten von 5000 oder 100000 Bürgern entstehen."
Während also in der neuen ILO 169 "populations" mit
"peoples" ausgewechselt wurde, blieben die ersten beiden
Attribute "indigenous" und "tribal" bestehen.
Laut ILO,
"the term 'indigenous' refers to who, while retaining totally or partially their traditional languages, institutions, and lifestyles which distinguish them from the dominant society, occupied a particular area before other populations groups arrived. This is a description which is valid in North and South America, and in some areas of the Pacific. In most of the world, however, there is very little distinction between the time at which tribal and other traditional peoples arrived in the region and the time at which other populations arrived. In Africa, for instance, there is no evidence to indicate that the Massai, the Pygmies, or the San (Bushmen), namely peoples who have distinct social, economic and cultural features, arrived in the region they know inhabit long before other African populations. The same is true in some parts of Asia. The ILO therefore decided, when it first began to work intensively on these questions shortly after World War II, that it should refer to indigenous and tribal peoples."
Der ILO ging es erstens mehr um den sozialen Aspekt als um die Frage nach den ersten Besiedlern und zweitens konnten sich mehrere Regierungen eher mit dem Attribut "tribal" anfreunden. Auf jeden Fall verfügen beide - "indigenous and tribal peoples"- über dieselben Rechte der ILO 169.
1.2.3 Völker und Minderheiten .:
oben :.
Die Begriffe Indigene Völker und Minderheiten erfahren in
der Alltagssprache oft keine Differenzierung. Tatsächlich
weisen beide Gruppen Gemeinsamkeiten auf:
(1) in ihrem Land stehen sie meistens -aber nicht immer- einer
Mehrheit gegenüber
(2) die Mehrheit -Staat und Gesellschaft- empfindet sie meist
als "anders" und "fremd"
(3) sie sind als Opfer von Menschenrechtsverletzungen besonders
gefährdet
Die Bestimmung von Minderheiten erweist sich oft als ein
schwieriges Unterfangen, das wohl nur auf der
"case-by-case"-Basis erreicht werden kann.
In Südamerika z.B. stellen heute die Nachfahren der
conquistadores gegenüber den indigenen Völkern in den
meisten Staaten die (dominante) Mehrheit dar. Dazu kommen neben
anderen europäischen Auswanderern vor allem Schwarze, die
vielfach als Sklaven aus ihrer Heimat verschleppt wurden, die
Chinesen (Präsident Fuijimori stammt aus China), die in Peru
als Minenarbeiter angeheuert wurden, die libanesischen
Auswanderer in Ecuador (Ex-Präsident Tamil Mahuad stammt aus
dem Libanon) und die japanischen in Brasilien.
Die Vereinten Nationen erachteten lange Zeit den individuellen
Schutz der Menschenrechte als völlig ausreichend für
den Schutz von Minderheiten und indigenen Völkern., wobei
der erste Artikel in beiden Internationalen Pakten über die
Menschenrechte identisch lautet:
"Alle Völker haben das Recht auf Selbstbestimmung
..."
Dabei hat die internationale Gemeinschaft mit diesem
einleitenden Artikel anerkannt, daß individuelle Rechte von
Personen nur schwer auszuüben sind, deren Völker einer
kollektiven Unterwerfung durch koloniale Herrschaft ausgesetzt
sind.
Minderheiten
Der Begriff Minderheit kam besonders zur Zeit des
Völkerbundes im Balkan zur Anwendung, als nach dem Ersten
Weltkrieg im Anbetracht der neuen Grenzen versucht wurde, durch
ein Minderheitenschutzsystem bestimmte Mindestrechte
festzulegen.
Erst 1966 sieht der "Internationale Pakt über zivile und
politische Rechte" in Art. 27, der zudem recht unklar definiert
ist , vor:
"In Staaten mit ethnischen, religiösen oder sprachlichen Minderheiten, darf Angehörigen solcher Minderheiten nicht das Recht vorenthalten werden, gemeinsam mit anderen Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kulturelles Leben zu pflegen, ihre eigene Religion zu bekennen und auszuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen."
Da die Satzung an "Angehörige von Minderheiten" gerichtet
ist, werden lediglich die Rechte des Individuums
angesprochen.
Der italienische Völkerrechtler F. Capotorti (infra) nennt
auch den Grund:
"Lastly, there is a political reason. The fact of granting rights to minorities and thus endowing them with legal status might increase the danger of friction between them and the State, in so far as the minority group, as un entity, would seem to be invested with authority to represent the interest of a particular community vis-a-vis the entire population."
Eine Kollektivierung ihrer Rechte erfahren Minderheiten in der Definition Capotortis, der 1979 beauftragt wurde, eine Studie zur Lage der Minderheiten zu verfassen:
"Eine ethnische, religiöse oder Sprachminderheit ist eine Gruppe, die zahlenmäßig kleiner ist als der Rest der Bevölkerung des Staates, zu dem sie gehört und die kulturelle, physische oder historische Merkmale, eine Religion oder eine Sprache besitzt, die sich vom Rest der Bevölkerung unterscheidet."
Minderheiten verfügen über aktive und passive Rechte bzw. Sonderrechte, die dem übrigen Staatsvolk nicht gewährt werden und die ihnen gleichsam als Ersatz für die Nichtgewährung des Selbstbestimmungsrechtes zuerkannt werden.
Indigene Völker
Indigene Organisationen sind der Ansicht, daß ihre
Situation nicht mit jener der Minderheiten vergleichbar
ist:
1. Als "ursprüngliche Völker oder Nationen" bestehen
sie auf Rechte, die nicht mit anderen Minderheiten wie z.B. den
eingewanderten ethnischen geteilt werden
2. Als Opfer von Invasionen, Eroberungen und Raub fordern sie
verlorene Rechte - oft handelt es sich um verweigerte
Souveränität - zurück und wollen nicht nur Schutz
durch Rechte, die ihnen zugestanden werden.
3. Ihre Vorfahren lebten in souveränen Nationen, die gegen
ihren Willen unterworfen und von fremden politischen Einheiten
inkorporiert wurden. Zahlreiche Völker unterschrieben
Verträge mit den Invasoren, welche ihnen ihre
Souveränität garantieren sollte, aber im nachhinein
verletzt oder einseitig aufgehoben wurden.
Abgesehen von ihrer eigenen Kultur, dem eigenen Wertesystem
und ihrer eigenen Weltanschauung, zeichnet die indigenen
Völker einmal ein auffallender Bezug zu ihrem Land auf, das
sie seit altersher besetzen (sofern sie nicht vertrieben worden
sind) und zweitens ein besonderes
Zusammengehörigkeitsgefühl, das sie prägt und
stärkt.
Dies spricht für eine Kollektivierung ihrer Rechte. Und
deshalb bezeichnen sie sich heute meist als indigene Völker
und nicht als Minderheiten gem. Art.27 des "Internationalen
Paktes über die zivilen und politischen Rechte", da es der
einzige Weg ist, der an ihrem Untergang vorbeiführt.
Dementsprechend differenziert auch der "Entwurf der
Allgemeinen Deklaration über die Rechte indigener
Völker":
"3. The collective right to exist as distinct peoples and to be
protected against genocide, as well as the individual rights to
life, physical integrity, liberty and security of person.
4. The individual and collectiv right to maintain and develop
their ethnic and cultural characteristics and distinct identity,
including the right of peoples and individuals to call themselves
by their proper names."
Zudem gewährt die internationale Praxis den Völkern auf kolonisierten Territorien das Recht auf Selbstbestimmung, nicht aber den Minderheiten.
1.2.4 Indigene Völker über das Konzept der
"Indigenen Völker" .: oben
:.
"In unseren Kulturen existiert der Begriff des Individualrechts
nur innerhalb der Gemeinschaft. Die Rechte und Verpflichtungen
der Einzelnen gehen aus den gemeinsamen Zielen, den
zwischenmenschlichen Beziehungen und jenen zur Mutter Erde
hervor. Wer uns die Anerkennung der kollektiven Rechte
verweigert, verweigert dem Einzelnen die Vorteile unserer
gemeinsamen Identität und trennt somit das, was bei uns eins
ist.
Alle Völker haben ein Recht auf Selbstbestimmung. Die
Staaten, die sich der Durchführung dieses Rechts
widersetzen, versuchen die Anwendung des Völkerrechts auf
die indigenen Völker zu verhindern um offensichtliche
Implikationen, die sich aus den international anerkannten
Kriterien ergeben, zu vermeiden. Um sich nicht im
Anwendungsbereich des internationalen Rechts zu verwickeln, haben
sie ein einfaches System ausgeklügelt: sie haben
beschlossen, daß unsere Rechte als Völker gar nicht
existieren, sofern sie uns nicht als solche bezeichnen."
Die Worte stammen von Ted Moses vom Grand Council of the
Crees, ein bekannter Redner bei den Sitzungen der WGIP.
Am 28. Juli1997 marschierten in Genf rund 350 Vertreter
indigener Völker in traditioneller Kleidung vom Platz der
Vereinten Nationen zu den Konferenzsälen der Uno, um ihrer
ersten Teilnahme an der Uno-Konferenz im Juli 1977 zu gedenken.
Angeführt wurde der Zug wie vor zwanzig Jahren von
nordamerikanischen Indianern, unter ihnen der Irokesen-Chief Oren
Lyons (Onondaga) und Ed Burnstick (International Indian Treaty
Council). Wie damals konnte auch bisher eine Erklärung der
Vereinten Nationen zu den Rechten der indigenen Völker trotz
des nichtbindenden Charakters nicht verabschiedet werden. Besorgt
erklärte deshalb Oren Lyons, daß die indigenen
Völker in der Erklärung nur ihre minimalen Rechte
einfordern und die Staatengemeinschaft deshalb inständig
bitten, den Inhalt der Erklärung nicht weiter zu
verwässern. Die indigenen Völker hätten ein Recht
auf die Anerkennung ihrer Sprache, ihrer Kultur und ihrer
Landrechte.
Victoria Tauli-Corpuz vom philippinischen Volk der Igorots "Volk der Berge", die im September 1999 in Südtirol weilte , sieht den Hauptgrund, warum sie "indigene Völker" genannt werden darin,
"daß viele ihrer Vorfahren und ihre gegenwärtige Generation darauf bestanden haben, die Grenzen aufrechtzuerhalten, die ihre verschiedenen Identitäten als Clans, Stämme, Völker und Nationen kenntlich machen. In ihrem Fall war es eine geographische Barriere, die ihnen geholfen hat, ihre Eigenständigkeit zu bewahren: viele von ihnen wohnen in unzulänglichen Gegenden, die nur in anstrengenden Fußmärschen zu erreichen sind."
Immer wieder forderten die Ureinwohner-Gemeinschaften aufgrund ihres meist ausgeprägten Zusammengehörigkeitsgefühles als Völker angesehen zu werden und ihre Vertreter begründeten dies auf der ILO-Konferenz damit, daß
"die Verwendung des Begriffs für die Stärkung der Anerkennung des Rechts dieser Gruppen auf ihre Identität und als grundlegender Aspekt der veränderten Ausrichtung im Hinblick auf größere Achtung vor ihren Kulturen und Lebensweisen notwendig sind.
Nach früheren endlosen Debatten über den Begriff indigene Völker, sprachen sich in den letzten Jahren die meisten Völker gegen die Notwendigkeit einer präzisen Definition aus. Auch wenn die Definition Klarheit schaffen könnte, würde sie doch eine Einschränkung bedeuten und könnte Regierungen als Werkzeug zur Ausgrenzung dienen.
2. INTERNATIONALES RECHTSINSTRUMENTARIUM ZUM SCHUTZ
INDIGENER VÖLKER .: oben :.
2.1 Menschenrechtsschutz der Indigenen Völker im
Schoß der Vereinten Nationen
In allen Regionen der Welt wurden indigene Völker Opfer von
Genoziden, und von dieser Tatsache muß bei jeder Diskussion
über indigene Rechte ausgegangen werden. Militärische
Aktionen, systematische Übergriffe, Assimilierungspolitik
und Missionierung führten in den schlimmsten Fällen zur
physischen Extinktion ganzer indigener Völker. Der Verlust
des eigenen Territoriums, der eigenen Lebensweise, Kultur und
Sprache trugen zur existenziellen Krise dieser Völker
bei.
Abgesehen von Verträgen, in denen die Indianischen Nationen
selbst Partei waren und vom Abkommen, das 1940 zur Errichtung
des
Interamerikanischen Instituts führte, hatte vor der
Verabschiedung der ILO-Konvention Nr. 107 im Jahre 1957 kein
multilaterales Abkommen direkt auf indigene Rechte Bezug
genommen. Die Vereinten Nationen hatten die Menschenrechte
indigener Völker lange Zeit vernachlässigt.
Die Rechte indigener Völker sind bis heute in keiner
internationalen Konvention als eigenständiges, positives
Recht niedergelegt. Ihre Rechte werden bislang aus verschiedenen
internationalen Verträgen und Übereinkünften
abgeleitet, die auf den Schutz der indigenen Völker
eingehen, d.h. im wesentlichen Abwehrrechte darstellen. Die
Konstruktion schränkt die Reichweite insofern ein, da diese
Normen den Staaten keinerlei Verpflichtungen vorgeben, aktiv die
Rechte der indigenen Völker auf eine eigene spezifische
Existenz, auf eigene Kultur, Sprache oder Religione zu
fördern. Ein weiterer grundsätzlicher Mangel aus Sicht
der indigenen Völker haftet diesen Normen dadurch an,
daß die Abkommen immer auch den Restriktionen der
vertragschließenden Staaten unterliegen, deren
Zuständigkeiten und Legitimation in Sachen indigene
Völker von letzteren vehement bestritten wird.
Unbeschadet ihrer Bedeutung zum Schutz vor Völkermord und
Mord an ethnischen Minderheiten gewähren die Abkommen
(Auflistung, infra) in der Regel ausdrücklich
Individualrechte, d.h. vergleichbar dem deutschen Grundgesetz
können nur individuell betroffene Personen und keine
Volksgruppen als Kollektiv Rechtsschutz einfordern.
Demgegenüber ist es offensichtlich, daß der
Rechtsanspruch indigener Völker auf territoriale
Selbstverwaltung oder auf autonome Regierungsformen sinnvoll nur
von organisierten Gemeinschaften eingebracht werden kann und
ihnen gegenüber zu garantieren wäre.
Deshalb fordern die Repräsentanten der indigenen
Völker nationale und internationale Standards, die ihnen
kollektive Rechte auf Selbstbestimmung, auf Sprache und Kultur
einräumen und nicht zuletzt Schutz gegen Genozid und
Ethnozid bieten.
In der Russischen Föderation z.B. stehen alle Rechtsnormen bezüglich Land, Bodenschätze, Fisch -und Jagdrechte, Kommerzialisierung des (Kunst-) Handwerks oder Besiedlung unter dem Vorbehalt des Staates.
Zwar sprechen die beiden Internationalen Menschenrechtspakte von der freien Selbstbestimmung aller Völker, aber bislang findet sich in der Charta der Vereinten Nationen keine rechtsverbindliche Definition des Begriffs "Volk", um genau bestimmen zu können, wer die Rechtsträger dieser freien Selbstbestimmung sein sollten.
Dies blieb unproblematisch, solange niemand außer den etablierten Staaten dieses Recht geltend machte.
Obwohl die Charta der Vereinigten Nationen oft von den
Völkern der Erde spricht, sind damit doch Staaten gemeint.
Die Nationalstaaten sind Gründer und handelnde Subjekte im
Prozeß der Vereinten Nationen. Nur sind die Interessen der
Staaten und der indigenen Völker häufig
entgegengesetzt.
So treten z.B. Zielkonflikte zwischen den Interessen der
Bewahrung der Identität und der Selbstbestimmung indigener
Völker und dem Interesse des Staates auf ökonomischer
Entwicklung auf.
Im Zuge der antikolonialen Befreiungsbewegungen und der
aufkeimenden Regional- und Minderheitenbewegungen beschloß
1974 die UN-Unterkommission zur Vorbeugung von Diskriminierung
und zum Schutz von Minderheiten, einen speziellen
Berichterstatter mit der Klärung der Begriffe "Volk" und
"Selbstbestimmung" zu beauftragen. Der Abschlußbegriff hebt
hervor, daß das Prinzip der freien Selbstbestimmung die
Rechte bestehender souveräner Staaten nicht
beeinträchtigen dürfe, soweit letztere ihre
Souveränität Kraft dieser Norm zur freien
Selbstbestimmung ausüben.
Für die unter Kolonialherrschaft sich befindenden
Territorien waren diese Normen noch einschlägig, den
sogenannten Minderheiten blieb der kollektive Rechtsanspruch
versagt, da der Begriff Volk nach wie vor unscharf formuliert
ist.
Die Frage, inwieweit die Souveränitäts- oder Autonomieforderungen der indianischen Nationen, Völker und Gemeinschaften in Amerika eine innerstaatliche Angelegenheit oder ein im Gerüst des Völkerrechts angesiedeltes, d.h. überstaatliches Grundrecht bzw. internationales Vertragsrecht darstellen, harrt der Lösung. Nachwievor ist die ILO 169 das bislang einzige rechtsverbindliche Instrument zur Wahrung der Rechte indigener Völker.
Rechtsinstrumente innerhalb der Vereinten Nationen
(UN)
1948 Deklaration der Allgemeinen Menschenrechte in den Artikeln
1, 2, 4, 7, 17, 26 und 27
1951 Konvention zum Verbot des Völkermordes in Artikel 2
1957 die Konvention der ILO Nr. 107 zum Schutz und Integration der Indigenen Völker,.....
1969 die Ergänzende Konvention zur Abschaffung der Rassendiskriminierung in Artikel 1.1
1976 der Internationale Vertrag über wirtschaftliche,
soziale und kulturelle Rechte in den Artikeln 1, 2, 3, 13, 15 und
25
der Internationale Vertrag über zivile und politische
Rechte in den Artikeln 1 und 27
das Zusatzprotokoll des Internationalen Vertrages über
zivile und politische Rechte in seiner Präambel und in
Artikel 1
1981 die UNESCO-Erklärung von San José zu Ethnozid und ethnischer Entwicklung
1982 die Entstehung der Arbeitsgruppe für indigene Völker (UNWGIP)
1985 die UNWGIP beginnt mit der Erstellung der "Allgemeinen Deklaration über die Rechte indigener Völker
1989 die ILO-Konvention Nr. 169 der indigenen Völker
(eine Revision der ILO-Konvention Nr. 107 von 1957)
1993 war das Internationale Jahr der indigenen
Völker
1994 Am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte beginnt die
UN-Dekade der Indigenen Völker der Welt (1995 - 2004)
2.2 Schaffung der "United Nations Working Group on
Indigenous Populations" (UNWGIP) & die jüngsten
Entwicklungen .: oben :.
Wie bereits erwähnt, waren die Probleme und die Anliegen
indigener Völker lange Zeit kein Thema für die
internationale Staatengemeinschaft.
Bolivien machte 1949 erstmals den Vorschlag, eine
Unterkommission der UN-Sozial-Kommission einzuführen um "die
Situation der Ureinwohner auf dem amerikanischen Kontinent" zu
untersuchen. Der Beschluß, der schließlich erreicht
wurde, beinhaltete aber lediglich einen Appell an den
Wirtschafts- und Sozialrat, eine Untersuchung einzuleiten.
Verschiedene Staaten wie die USA, Brasilien, Chile, Frankreich,
Peru und Venezuela erhoben Einspruch und ein weiterer
Beschluß erlaubte solche Untersuchungen nur auf Anfrage des
betroffenen Staates hin. Die Anfragen blieben aus und somit blieb
diese Initiative der Vereinten Nationen vorerst zwei Jahrzehnte
lang die letzte in diesem Rahmen.
Am 28. Juli 1997 haben in Genf ungefähr 350 Vertreter
indigener Völker in traditioneller Kleidung mit einem Marsch
vom Platz der Vereinten Nationen zu den Konferenzsälen der
Uno hin ihrer ersten Teilnahme an einer Uno-Konferenz im Jahr
1977 gedacht.
1972 erhielt der Ecuadorianer Martínez Cobo von der
Unterkommission zur Vorbeugung und Diskriminierung und zum Schutz
der Minderheiten den Auftrag, als Sonderberichterstatter eine
ausführliche Studie über die Diskriminierung von
indigenen Völkern zu verfassen. Der 1983 vorgelegte Bericht
hat den Verdienst, erstmals Diskrimination und
Menschenrechtsverletzungen an indigenen Völkern beim Namen
genannt zu haben. Auch wurde das Verständnis für die
Bedingungen unter denen diese Vöker leben, wesentlich
vertieft.
Die Cobo-Studie, das geweckte Interesse der obgenannten
Unterkommission und die Unterstützung sämtlicher NGOs
führten 1982 zur Entstehung der UNWGIP.
Die Working Group ist ein subsidiäres Organ der
Unterkommission. Ihre fünf Mitglieder sind unabhängige
Experten und Mitglieder der Unterkommission.
Die Working Group tagt jeden Sommer in Genf unmittelbar eine
Woche vor der Sitzungsperiode der Unterkommission. Mit Ausnahme
des Jahres 1986 hat die Arbeitsgruppe jedes Jahr getagt. In jenem
Jahr sponsorisierten die Anti-Slavery Society for the Protection
of Human Rights und der WCIP unter dem Vorsitz von Erica-Irene A.
Daes einen Workshop über die Rechte indigener
Völker.
Die Working Group stellt nicht nur das einzige internationale
Forum dar, in dem VertreterInnen indigener Völker (und zwar
unabhängig davon, ob sie von den Vereinten Nationen formell
anerkannt sind oder nicht) ihre Interessen und Forderungen
darlegen und in einen offenen Dialog mit Regierungsvertretern
treten können, sondern die Arbeitsgruppe wurde im Laufe der
Jahre im Rahmen der Menschenrechte zum breitesten UN-Forum
überhaupt. Bis zu 700 Menschen beteiligen sich mittlerweile
an der Working Group: Regierungsbeobachter, Vertreter indigener
Völker, NGOs, Akademiker und Studenten. Um möglichst
vielen Betroffenen die Teilnahme zu ermöglichen, wurde 1985
innerhalb der UNO ein Fond errichtet, mit dessen Hilfe die
Reisekosten der Delegierten getragen werden können.
Die UNWGIP hat zwei offizielle Aufgabenbreiche :
1) Die Beobachtung nationaler Entwicklungen, die die
Förderung und Verteidigung von Menschenrechten und
fundamentalen Freiheiten von indigenen Völkern
betreffen;
2) die Entwicklung internationaler Standards für die Rechte
indigener Völker unter besonderer Berücksichtigung der
Gemeinsamkeiten und Unterschiede in ihrer Situation und ihren
Zielen überall auf der Welt.
Was den ersten Aufgabenbericht betrifft, so erhält und analysiert die Arbeitsgruppe schriftliches Informationsmaterial, das ihr von Regierungen, Organen der Vereinten Nationen und von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen übermittelt wurde. Der Vorsitzende der Working Group besucht verschiedene Länder um zu Informationen aus erster Hand zu kommen, aber auch um sich über die UN-Aktivitäten auf dem Gebiet der Rechte indigener Völker ein Bild zu machen und um Problematiken zu erkennen, die in Rechtsstandards gekleidet werden müssen. Der Sachverständige Miguel Alfonso Martínez, ein Mitglied der Gruppe, hat von der Unterkommission darüber hinaus die Aufgabe erhalten, eine Studie über die Zweckmäßigkeit von Verträgen, Übereinkommen und anderen sinnvollen Absprachen zwischen indigenen Völkern und Staaten zu erstellen:
Auf der 16.Sitzung der WGIP, die 1998 in Genf abgehalten wurde, hat Martínez den letzten Teil seiner revolutionären Studie vorgelegt: "er erklärt darin, weshalb die Verträge der europäischen Kolonisatoren und ihrer Nachfolger mit indigenen Völkern Verträge nach internationalem Recht sind, gleichbedeutend etwa Verträgen zwischen Deutschland und Frankreich, und welche Auswirkungen das hat. Es fällt nicht schwer, sich vorzustellen, welch gravierenden Folgen das für Staaten wie die USA, Kanada, aber auch für Europa hat. Plötzlich sind die "alten" Verträge keine inneren Angelegenheiten mehr, sondern Pakte zwischen gleichberechtigten Regierungen. Es kommt nun entscheidend auf die Umsetzung dieser Studie an [...]"
Das Mandat der UNO bedeutet aber nicht, daß die Working
Group authorisiert wäre, spezifische Beschwerden über
Menschenrechtsverletzungen zu überprüfen, um
Empfehlungen auszusprechen oder Entscheidungen zu treffen.
Weiters müssen alle Beschlüsse von vier
übergeordneten Gremien abgesegnet werden: von der
Unterkommission zur Verhütung von Diskriminierung und
für Minderheitenschutz, der Kommission für
Menschenrechte, vom Wirtschafts- und Sozialrat und
schließlich von der UN-Vollversammlung.
Der Hinweis lohnt sich, daß die indigenen Völker
immer nur mit einer Stimme sprechen. Zudem entscheiden in allen
Istanzen vorüberwiegend Regierungsvertreter.
Die Working Group ist vor allem im zweiten Aufgabenfeld aktiv geworden: Im Jahre 1985 wurde mit der Ausarbeitung eines Entwurfes der "Allgemeinen Erklärung über die Rechte indigener Völker" (Universal Deklaration on the Rights of Indigenous Peoples) begonnen. Im Juli/August 1993 war man sich über den finalen Entwurf der Erklärung einig und hat ihn bei der Unterkommission zur Verhütung von Diskriminierung und für Minderheitenschutz eingereicht. Im August 1994 erfolgte die Annahme von seiten der Unterkommission und die Übergabe an die Kommission für Menschenrechte. Nun hofft man, daß die von der Working Group entworfene Erklärung bis spätestens zum Ende der Dekade indigener Völker im Jahre 2004 von der UN-Vollversammlung verabschiedet wird.
Der Entwurf dieser UN-Charta ist in fünf Abschnitte
gegliedert:
Teil I bezieht sich auf die Allgemeinen Universalen
Menschenrechte
Teil II behandelt die kulturellen und ethnischen Rechte und den
Schutz vor Ethnozid
Teil III betrifft Landrechte und Ressourcen
Teil IV beinhaltet wirtschaftliche und soziale Rechte,
einschließlich der Erhaltung der traditionellen
wirtschaftlichen Strukturen und Lebensweisen
Teil V bezieht sich auf zivile und politische Rechte. Es geht
vor allem um die Achtungdes eigenständigen Rechtssystems und
der politischen un sozio-ökonomischen Institutionen
indigener Völker, um Mitbestimmung in der nationalen Politik
und das kollektive Recht auf Autonomie.
Nach 1993 wurde eine eigene Working Group für die Revision der "Declaration on the Rights of Indigenous Populations" gegründet, die bisher viermal getagt hat. Bisher hat es aber keine substantiellen Veränderungen gegeben.
"Hardliner wie die USA, Kanada, Australien und Neuseeland wollen sämtliche in dem Entwurf aufgeführten Rechte der Ureinwohner möglichst unter die Kuratel der nationalen Politik stellen, also gerade keinen international verbindlichen Standard zulassen. Angesichts dessen wirkt es paradox, daß nun ausgerechnet die Vertreter der Indigenen Völker als Hemmschuh bezeichnet werden, weil sie darauf bestehen, daß der Entwurf der Charta, wie ihn die UNWGIP erarbeitet hat, unverändert bleibt."
Ende der 80er Jahre wurde die Idee eines "Permanenten Forums für Indigene Völker" entwickelt. 1993 sprach sich die Wiener Menschenrechtskonferenz für ein solches Forum aus und beauftragte die UNO mit der Überprüfung der Umsetzung. Ein eigener Kriterienkatalog wurde erarbeitet, der flexibel gehandhabt werden soll und der Selbstidentifikation eines Volkes die ausschlaggebende Bedeutung zumißt. Umstritten blieben jedoch das Mandat eines solchen Forums, die Ebene innerhalb der UN-Hierarchie, der es angegliedert werden soll, und die Kostenverteilung. Im Frühjahr 1998 beschloß die UN-Menschenrechtskommission, eine dritte Working Group zum Thema "Permanentes Forum" einzuberufen.
Aber die Definition des Begriffs Selbstbestimmung und das ausdrückliche Recht indigener Völker, die auf ihren eigenen Territorien vorhandenen Ressourcen zu kontrollieren, sind nachwievor umstritten. Bei den Ressourcen ist besonders die "Biodiversität" (und ihr vielseitiger Schutz) ein aktuelles Schlagwort.
Und immer wieder betonen Vertreter indigener Völker, daß die Unterschiede und Problemstellungen in den einzelnen Ländern zu komplex seien, um mit einem vereinfachten Modell operieren zu können.
2.3 Rechtsschutz im Rahmen der ILO .:
oben :.
ILO-Konventionen, die sich direkt an indigene Völker und
ihre sozialen, kulturellen und wirtschaftlichen Rechte
richten:
Konvention Nr.107: "Über den Schutz und die Eingliederung
eingeborener (1957) Bevölkerungsgruppen und anderer in
Stämmen lebender oder stammesähnlicher
Bevölkerungsgruppen in unabhängigen
Ländern".
Konvention Nr.169: "Über Indigene und in Stämmen
lebende Völker in unabhängigen Ländern"
(1989)
ILO-Konventionen, die nicht direkt auf indigene Völker
Bezug nehmen, für diese aber gleichermaßen wichtig
sind:
ILO-Konvention Nr. 29
Konvention über Zwangsarbeit
(Forced Labour Convention)
In diesem Übereinkommen aus dem Jahre 1930, verpflichten sich alle Signatarstaaten, jegliche Art von Zwangsarbeit in kürzester Zeit auszumerzen.
ILO-Konvention Nr. 111
Konvention über Diskriminierung (Beschäftigung und
Arbeit)
(Discrimination (Employment and Occupation Convention)
Hierbei geht es um um die Förderung von Gleichberechtigung und Chancengleichheit unabhängig von Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, Religion, politischer Auffassung und nationaler Abstammung oder sozialer Herkunft im Hinblick auf "employment and occupation". Die Staaten verpflichten sich zur Ausarbeitung von entsprechenden Grundsatzprogrammen.
ILO-Konvention Nr. 141
Konvention über Landarbeiter-Organisationen
(Rural Workers' Organizations Convention)
"All persons working in agriculture - whether as wage earners or
self-employed - have the right to establish and to join their own
choosing, which shall be independent and voluntary in character.
Ratifying States shall encourage the organization of rural
workers and ensure their participation in decision-making process
affecting them"
ILO-Konvention Nr. 142
Human Resources Development Convention
In dieser Konvention verpflichten sich die unterzeichnenden
Staaten Grundbestimmungen und Programme zur Berufsberatung -und
ausbildung auszuarbeiten.
ILO-Konvention Nr.110
Plantation Convention
Dieses Übereinkommen definiert die Arbeitsbedingungen und
-mechanismen auf Plantagen in tropischen und subtropischen
Klimaregionen, in denen aus kommerziellen Gründen spezielle
Früchte gepflanzt oder gezüchtet werden.
ILO-Konvention Nr.138
Konvention über das Mindestalter
(Minimum Age Convention)
Die Signatarstaaten verpflichten sich, das Verbot von
Kinderarbeit und ein progressives Anheben des Mindestalters
für die Arbeitszulassung gesetzlich zu definieren.
(Quelle: Tomei/Swepston, ILO-Guide (FN10) geben als Quelle die "Summaries of International Labour Standards, second edition (Geneva, updated in 1990)" an)
2.4 Andere internationale Instrumente zum Schutz
indigener Völker
1990 Strategies and Procedures on Socio-Cultural Issues
Inter-American Development Bank (IDB,Washington D.C.)
1991 Operational Directive 4.20. Indigenous Peoples World Bank
(Washington D.c.)
1992 Agreement establishing the Fund for the Development of the
Indigenous Peoples of Latin America and the Caribbean (II. Summit
Meeting of the Ibero-American Heads of States, Madrid)
1992 "Convention on Biodiversity" and "Agenda 21" (UNCED, Rio de
Janeiro)
1993 Indigenous Peoples in the Netherlands Foreign Policy and
Development Cooperation (Ministry of Foreign Affairs, The
Hague)
1994 Strategy for Danish Support To Indigenous Peoples
(Copenhagen)
1995 Draft Working Paper on Indigenous Peoples Asian Development
Bank (ADB, Manila)
1998 Arbeitsdokument zur "Unterstützung indigener
Völker im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit"
(EU-Kommission)
3. DIE ILO UND IHR SCHUTZ DER INDIGENEN VÖLKER
DURCH DIE AUSARBEITUNG DER KONVENTION NR.169 .:
oben :.
3.1 Die ILO und die Konvention Nr.107
3.1.2 Die ILO und ihre Aktivitäten bezüglich
indigene Völker bis hin zur Vorläufer-Konvention Nr.
107
"Der Weltfriede kann auf die Dauer nur auf sozialer
Gerechtigkeit aufgebaut werden", heißt es in der
Präambel der ILO (International Labour Organisation). Die
ILO, die 1919 zur Zeit des Völkerbundes entstanden und seit
1949 als erste Sonderorganisation der UNO angegliedert ist,
zählt zu den ältesten internationalen Organisationen
mit langjähriger Erfahrung in der Entwicklung von
internationalen Rechtsstandards. Im Gegensatz zu anderen
internationalen Organisationen, in denen Mitgliedstaaten
ausschließlich von den Regierungen vertreten werden, ist
die ILO dreigliedrig aufgebaut: neben den Regierungen, haben die
repräsentativsten Arbeitnehmer- und
Arbeitgeberorganisationen eines jeden Staates einen
gleichberechtigten Status und ein Stimmrecht in allen
Entscheidungsorganen der ILO.
Die Arbeitnehmer- und Arbeitgebergruppen haben eigene interne
Strukturen und autonome Verfahrensweisen.
"Um ihre Ziele (Förderung der sozialen Gerechtigkeit durch Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, Schaffung neuer Beschäftigungsmöglichkeiten, Anerkennung grundlegender Menschenrechte) zu erreichen, agiert die ILO auf drei Ebenen: 1. Schaffung internationaler, völkerrrechtlich verbindlicher Normen und Empfehlungen. Um die Effizienz ihrer Arbeit zu gewährleisten, konzentriert sich die ILO künftig auf die Durchsetzung bestimmter Kernkonventionen: das Verbot von Zwangsarbeit, die Vereinigungsfreiheit [...] 2. Internationale technische Zusammenarbeit. Die ILO leistet Unterstützung sowohl in Ländern der Dritten Welt wie auch in den Transformationsstaaten Mittel- und Osteuropas. [...] Mit der Durchführung der Programme sind etwa 600 Experten betraut. 3. Forschung, Dokumentation und Informationsvermittlung in den Bereichen Sozialpolitik, Arbeitsrecht und Arbeitswissenschaft."
Seit ihren Enstehungstagen hat sich die ILO auch mit den
Arbeits- und Lebensbedingungen indigener Völker
beschäftigt. 1921 führte sie Studien über die
Arbeitsbedingungen von indigenen und in Stämmen lebenden
Völkern durch, " particularly the forced labour of so-called
'native populations' in colonies". 1930 entsteht die "Konvention
über Zwangsarbeit". Von 1952 bis 1972 erfolgt unter der
Leitung der ILO "The Andean Indian Programme", das in
Argentinien, Bolivien, Chile, Kolumbien, Ecuador, Peru und
Venezuela eingeführt wird und 250.000 Menschen indigener
Völker betrifft. 1953 wird das ILO-Buch "Indigenous Peoples:
Living and Working Conditions of Aboriginal Populations in
Indipendent Countries" veröffentlicht. Die Autoren
entschieden, "the complex problem of a priori-definitions of
indigenous" beiseite zu lassen. Die Publizierung einer
Ergänzungsbeilage über "nomadic and semi-nomadic
populations" kam nicht zustande.
Auf ihrer 40ten ILO-Sitzung im Jahre 1957 nahm die ILO zwei
Texte "on indigenous and other tribal and semi-tribal populations
in independent countries" an, die schließlich zur
ILO-Konvention Nr.107 führten.
3.1.3 Die ILO-Konvention Nr.107 und die Notwendigkeit
ihrer Revision .: oben :.
Diese Konvention, "The Indigenous and Tribal Populations
Convention", die nahezu einstimmig von der internationalen
Arbeitskonferenz angenommen wurde, war der erste Versuch, die
Rechte indigener Völker im internationalen Recht zu
kodifizieren. Folgende 27 der 160 ILO-Mitgliedstaaten haben die
Konvention unterzeichnet:
Ägypten, Angola, Argentinien, Bangladesh, Belgien, Bolivien, Brasilien, Costa Rica, Domenikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Ghana, Guinea-Bissau, Haiti, Indien, Irak, Kolumbien, Kuba, Malawi, Mexiko, Panama, Pakistan, Paraguay, Peru, Portugal, Syrien und Tunesien.
Im Vordergrund stand demnach "der Schutz und die Integration eingeborener Bevölkerungsgruppen und anderer in Stämmen lebender oder stammesähnlicher Bevölkerungsgruppen in unabhängigen Ländern" . Die Konvention bestand aus 37 Artikeln, die folgendermaßem aufgeteilt waren: allgemeine Grundsätze - Landfrage - Anwerbungs- und Beschäftigungsbedingungen - Berufsbildung, Handwerk und ländliches Gewerbe - soziale Sicherheit, Gesundheitswesen - Bildungswesen und Kommunikationsmittel - Verwaltung - allgemeine Schlußbestimmungen.
Die Konvention stützte sich im wesentlichen auf zwei
Säulen: Schutz und Integration.
Beide wurden im Übereinkommen als zusammenhängende
nicht widersprüchliche Ausdrücke angeführt.
Bezüglich der Integration gab es zwei
Einschränkungen:
Zum einen wurde jede Verwendung von Gewalt und Zwang, die der
Intergration dieser Bevölkerungen in das Staatsgefüge
förderlich sein sollte, ausgeschlossen, zum anderen jede
Maßnahme in Richtung künstlicher Assimilierung.
Unter dem Begriff Schutz waren zwei Formen gemeint: ein
befristeter und ein dauerhafter Schutz.
Die erste Form von Schutz kam in jenen Situationen zur
Anwendung, in denen "die Notwendigkeit für einen besonderen
Schutz" bestand, d.h. wenn die betroffenen Bevölkerungen
noch nicht das nötige Integrationslevel erreicht hattenen
"to enjoy the benefits of the general laws of the society to
which they belonged". Wurde jedoch das Level mit Hilfe von
speziellen Schutzmaßnahmen erreicht, so wurde jede
Fortwährung dieses Schutzmechanismußes als ein
unerwünschter "Zustand der Segregation" angesehen.
Der dauerhafte Schutz beruhte auf dem Prinzip der
Nicht-Diskrimination. Dieses Prinzip wurde mit der Verpflichtung
gekoppelt, Erziehungsmaßnahmen in die Wege zu leiten um
eventuelle Vorurteile gegen indigene Bevölkerungen zu
beseitigen.
Im Gegensatz zur ILO 169 fußte die ILO Nr.107 auf der
Annahme, daß den "indigenen und in Stämmen lebenden
Bevölkerungen" nur eine vorübergehende Existenz
beschienen war und sie im Zuge der Modernisierung zum
"Verschwinden" verurteilt waren, während die ILO169 bereits
von "permanent societies" spricht .
Auch spricht letztere von "indigenen Völkern" ("indigenous
peoples"), während die ILO Nr.107 den Begriff "indigene
Bevölkerungen" ("Indigenous populations") verwendet. Diese
richtet sich im Übereinkommen auch klar an "Mitglieder"
indigener Völker, was offensichtlich auf ihre Vorstellung
einer progressiven Integration der indigenen Völker in ihre
jeweiligen Staaten zurückzuführen ist - eine
Integration, die sich leichter mit bloßen "Mitgliedern"
denn mit ganzen "Bevölkerungen" bewerkstelligen
läßt. Jeglicher Ansatz von Autonomie blieb dieser
Konvention fern.
Im Laufe der Jahre wurde der anachronistische Charakter der ILO
Nr.107, die in den 40er und 50er Jahren als progressiv galt,
offensichtlich.
In den 60er und 70er Jahren wuchs das Bewußtsein der
indigenen Völker und ihre Präsenz auf internationaler
Ebene, was schließlich 1986 auf einem ILO-Expertentreffen
zur offiziellen Empfehlung einer Revision des Übereinkommens
Nr.107 führte, mit der Feststellung, "that the
integrationist approach af the Convention was obsolete and that
its application was detrimental in the modern world".
Bei der Eröffnungssitzung des Revisionskommitees, beschrieb Aamir Alí, der Generaldirektor, die Philosophie der ILO Nr.107 gar mit dem Wort "widerlich" (repugnant).
Wie bereits erwähnt, verläuft das Verfahren zur Entwicklung von internationalen Rechtsstandards auf einer dreigleisigen Struktur-ebenebene: Entscheidend sind die Stimmen der Regierungen als Vertreter der jeweiligen Staaten, weiters die Arbeitnehmer- und die Arbeitge-berorganisationen. NGOs haben kein formales Recht auf eine Beteiligung an der Generalversammlung. NGOs, die an die ILO angegliedert sind oder solche, die als Beobachter akkreditiert sind, dürfen unter bestimmten Voraussetzungen mündliche und schriftliche Eingaben machen. Bisher wurden Genehmigungen aber nur in seltenen Fällen erteilt. In der Folge wurde den eigentlichen Nutznießern dieses Rechtsinstruments, den indigenen Völkern, keine eigene Rolle im Revisionsprozess gewährt (infra). Die Revision, die in den Jahren 1988 und 1989 stattfand, führte schließlich zur ILO-Konvention Nr.169, die am 7. Juni 1989 vom Plenum der Internationalen Arbeitskonferenz angenommen wurde.
3.1.4 Die "Beteiligung" indigener Völker an der
Revision der ILO-Konvention Nr.107 .: oben
:.
Es bleibt ein tragisches Charakteristikum des
Revisionsprozesses, daß einerseits die ILO-Normen für
Bevölkerungsgruppen ausgearbeitet wurden, die in den Organen
und Gremien dieser Organisation nicht vertreten sind,
andererseits auch keine indigene Organisationen an den Debatten
über die einzelnen Textstellen teilnehmen durften.
Nach den Worten des Präsidenten des IWGIA (International
Work Group on Indigenous Affairs) "wurden die Vertreter indigener
Völker an den Rand der Konferenzhalle degradiert, wo sie
entgeistert miterleben mußten, wie über ihre
grundlegenden Rechte diskutiert, debattiert, gefeilscht und -
nicht selten- dieselben Rechte verworfen wurden."
Auch wenn die ILO 1987 auf der Sitzung der UN-Working Group
Vertreter indigener Völker zur Teilnahme an der Revision der
ILO Nr.107 eingeladen hatte, so konnten gemäß
ILO-Reglement doch nur indigene NGOs mit internationalem Status
akkreditiert werden, während national tätige NGOs nicht
einmal als Beobachter zugelassen wurden. Dabei hatten gerade
diese einen direkten Einblick in die aktuelle Situation und die
Forderungen ihrer Völker. So konnte sich schlußendlich
nur eine kleine Anzahl indigener Organisationen zusammen mit
Survival International und die IWGIA als Beobachter an der
ILO-Generalversammlung beteiligen.
Neben den 10 Minuten, die jeder Organisation für eine
Stellungnahme zustand, durften sich alle Organisationen gemeinsam
10 Minuten lang zu jeder Kategorie von Artikeln
äußern. Ansonsten wurde den indigenen Vertretern kein
direkter Einfluß am Revisionsprozess gewährt.
Eine indirekte Beteiligung fand über die verschiedenen Arbeitergremien statt, die es den indigenen Vertretern entgegen jeder Tradition erlaubten, sich an ihren Versammlungen zu beteiligen und Vorschläge einzubringen, die dann von der Gewerkschaft vor das Redaktionskomitee gebracht wurden. Dieses Komitee, das für die Konferenzen der Jahre 1988 und 1989 geschaffen wurde, bestand aus Vertretern aller drei ILO-MItgliedsgruppen. Einen bemerkenswerten Enfluß hatten die Vertreter indigener Völker, die in die offiziellen Regierungs- und Gewerkschaftsdelegationen aufgenommen wurden.
Trotz ihrer marginalen Rolle versuchten die indigenen Vertreter den täglichen Kontakt zu den verschiedenen Arbeitergremien und sympathisierenden Regierungsvertretern. In der zweiten Sitzungswoche des Redaktionskomitees gaben die Vertreter der National Coalition of Aboriginal Organization (Australien) aus Protest offiziell ihren Austritt aus dem Revisionsprozess bekannt. In ihrer Begründung lehnten sie wesentliche Entscheidungen des Komitees ab, kritisierten das Fehlen einer wirklichen Beteiligung indigener Völker und warfen der ILO vor, die dürftige indigene Präsenz für die Legitimierung des Revisionsprozesses zu mißbrauchen .
Mag sein, daß die ILO den Austausch mit indigenen Völkern suchte, Vorschläge für die Revision entgegennahm , ihre Statuten zugunsten einer limitierten indigenen Beteiligung umformte, das lateinamerikanische Regionalbüro Beratungen mit indigenen Vertretern durchführte: von einer rechtmäßigen, angemessenen Beteiligung der indigenen Völker an der Revision des "Übereinkommens über indigene und in Stämmen lebende Bevölkerungsgruppen" kann nicht die Rede sein.
3.4 Die ILO-Konvention Nr.169 .: oben :.
3.4.1 Einführung
Die ILO 169 wurde am 27. Juni 1989 nach zwei Lesungen in
aufeinanderfolgenden Sitzungen vom Plenum der internationalen
Arbeitskonferenz mit 328 zu 1 Stimme (49 Enthaltungen) angenommen
und trat am 5.September 1991 in Kraft. Im Gegensatz zur
Vorläuferkonvention Nr.107, die einen integrationistischen
und assimilatorischen Charakter aufweist, basiert die ILO 169 auf
den beiden Grundkonzepten "preservation" (Erhaltung) und
"participation" (Beteiligung). Dandler benützt für
"preservation" das Wort Respekt. Respekt gegenüber der
Kultur, der Religion, der sozialen und ökonomischen
Organisation und der eigenen, indigenen Identität.
Trotz aller Vorbehalte - vor allem von seiten der Betroffenen -
ist die ILO 169 das bislang umfassendste völkerrechtliche
Abkommen zum Schutz indigener Völker und die einzige
völkerrechtliche Norm, die ihnen ihre eigenen Rechte
zuerkennt und den Regierungen entsprechende Mindeststandards
auferlegt.
Die Konvention richtet sich direkt an die zirka 300 Millionen
Menschen, die indigenen Völkern angehören.
Bisher haben erst 13 der 173 Mitgliedstaaten der ILO die
Konvention unterzeichnet: Bolivien, Kolumbien, Costa Rica,
Dänemark, Ecuador, Fiji, Guatemala, Honduras, Mexiko,
Niederlande, Norwegen, Paraguay und Peru.
Viele westliche Industrienationen, darunter auch die Bundesrepublik Deutschland, lehnen eine Ratifikation mit der Begründung ab, daß auf ihrem Territorium keine indigenen Völker leben. Dabei können europäische Staaten aufgrund der Globalisierung, der Wirtschafts- und Entwicklungszusammenarbeit einen enormen Einfluß auf die indigenen Völker nehmen.
3.4.2 Gliederung der ILO 169 .: oben
:.
Die ILO 169 ist in drei Hauptteile gegliedert:
Teil (I) - Allgemeine Grundsätze, beinhaltet
Grundsätze und Bedingungen, an die sich Regierungen im
Umgang mit indigenen Völkern zu halten haben.
Artikel 1 richtet sich und definiert indigenous and tribal peoples (supra 1.2.2). Unter Paragraph 3 wurde - mit den Worten Kluges - der Begriff "Volk" im völkerrechtlichen Sinne "entschärft" und und in letzter Minute quasi als Notbremse das Wort "Völker" per definitionem zu "Bevölkerung" umerklärt.
Den allgemeinen Grundsätzen entsprechend, haben die Regierungen die Aufgabe, die Adressaten der ILO 169 anhand objektiver Kriterien und anhand der Selbst-Identifizierung der indigenen Völker zu bestimmen. Weiters haben sie Maßnahmen zu ergreifen um die Gleichberechtigung zu gewährleisten und eine Diskriminierung zu vermeiden. Bei der Rechtsetzung sind Gewohnheiten und Gewohnheitsrecht indigener Völker zu berücksichtigen. Den Regierungen obliegt es, hinsichtlich der Kooperation mit indigenen Völkern, der Konsultation und Information, angemessene Infrastrukturen, Mechanismen und Vorgangsweisen zu schaffen.
Den indigenen Völkern werden im Teil(I) folgende Rechte zuerkannt:
- das Recht auf Inanspruchnahme und volle Gewährleistung
der
Menschenrechte und Grundfreiheiten ohne Unterschiede
(Art.2,3)
- das Recht auf Gleichberechtigung vor Verwaltung und
Justiz
(Art.2,8,9,12))
- das Recht auf einen umfassenden Schutz der
Individualrechte
(Art.4)
- das Recht auf kulturelle Identität (Art.4,5)
- das Recht auf gemeinschaftliche Strukturen und Traditionen (Art.4,5)
- das Recht auf Beteilung bei der Findung von Entscheidungen,
die diese
Völker betreffen (Art.6)
- das Recht die eigene wirtschaftliche, soziale und
kulturelle
Entwicklung selbst in die Hand zu nehmen (Art.7)
- bei der Rechtsprechung sind die bei den betreffenden
Völkern üblichen
Methoden zur Ahndung von strafbaren Handlungen und die
wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Besonderheiten
zu
berücksichtigen. (Art.9,10)
- das Recht sich frei für persönliche
Dienstleistungen zu entscheiden
(Art.11)
(Einige aufgezählte Rechte stammen aus dem Appell der
GfbV zur Unterzeichnung der ILO 169
- von Gerlach, I. - www.gfbv.de/inhaltsDok.php?id=443,
(17.10 1998)
Teil (II) - Themenspezifische Bestimmungen, befaßt sich
detailliert mit folgenden substantiellen Themenbereichen:
(a) Grund und Boden (infra3.5.1)
(b) Anwerbung und Beschäftigungsbedingungen
(c) Berufsbildung, Handwerk und ländliche Gewerbe
(d) Soziale Sicherheit und Gesundheitswesen
(e) Bildungswesen und Kommunikationsmittel
(f) Grenzüberschreitende Kontakte und
Zusammenarbeit
Teil (III) - Allgemeine Verwaltungsbestimmungen, zählt die verschiedenen administrativen Maßnahmen auf, die die Staaten zu ergreifen haben um den Bestimmungen der Konvention Folge zu leisten. Die Staaten werden aufgefordert, durch entsprechende Infrastrukturen und Maßnahmen ihren durch die Ratifizierung der ILO 169 entstandenen Pflichten nachzukommen. Dies erfolgt auf flexible Art und Weise und mit Rücksicht auf die Situation und die Besonderheit eines jeden Landes.
3.5 "Grund & Boden" .: oben :.
3.5.1 Das Recht auf Land und Ressourcen (Art.13-19 der
ILO169)
Wie bereits der Begriff "peoples" - gekoppelt mit der Frage der
Selbstbestimmung - führte auch die Definierung von "land" im
Jahre 1988 beim Revisionsprozeß der Konvention Nr.107 zu
einem terminologischen Rechtsstreit.
Die Landrechtsfrage stellte in den ILO-Debatten zwischen den einzelnen Regierungen, Arbeiter- und Arbeitgebergremien ein derart kontroverses Problem dar, daß man erst 1989 zu einer Lösung fand.
Die Vertreter indigener Völker wollten den Begriff des "Territoriums" in der Nachfolgerkonvention verankert sehen und wiesen darauf hin, daß dieser Begriff bereits in der Konvention Nr.107 Verwendung gefunden hatte. Auf diese Weise, meinten sie, würde man auch die spirituelle und emotionale Bindung zu ihrem Land anerkennen. Einige Regierungen sahen jedoch darin eine Beschneidung ihrer Souveränitätsrechte und wiesen auf die Inkompatibilität mit ihrer Verfassung hin.
In Lateinamerika besitzen Gebietskörperschaften wie die Provinzen, die Munizipien usw. politische Kompetenzen oder Jurisdiktion in bestimmten geographischen Territorien innerhalb von Staaten, ohne daß die Staaten dies als Beschränkung ihrer Souveränität empfinden. In allen diesen Fällen ersetzt das Kriterium der "Kompetenz" das des Eigentums.
In vielen Ländern ist mit "Territorium" das gesamtstaatliche Gebiet gemeint. Schließlich einigte man sich darauf, nur an den Begriff "Land" Rechte zu knüpfen, während man auf das "Territorium" - dem mehr eine beschreibender und symbolischer Charakter zukommt - dann zurückgreift, wenn es um bestimmte grundlegende Fragen des Landes geht.
Der Begriff Territorium muß klar und deutlich vom Konzept "Land" unterschieden werden:
"Territorium befindet sich unter dem kulturellen Einfluß und der politischen Kontrolle eines Volkes.
Land hingegen befindet sich auf einem Teil innerhalb dieses territorialen Raumes; es kann angeeignet werden durch Individuen oder durch juristische Personen, und zwar unter der Rechtform von Individual -oder Kollektiveigentum.
Territorium ist das Recht von Völkern, Land ist das Recht von Personen. Ersteres gibt Kontrolle über Ressourcen und soziale Prozesse; Letzteres gibt Anrechte auf wirtschaftliche Nutzung ohne Interferenz durch dritte Personen."
Rossbach weist auch darauf hin, daß bei der
verbindlichen deutschen Übersetzung der Begriff
"territorium" einfach gestrichen wurde.
"Grund und Boden" lautet denn auch im 2.Teil der ILO 169 die
verbindliche Übersetzung von "land".
Artikel 13 § 2 determiniert:
"Die Verwendung des Ausdrucks "Land" in den Artikeln 15 und 16 schließt den Begriff der Gebiete ein, der die gesamte Umwelt der von den betreffenden Völkern besiedelten oder anderwertig genutzten Flächen umfaßt."
Grundsätzlich postuliert die ILO 169 von den Konventionsstaaten die Achtung und Anerkennung:
- der besonderen Beziehung indigener Völker zu ihrem Land, das für sie nicht nur eine Rohstoffquelle darstellt, und die kollektiven Aspekte dieser Beziehungen. (Artikel13 §1)
- "die Eigentums- und Besitzrechte der betreffenden Völker an dem von ihnen von altersher besiedelten Land" " (Artikel14 §1)
- ihr Recht an den natürlichen Ressourcen ihres Landes. "Diese Rechte schließen das Recht dieser Völker ein, sich an der Nutzung, Bewirtschaftung und Erhaltung dieser Ressourcen zu beteiligen." (Artikel15 §1)
Gegenüber dem Einwand verschiedener NGOs, daß Landrechte ohne Ressourcen stets eine Bedrohung indigener Völker durch Dritte darstellen, zeigten die in der ILO vertretenen Regierungen und Gewerkschaften keine Kompromißbereitschaft und beharrten darauf, daß Ressourcen, Bodenschätze und Waldbestände nationales Patrimonium und nicht Gegenstand indigener Sonderrechte seien.
Ein paar Jahre später, 1992, auf der Sommersitzung der UNWGIP in Genf, meinte Ernest Rodríguez, Delegierter des Council of Energy Resource Tribes in Denver/Colorado:
"Die Staaten handeln, als könnten sie uns über einen Kompromiß Landrechte zugestehen. Sie haben aber in unseren Augen nicht die Macht, über Land, Erde oder das Wetter zu verfügen. Sie verfügen allerdings über Brutalität, sie haben die militärische und wirtschaftliche Gewalt, uns von den grundlegenden Dingen unseres Lebens fernzuhalten."
Auch wenn man indigenen Völkern keinen völligen Schutz gegen nichtgewollte Nutzung einräumt, so sind die in der ILO vertretenen Staaten doch aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen
- "um das Recht der betreffenden Völker zur Nutzung von Land zu schützen, das nicht ausschließlich von ihnen besiedelt ist, zu dem sie aber im Hinblick auf ihre der Eigenversorgung dienenden und ihre traditionellen Tätigkeiten von alters her Zugang haben. Besondere Aufmerksamkeit ist diesbezüglich der Lage von Nomadenvölkern und Wanderfeldbauern zu schenken." (Art.14 §1)
- bezüglich Schutz und Bestimmung ihrer Eigentums- und Besitzrechte (Art.14 § 2)
Bei der Ausbeutung der mineralischen und unterirdischen Ressourcen und der Rechte an den anderen Ressourcen des Landes, müssen die betreffenden Völker in staatlich festgelegten Verfahren konsultiert werden. Diese Regel wird in der "Draft Universal Declaration" als "Pflicht" bezeichnet
Artikel 16 betrifft das Verbot von Aus- und Umsiedlung.
"2. Falls die Umsiedlung dieser Völker ausnahmsweise als
notwendig angesehen wird, darf sie nur mit deren freiwilliger und
in voller Kenntnis der Sachlage erteilter Zustimmung stattfinden.
Falls ihre Zustimmung nicht erlangt werden kann, darf eine solche
Umsiedlung nur nach Anwendung geeigneter, durch die
innerstaatlich Gesetzgebung festgelegter Verfahren,
gegebenenfalls einschließlich öffentlicher
Untersuchungen, stattfinden, die den betreffenden Völkern
Gelegenheit für eine wirksame Vertreteung bieten.
3. Wann immer möglich, müssen diese Völker das
Recht haben, in ihr angestammtes Land zurückzukehren, sobald
die Umsiedlungsgründe nicht mehr bestehen.
4. Ist eine solche Rückkehr nicht möglich, wie
einvernehmlich oder mangels Einvernehmen durch geeignete
Verfahren festgestellt, ist diesen Völkern in allen in Frage
kommenden Fällen als Ersatz für ihren früheren
Landbesitz Grund und Boden von mindestensgleich guter
Beschaffenheit und mit mindestens gleich gutem Rechtsstatus
zuzuweisen, dessen Betrag ihre gegenwärtigen
Bedürfnisse deckt und ihre künftige Entwicklung
sicherstellt. Ziehen die betreffenden Völker eine
Entschädigung in Form von Geld- oder Sachleistungen vor, so
ist ihnen eine solche Entschädigung unter Gewährung
angemessener Garantien zuzusprechen.
5. Den auf diese Weise umgesiedelten Personen ist für jeden
durch diese Umsiedlung entstandenen Verlust oder Schaden voller
Ersatz zu leisten."
Die Konventionsstaaten werden weiters aufgefordert, Maßnahmen zu ergreifen um zu verhindern, daß Dritte die Bräuche und Gesetzesunkenntnis indigener Völker ausnutzen, "um Eigentums-, Besitz- oder Nutzungsrechte an deren Grund und Boden zu erwerben" (Art.17 § 3) beziehungsweise "angemesse Strafen für unbefugtes Eindringen und Nutzen festlegen." (Art.18)
Auch sind die "von den betreffenden Völkern festgelegten Verfahren für die Übertragung von Rechten an Grund und Boden unter Angehörigen dieser Völker zu achten" (Art.17 § 17) und "die betreffenden Völker sind zu konsultieren, wenn ihre Befugnis geprüft wird, ihr Land zu veräußern oder auf andere Weise ihre Rechte daran an Personen außerhalb ihrer eigenen Gemeinschaft zu übertragen."(Art.17 Abs 2)
Artikel 19 postuliert schließlich die Gleichberechtigung bei staatlichen Agrarprogrammen.
3.5.2 Das besondere Verhältnis indigener
Völker zu ihrem Land
Im Gegensatz zu westlichen Auffassung, sehen indigene
Völker ihr Land in erster Linie nicht als Rohstoffquelle
oder als Eigentum. Die Beziehung zu ihrem Land ist
religiöser, spiritueller und emotionaler Natur. Land ist
für diese Völker nicht nur Grundlage ihrer physischen
Existenz, sondern auch Quell ihrer Kultur und Identität ,
verleiht der indigenen Gemeinschaft ihr typische
Zusammengehörigkeitsgefühl.
Im Gegensatz zu privaten Eigentumsrechten, liegen Landbesitz und
Landverteilung laut Heinz bei indigenen Völkern
größtenteils in den Händen der gesamten
Gemeinschaft. In der Regel ist Land unter traditionellen
Verhältnissen unveräußerbar und kann nicht durch
Kauf erworben werden. Vielmehr erhalten Einzelpersonen und
Haushalte Nutzungsrechte über Teile des Gemeischaftslandes,
die ihnen durch die Zugehörigkeit zur Gruppe oder über
verwandschaftlich geregelte Erbrechte zukommen. Auch wenn die
beschriebene indigene Beziehung zum Land heute noch gültig
ist, so räumt der Autor doch ein, daß aufgrund des
erheblichen Anpassungsdrucks, dem indigene Völker seit der
Kolonialzeit ausgesetzt sind, sich daneben auch verschiedentlich
westliche Besitzkonzepte durchgesetzt haben.
So kommt auch Martinez Cobo in seiner Studie zum Schluß, daß für die indigenen Völker Land nicht einfach eine erwerbbare Handelsware ist.
1997, auf der 15. Sitzung der UNWGIP machte auch die
griechische Vorsitzende Daes in ihrem vorläufigen Bericht
über indigene Völker und ihr Verhältnis zum Land
anhand vieler Beispiele darauf aufmerksam, wie unterschiedlich
dieses Verhältnis von dem westlicher Kultur ist und
beschreibt u.a., wie frühere diesbezügliche
Untersuchungen ohne indigene Partizipation einen eigentlichen
Einblick vermissen ließen.
In der Folge möchte ich ein paar Vertretern indigener Völker zitieren, die auf verschiedene Art und Weise das besondere Verhältnis dieser Völker zu ihrem Land ausdrücken:
"Jeder Teil dieser Erde ist meinem Volk heilig, jede
glitzernde Tannennadel, jeder sandige Strand, jeder Nebel ind den
dunklen Wälden, jede Lichtung, jedes summende Insekt ist
heilig, in den Gedanken und Erfahrungen meines Volkes. Der Saft,
der in den Bäumen steigt, trägt die Erinnerung des
roten Mannes."
[Häuptling Seattle in seiner Rede an den "Großen
Vater in Washington"]
"Die Erde ist das Fundament indigener Völker. Sie ist die
Basis unserer spiritueller, die Grundlage unserer Kultur und
Sprache. Die Erde ist unsere Geschichtsschreiberin, die
Bewahrerin unserer Ereignisse und der Gebeine unserer Ahnen. Sie
bietet uns Nahrung, Medizin, Herberge und Kleidung. Sie ist die
Quelle unserer Unabhängigkeit. Sie ist unsere Mutter. Wir
beherrschen sie nicht: Wir müssen mit ihr harmonieren. Nach
dem Erschießen ist die sicherste Art, uns zu töten,
uns von unserem Land zu trennen."
[Weltrat der Indigenen Völker Genf 1985]
"Ihr habt die Welt, laßt uns den Wald!" [Appell der Penan aus Borneo]
"Dieses Land hält uns zusammen. Zu diesem Land
gehören wir - es ist Gottes Gabe an uns und hat uns zu dem
gemacht, was wir sind. Auf diesem Land sind wir zuhause, es ist
uns vertraut. Die Dinge, die sich hier ereignet haben, sind
bewahrt in unserer Erinnerung, und die Erzählungen der Alten
leben in diesem Land fort. Wir brauchen dieses Land für
diejenigen, die nach uns kommen - wir werden mehr und wir
müssen neue Siedlungen bauen an neuen Plätzen. Wenn wir
weichen müssen, werden wahrscheinlich andere Leute
hierherkommen, so daß wir uns nicht mehr frei bewegen und
niederlassen können, wo wir wollen und wie es für uns
nötig ist. Das Land wird nicht mehr ausreichen für
unser Volk, es wird arm und karg werden. Hier auf diesem Land
wissen wir, wo die Dinge zu finden sind, mit denen es uns
versorgt [...] Die Geister in der Umgebung kennen uns und sind
freundlich und hilfsbereit. Dieses Land hält uns zusammen,
es umschließt uns mit seinen Bergen. So begreifen wir,
daß wir [...] ein Volk sind, das auf einem bestimmten Land
seine Heimat hat. Wenn wir weichen müßten, gingen wir
denen, die in den anderen Dörfern zurückbleiben,
verloren. Dies würde Traurigkeit über uns bringen, eine
Traurigkeit ähnlich der des Todes. Diejenigen, die
umzögen, würden Fremde sein für die Menschen und
Geister jener Orte, an die man sie versetzte."
[Akawaio -IndianerInnen aus Guyana]
"If we haven't got land rights, what've we got to manage anyway?" [Ein Anführer der Yarrabah, einer Aborigines-Gemeinschaft in Queensland, Australien]
Die Anerkennung ihrer seit altersher genutzten Gebiete und
ihres moralischen und historischen Anspruchs darauf, gehören
demnach zu den primären Postulaten indigener Völker,
die nur durch die Gewährung von Landtiteln erfüllt
werden können. Vor dem Hintergrund von Völkermord,
Zerstörung traditioneller Lebensgrundlagen durch Abholzung,
Bergbau, Staudämme, Atomtests u.a. kann deshalb laut GfbV
nur die Festschreibung von Landtiteln das physische und
kulturelle Überleben dieser Völker sichern.
Aber die verbrieften Rechte der indigenen Völker werden am
laufenden Band übergangen und eine Umsetzung bzw.
Demarkierung der indigenen Territorien zieht sich in die
Länge:
Zur 500-Jahr-Feier der "Entdeckung" Brasiliens sollten alle indianischen Gebiete vermessen und abgegrenzt sein, doch bis jetzt ist erst die Hälfte der Gebiete demarkiert. Beigetragen hat dazu unter anderem ein Zusatzdekret von 1996, das Privatpersonen und Firmen Einspruchrechte erlaubt. Jede Eingabe, sei sie auch noch so fadenscheinig, verzögert die Demarkationsarbeit. Die Regierung, klagen die NGOs, kürze ohnehin die Gelder der FUNAI (brasilianische Indianerbehörde), seit die G7-Staaten Anfang der 90er Jahre das Pilotprogramm für brasiliansiche Regenwälder eingerichtet haben, über das auch Demarkierungen finanziert werden.
Seit dem 15. Jahrhundert, der "Entdeckung" Amerikas und dem Beginn der europäischen Expansions- und Kolonisierungspolitik wurden indigene Völker in relativ kurzer Zeit entweder zu Minderheiten oder/und verloren die Kontrolle über ihr von altersher bewohntes Gebiet. In der Regel sind die damaligen Kolonisierungspraktiken nach heutigem Rechtsverständnis völkerrechtswidrig. Genauso haben die Erklärungsversuche wie das Recht des Entdeckers, die Eroberung sowie die Leugnung der vorher bestehenden Rechtsordnung rechtlich keinen Bestand. Ganz zu schweigen von der terra nullius -Doktrin, die 1975 im berühmten West-Sahara -Fall vom IGH ausdrücklich abgelehnt wurde.
Auch wenn man in der Staatengemeinschaft generell über
das Fortbestehen der Landrechte von indigenen Völkern
übereinstimmt, so ist - wie Heintze schreibt - der konkrete
Nachweis der Eigentumsansprüche oftmals sehr
kompliziert.
Obwohl in Erinnerung an die Kolonialpolitik doch manche
Unklarheit a priori behoben sein müßte.
3.6 Kontrolle und Einflußnahme der ILO169 als internationale Konvention .: oben :.
3.6.1 Einführung
Die ILO169 ist ein Übereinkommen, das durch die
Ratifizierung rechtlich bindend wird und vor diesem Zeitpunkt als
Leitfaden (guideline ) dient. Die Ratifizierung ist erst wirksam,
wenn die Zustimmung durch den Akt gebunden zu sein, förmlich
korrekt bei der ILO eingereicht wird und diese den
Einwilligungsakt annimmt und registriert.
Zunächst ist erwähnenswert, daß in den
Staaten
Ägypten, Angola, Argentinien, Bangladesch, Belgien, Brasilien, die Dominikanische Republik, El Salvador, Ghana, Guinea-Bissau, Haiti, Indien, Irak, Kuba, Malawi, Pakistan, Panama, Portugal, Syrien und Tunesien
die die ILO-Konvention Nr.107 ratifiziert haben, aber nicht
die ILO 169, die Vorläuferkonvention Nr.107 in Kraft ist.
Wenn ein Staat die Konvention Nr.107 ratifiziert hat und
beschließt, die ILO 169 zu unterzeichnen, hat letztere
Gültigkeit.
Die ILO sieht die Konvention Nr.169 als einen internationalen
Mindeststandart
"while holding the door open for higher standards in countries that can go further. It seeks to bring all those concerned - governments, organizations of indigenous and tribal peoples, and other non-governmental organizations - into the same dialogue. "
Auch Staaten auf deren Territorium sich keine indigenen
Völker befinden, sind aus solidarischen Gründen zur
Ratifizierung aufgefordert um sich im Rahmen der internationalen
Entwicklungszusammenarbeit für die indigenen Völker
einzusetzen.
Gegen wirtschaftliche und nationale Interessen, die indigenen
Rechte mißachten, hat die ILO keine
Sanktionsmöglichkeit.
"As an inter-governmental agency the ILO has no coercive power. The basic principles of ILO's supervisory procedures are dialogue and persuasion. These measures work because they are means of helping governments to achieve the goals they have voluntarily adopted on ratification. "
Besonders in Südamerika (infra 4.2) lassen sich am laufenden Band Fälle aufzählen, in denen Signatarstaaten die Bestimmungen der ILO 169 skrupellos verletzt hatten.
3.6.2 ILO-Kontrollmechanismen .: oben
:.
Durch die Ratifizierung der ILO 169 werden eine Reihe von
Kontrollmechanismen ausgelöst, die die Umsetzung des
Übereinkommens überprüfen. Grundsätzlich
setzt die ILO dabei auf "dialogue and persuasion."
Alle fünf Jahre - auch öfters wenn nötig -
reichen die Signatarstaaten bei der ILO Berichte ein, worin sie
über die legislative und praktische Umsetzung der
ILO169-Bestimmungen Rechenschaft ablegen. Alle Berichte werden
von einer unabhängigen Kommission von Rechtsexperten und
Sozialwissenschaftlern ausgewertet, die auch von den jeweiligen
Staaten Erklärungen und Informationen anfordern können.
Die Staaten sind zur Auskunft verpflichtet.
Neben Gewerkschaftsverbänden empfiehlt die ILO den
Regierungen, auch indigene Organisationen bei der Erstellung
ihrer Berichte zu konsultieren.
So sendet z.B. die norwegische Regierung ihren Bericht zuerst ans Parlament der Sami und reicht ihn dann als eine gemeinsame Abfassung bei der ILO ein. Die norwegische Regierung hat die ILO auch eingeladen, in einen parallelen Dialog mit den Sami zu treten, um die Umsetzungs- bzw. die Kontrollmechanismen der ILO 169 effektiver gestalten zu können.
Darüberhinaus haben die indigenen Völker die Möglichkeit, direkt oder über Gewerkschaftsverbände ihre eigenen Berichte an die ILO zu senden. Die unabhängige Expertenkommission leitet einmal im Jahr ihre in einem Bericht zusammengefaßten Entscheidungen an die dreigeteilte Konferenzkommission weiter, die die Regierungen auffordern kann, zur geschilderten Situation in ihrem Land Stellung zu nehmen.
Es liegt aber immer in der Entscheidungsgewalt der Regierung,
über die Art und Weise der Umsetzung der ILO-Bestimmungen
und der Absprache mit indigenen und in Stämmen lebenden
Völkern, zu verfügen.
Im Falle einer Inkompatibilität zwischen der Konvention und
dem nationalen Recht müssen entsprechende Maßnahmen
zur Anpassung - Art. 34 spricht von "flexibility in application"
- durchgeführt werden. Natürlich gibt es enorme
Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern und innerhalb
der Länder.
Bei Verstößen gegen die ILO 169 können
aufgrund der einzigartigen dreigeteilten Struktur der ILO keine
Individualbeschwerden entgegengenommen werden, sondern nur
solche, die von einer Regierung, einem Arbeitnehmer- oder einem
Arbeitgeberverband vorgebracht werden. Genauergenommen spricht
man bei Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberverbänden von
"Einsprüchen".
Abgesehen von indigenen Arbeitnehmer- oder
Arbeitgeberverbänden, müssen die indigenen
Organisationen deshalb ihre "Beschwerden" über die
Gewerkschaften einbringen.
In besonders schwerwiegenden Fällen kann die ILO von der sogenannten direct contacts-procedure Gebrauch machen, wobei die ILO in direkter Absprache mit der jeweiligen Regierung eine Art Untersuchungskomission in das betreffenden Land sendet um eine Lösung herbeizuführen. Immer besteht die Möglichkeit, bei der ILO technische Unterstützung anzufordern. Wird keine zufriedenstellende Lösung erreicht, werden die Untersuchungen fortgesetzt.
3.6.3 Einflußnahme auf nationale Rechtssetzung
und Politik .: oben :.
Viele Normen internationaler Rechtsinstrumente nehmen in ihren
Grundsätzen auf die ILO 169 Bezug, zitieren einzelne
Bestimmungen und Definitionen und sehen eine breite Ratifizierung
als ein erstrebenswertes Ziel an.
Im Guatemala, das 1996 die Konvention ratifiziert hatte, stellte die ILO 169 die Basis dar, auf der die Verhandlungen zwischen der Regierung und der URNG (Guatemalan Revolutionary Union) bauten und schließlich zum Agreement on Identity and the Rights of Indigenous Peoples führte.
In Rußland ließ die Duma auf der Basis der ILO 169 verschiedene legislative und praktische Maßnahmen zugunsten der indigenen Völker des Nordens ausarbeiten.
Auf den Philippinen wurde im Rahmen des Department of Labour and Employment (DOLE) die Auswirkung der ILO 169 im nationalen Kontext ermittelt..
In Marocco fand im November 1998 eine Konferenz statt, an der das Marokkanische Kulturministerium, TAMAYNUT [Organisation der Amazigh (Berber)] und die OMDH (Maroccan League for Human Rights Defence) teilnahmen und wo Vertreter der ILO eingeladen wurden um über die Grundsätze und die Philosophie der ILO169 zu referieren. Weitere Diskussionen sind geplant, sowie die Einführung der Berber -Sprache im Schulunterricht.
Die Niederlande gaben im Jahre 1993 ein Grundsatz-Papier
über "Indigenous Peoples in the Netherlands Foreign Policy
and Development Cooperation" heraus.
Im darauffolgenden Jahr veröffentlichte Dänemark den
"Danish Support to Indigenous Peoples".
Belgien erließ 1994 ein Grundsatz-Papier über
indigene Völker und Entwicklungszusammenarbeit.
Die Prinzipien und Bestimmungen der ILO169 spielen in der "Draft United Nations Declaration on the Rights of Indigenous Peoples" eine wesentliche Rolle.
Im Jahre 1995 hatte es Murrandoo Yanner, einer der
bekanntesten Aborigines-Aktivisten geschafft, den Bau eines neuen
Bergwerks im Wert von einer Milliarde australischer Dollar
während über zweier Jahre aufzuhalten, weil sein Stamm
angeblich nicht genügend konsultiert und entschädigt
worden war. Das Unternehmen wird dem einige hundert Personen
zählenden Stamm 90 Millionen Dollar für die
Überlassung des Landes bezahlen.
Die Konsultationspflicht ist ein grundlegendes Prinzip der
ILO169, das im Artikel 15 §2 verankert ist.
Um sicher zu gehen, daß kein im Rahmen der UNO
erstellter Rechtsstandard unter den von der ILO vorgegebenen
Mindeststandard fällt, stellt die ILO laufend genaueste
Untersuchungen an. Auf Anfragen von Regierungen und
Organisationen gibt sie Informationen und Erklärungen
ab.
So beteiligt sich die ILO bereits seit 1982 an den Treffen der
UNWGIP in Genf und hat sich schon bei mehreren Gelegenheiten zu
einzelnen Deklarations-Entwürfen geäußert. Auf
dieselbe Weise beteiligte sich die ILO auch am "Amerikanischen
Deklarationsentwurf für die Rechte indigener
Völker".
Die ILO 169 hatte nicht zuletzt auch aufgrund der sozialen Veränderungen im Bereich der Arbeit einen enormen Einfluß auf die Gewerkschaften hinsichtlich einer neuen Haltung und Vorgangsweise gegenüber indigenen Völkern. Es hat Fälle gegeben, in denen Gewerkschaften über den ILO-Kontrollmechanismus auf Verstöße gegen die ILO-Konventionen Nr.107 und 169 aufmerksam gemacht hatten.
Die International Union of Food, Agriculture, Hotel, Restaurant and Allied Workers spielte eine Schlüsselrolle in der Anklage gegen Indien, Unterzeichnerstaat der ILO-Konvention Nr.107, das in Folge des Sardas Sarovar -Staudammprojekts eine besonders harte Vorgangsweise gegen die Adivasi an den Tag legte. Nichtsdesdotrotz stellt heute das Narmada-Staudamm-Projekt für diese Völker eine weit größere Katastrophe dar.
Die CGTP (Confederación General de Trabajadores del Perú) machte die ILO in einer Eingabe darauf aufmerksam, "daß das Gesetz Nr.26845 vom 26 Juli 1997 - das Landtitelgesetz für die ländlichen Gemeinschaften der Küstenregion - gegen Wortlaut und Geist sei es der ILO169 als auch der peruanischen Verfassung und anderen relevanten Normen widerstößt. Das Gesetz erlaubt es einzelnen Mitgliedern der ländlichen Kommunen (meistens Indígenas), ihr Land zu veräußern, das Eigentum der Gemeinschaft ist.
Unter der Schirmherrschaft der ILO laufen zurzeit weltweit mehrere Projekte:
(1) Technische Kooperation
Dieses Projekt ist besonders auf Zentralamerika fokussiert. Ein Projekt namens Legal Empowerment of Indigenous Peoples in Central America soll drei Jahre durchgezogen werden und betrifft die indigene Bevölkerung in Costa Rica, El Salvador, Honduras, Guatemala, Belize, Nicaragua und Panama.
(2) Promotion der ILO169-Grundsätze über indigene und in Stämmen lebende Völker
In diesem Projekt, das von 1996 bis zum Jahre 2000 dauern soll, geht es hauptsächlich um technische Kooperation, mit der die Prinzipien und die Grundsätze der ILO169 hauptsächlich in Asien und im südlichen Afrika eingebracht und angewandt werden sollen.
(3) Das ILO-INDISCO Programm
Hierbei soll durch die Unterstützung bei der Entstehung
von Kooperativen und Selbsthilfe-Gruppen das indigene
Selbstvertrauen bzw. -bewußtsein gefördert
werden.
In den letzten fünf Jahren wurden 15.000 Angehörige
indigener Völker darin ausgebildet, ihre Gemeinschaften zu
motivieren, traditionelle Arbeiten und Handwerke zu
revitalisieren.
3.7 Die 13 Signatarstaaten
LÄNDER DATUM DER RATIFIZIERUNG
Bolivien 11.Dezember.1991
Costa Rica 02.April.1993
Dänemark 22.Februar.1996
Ecuador 15.Mai.1998
Fiji 03.März.1998
Guatemala 05.Juni.1996
Honduras 28.März.1995
Kolumbien 07.August.1991
Mexiko 05.September.1990
Niederlande 02.Februar.1998
Norwegen 19.Juni.1990
Paraguay 02.August.1993
Peru 02.Februar.1994
Länder, die eine Ratifikation der ILO169 in Betracht ziehen:
Brasilien, Finnland, Neuseeland, Phillippinien und
Schweden.
4. DIE LATEINAMERIKANISCHEN KONVENTIONSSTAATEN .: oben :.
4.1 Indianerpolitik und ILO in
Lateinamerika
Lange Zeit galt in Lateinamerika der Grundsatz, "daß alle
Staatsbürger gleich seien und deshalb eine spezielle Politik
für die indigene Bevölkerung nicht gerechtfertigt sei."
Dabei wurden die indios in einigen Ländern wie Brasilien,
Kolumbien u.a. durch spezielle Rechtssysteme zu Unmündigen
erklärt.
Infolge der mexikanischen Revolution und der Entwicklung des
indigenismo, einer neuen Indianerpolitik und einer Bewegung, die
schließlich auch andere lateinamerikanische Länder
erfaßte, rückten die Indígenas
schließlich mit einem neuen Bewußtsein ins Zentrum
der Politik der jeweiligen Staaten und machten auf ihre Rechte
aufmerksam.
"Amo lo que tengo de indio!" - ein neues kollektives
Identitätsgefühl war aufgekeimt und die Bezeichnung
"indio", die für die blancos oder mestizos früher
gleichbedeutend mit sucio ("schmutzig") war, hatte einen neuen
Stellenwert.
Heute hat sich - besonders im Zuge der
500-Jahre-"Feierlichkeiten" - dieses
Identitätsbewußtsein gefestigt und gestärkt.
Viele bezeichnen sich selbst als "Indígenas", akzeptieren
aber auch das Wort "indio".
Wenn es auch infolge des indigenismo in den 40er, 50er Jahren
zur Gründung vieler Indianerinstitute kam, die alle im
Instituto Indígenista Interamericano in Mexiko
zusammengeschlossen waren, so beruhte dieser doch auch -
ähnlich der ILO-Konvention Nr.107 - auf einer
Integrationsidee, was dieser Indianerpolitik aus der heutigen
Sicht einen negativen Beigeschmack verleiht. Ziel der
indigenistischen Politik war es, eine sozioökonomische
Entwicklung in den indigenen Gemeinschaften und ihre Integration
in den Nationalstaat herbeizuführen.
"Beim ersten Interamerikanischen Indígena-Kongreß in Pátzcuaro, Mexico, war formell keine indigene Gruppierung anwesend und dieses Bild sollte für Jahrzehnte fortdauern."
Im Jahre 1964 wurde in Ecuador die erste indigene Organisation
Lateinamerikas gegründet, die sich für die kollektiven
Interessen ihrer Mitglieder einsetzte: die FICSHA
(Federación Interprovinciál de Centros
Shuar-Achuar).
Aus der Kooperation der acht Amazonasstaaten Bolivien,
Brasilien, Ecuador, Guyana, Kolumbien, Peru, Surinam und
Venezuela, entstand im Jahre 1978 der Amazonaspakt (Vertrag
für amazonische Kooperation) schlossen. Ein Ereignis, das
von Beobachtern als möglicher Wendepunkt
innerlateinamerikanischer Beziehungen angesehen wurde.
Umwelterhaltung und rationale Ausbeutung der amazonischen Flora
und Fauna bilden die Basis dieses Pakts.
In den Anden tagt inzwischen ein Parlament der
Aymara-sprechenden Völker aus Bolivien, Chile und Peru, das
sich als rechtmäßige Institution der Selbstverwaltung
versteht. Selbst wenn dieses Parlament in der Realität
keinen parlamentarischen Einfluß ausüben kann, zeugt
es doch vom gewachsenen Selbstbewußtsein dieser
Völker.
Heute sind z.B. die Indígenas in allen Amazonasstaaten
fast ausnahmslos in gesamtstaatlichen oder kleineren Vereinen
organisiert und wehren sich gegen Übergriffe, die ihr Land
und ihre soziale und kulturelle Identität
beeinträchtigen.
Ein großes Problem liegt aber hauptsächlich in der
Manipulierbarkeit dieser Organisationen, der Korruption ihrer
Vorsitzenden und der mangelnden Homogenität innerhalb der
"pueblos indígenas".
Unter den Netzwerken der lateinamerikanischen Organisationen
sticht besonders die COICA (Coordinadora de las Organizaciones
Indígenas de la Cuenca Amazónica) hervor, die in
ihren unmittelbaren Stellungnahmen, an die Weltbank, die
Interamerikanische Entwicklungsbank, die staatliche
US-Entwicklungshilfeorganisation (USAID), die UNO, die
ökologischen NGO's usw. die Partizipations- und
Konsultationsrechte der indigenen Völker einfordert .
Die COICA ist auch ständiger Kooperationspartner des
Klima-Bündnisses, das als eines der erfolgversprechendsten
Projekte zur Umsetzung der 1992 in Rio de Janeiro beschlossenen
Agenda 21 gilt und sich zudem besonders für die
Ratifizierung der ILO 169 einsetzt.
In den letzten Jahren haben viele Staaten Lateinamerikas neue Verfassungs- und Gesetzestexte verabschiedet, in denen zum ersten mal Bezug auf die indigenen Rechte genommen wird und in denen die indigenen Völker als solche anerkannt werden. Neben der Erneuerung individueller Rechte werden einige kollektive Rechte anerkannt, darunter das Recht auf die eigene Sprache, Kultur, auf eigene traditionelle Jurisdiktion und in einigen Fällen das Recht auf ein eigenes Territorium.
Auch wenn die Missionierung unter den indigenen Völkern großen Schaden angerichtet hat, so soll in diesem Kontext doch auch der positive Einfluß der südamerikanischen Befreiungstheologie und der mutige bis tödliche Einsatz der Kirche in Guatemala und Mexico Erwähnung finden.
Die ILO hatte in Lateinamerika schon seit ihren Anfängen
einen hohen Stellenwert. Bereits 1921 gab die ILO Untersuchungen
über die Arbeitsbedingungen von "indigenous and tribal
workers, particulary the forced labour of so-called "native
populations" in colonies" in Auftrag. Studien, die
schließlich 1930 zur Forced Labour Convention führten,
die auch besonders die Indígenas Lateinamerikas
betrafen.
1952 begann das Andenindianerprogramm, das bis in die 70er Jahre
fortdauerte und rund 250.000 indígenas involvierte. Durch
die Beteiligung von Argentinien, Bolivien, Chile, Kolumbien,
Ecuador, Peru und schließlich auch Venezuela, wurde die
Kooperation dieser Staaten wesentlich gefördert, was dann
auch dazu beigetragen haben soll, daß die beteiligten
Staaten, mit Ausnahme von Chile und Venezuela, die ILO
ratifizierten.
Im Jahre 1953 publizierte die ILO eine Studie, die sich speziell
auf die Lebens- und Arbeitsbedingungen von pueblos
indígenas in Lateinamerika bezog.
Die große Bedeutung, die der ILO in Lateinamerika zukommt, veranschaulichen folgende Tabellen:
Lateinamerikanische Länderdie die ILO-Konvention Nr.107 ratifizierten:
Argentinien, Bolivien, Brasilien, Costa Rica, Dominikanische Republik, Ecuador, El Salvador, Haiti, Kolumbien, Kuba, Mexiko, Panama, Paraguay und Peru
Lateinamerikanische Länderin denen die ILO-Konvention Nr.107 noch in Kraft ist:
Argentinien, Brasilien, Dominikanische Republik, El Salvador, Kuba und Panama
Lateinamerikanische Länderdie die ILO 169 ratifizierten:
Bolivien, Costa Rica, Ecuador, Guatemala, Honduras, Kolumbien, Mexiko, Paraguay und Peru
Lateinamerikanische Länderderen Parlamente eine Ratifizierung der ILO169 in Betracht ziehen:
(soweit der ILO bekannt):
Brasilien, Chile, Venezuela.
Während des Revisionsprozesses der ILO-Konvention Nr.107, führte das ILO-Regionalbüro Beratungen mit Vertretern der verschiedenen indigenen Völker Lateinamerikas durch. Heute haben neun Länder Lateinamerikas die ILO 169 ratifiziert, und einzelne Grundsätze in ihren Verfassungsreformen integriert. Verschiedene Leitgedanken und Prinzipien der ILO 169 fehlen in keinen offiziellen politischen Debatten, in denen es um die "derechos de los pueblos indígenas" geht.
Auf den folgenden Seiten schreibe ich über über die Umsetzung der Konventionsbestimmungen und dem status quo der Indígenas in den lateinamerikanischen Signatarstaaten der ILO 169. Ich skizziere auch ein wenig die politische Situation, da sonst - auch im Anbetracht der Fallbeispiele - eine objektive kritische Beurteilung unmöglich ist.
Fünfhundert Jahre Unterdrückung mit allen fatalen Folgen, die Mobilisierung von über Hunderttausenden Indígenas in den 90er Jahren und die beschämende Tatsache, daß diese Völker heute um grundlegende Menschenrechte und oft um ihr Überleben kämpfen müssen, verlangen doch eine nähere Auseinandersetzung.
4.2 Die lateinamerikanischen Signatarstaaten (chronologisch nach dem Datum der Ratifizierung) .: oben :.
1. Mexiko
Mexiko machte in den letzten Jahren öfters wegen seiner
harten Vorgangsweise gegen die Indígenas in Chiapas von
sich reden. In Mexiko leben nicht nur am meisten Indígenas
(ca.10 Millionen), sondern das INI (Instituto Nacional
Indigenista) hat auch 56 verschiedene ethnische Gruppen
identifiziert.
Unter dem Einfluß der ILO 169 hat Mexiko bislang zwei Verfassungsänderungen vorgenommen:
- Artikels 4 wurde um einen Paragraphen erweitert, der den "carácter pluricultural de la Nación Mexicana" hervorhebt;
- Artikel 27 wurde reformiert und wird im neuen Agrarreformgesetz geregelt. Dieser Artikel befaßt sich mit den ejidos und den comunidades - kollektiven Landpachtsystemen. Durch die Reformierung des Art. 27 wird erstens eine Privatisierung dieser Institute eingeleitet - vorausgesetzt die Indígenas stimmen zu - und zweitens die Bewahrung von Eigentum und Integrität dieser Territorien festgelegt. Laut Agrarreformgesetz kann nur die Generalversammlung der comunidades über eine Umwandlung dieser Territorien in privates Landgut entscheiden.
In Mexiko sind 2 000 comunidades indígenas rechtlich anerkannt, was acht Prozent des nationalen Territoriums ausmacht (16 Millionen ha).
Indigene Rechte in Chiapas
In Chiapas, dem achtgrößten Bundesstaat Mexikos, sind
ein Drittel seiner 3,5 Millionen Einwohner Nachfahren
verschiedener Mayavölker. Die mexikanische Revolution und
die Landreform Pancho Villas und Emiliano Zapatas haben hier
praktisch nicht stattgefunden. Die Indígenas, die sich in
landwirtschaftlichen Kooperativen und alternativen Netzwerken
versuchen, müssen mit dem Zorn der latifundistas und
multinationaler Unternehmen rechnen, der tödlich sein
kann:
1929/24: Ein Landgesetz der Regierung von Tiburcio F. Ruiz
verfügt, daß jede Landfläche, die mehr als 8 000
ha mißt, zur Aufteilung freigegeben wird. Die latifundistas
erhalten ihren Besitz durch die Übertragung an alle
Familienmitglieder, vom Säugling bis zum Greis.
70er Jahre: Da Mexiko für Erdölförderung,
Wasserkraftwerke und Viehzucht, mehr Land benötigt,
müssen Tausende von campesinos ihre Wirtschaftsweise
aufgeben.
80er Jahre: Die allgemeine Wirtschaftskrise und die neoliberale
Wirtschaftspolitik verschärfen die Armut.
1986 (Mai): Die indígenas blockieren die
Hauptstraße nach Mexiko-City und fordern ihre Rechte. Die
Regierung lehnt Verhandlungen ab und läßt die Blockade
durch Militär und Polizei räumen.
1990 (Sept.): Ratifizierung der ILO 169.
1991: Gründung der ANCIEX (Unabhängige Nationale
Campesino Allianz Emiliano Zapata)
1992 (März): Gründung der XI'NICH (Koordination
indigener Organisationen)
1994 (1.1): Beginn der Rebellion des EZLN (Ejército
Zapatista de Liberación Nacional)
1994 (Aug.): Auf Initiative der zapatistas beraten 6 000
Delegierte aus Mexiko, darunter Wissenschaftler, Künstler,
Journalisten usw. in Agua Caliente über eine Lösung
für Chiapas.
1995 (Feb.): Präsident ordnet Militäroffensive gegen
die zapatistas an. Am selben Tag wird ein Friedenscamp vor der
Kirche San Cristobál. organisiert. Bischof Ruiz vermittelt
eine Wiederaufnahme der Gespräche zwischen EZLN und der
Regierung.
1996 (16.1): Bei Friedensverhandlungen zwischen Regierung und
EZLN kommt es zu den Acuerdos de San Andrés, die im
wesentlichen auf die ILO 169 aufbauen. Im Mittelpunkt stehen
Selbstbestimmung und Autonomie.
1996 (20.10): Besonders bemerkbar machen sich die Prinzipien der
ILO 169 in der Verfassungsreform der COCOPA (Comisión de
Concordancia y Pacificación), eine Initiative, die auf den
Abkommen von San Andrés fußt.
1997 (Herbst): Eine Karawane von 1.111 zapatistas zieht in die
Hauptstadt um die Umsetzung der Acuerdos de San Andrés zu
fordern.
1997 (22.12): Massaker von Acteal (Chenaló): 60
Uniformierte der Mascaras Rójas (Todesschwadron der
Regierungspartei PRI (Partido Revolucionário
Institucionál) ) umstellen das Dorf und schlachten 14
Kinder, 21 Frauen (vier schwanger), einen Säugling und 10
Männer. Eine Aufklärung des Massakers steht immer noch
aus .
1999 (21.3): 3 Millionen Mexikaner sprechen sich bei einer
Volksbefragung "consulta" des EZLN für die Anerkennung der
indigenen Rechte und für eine Ende des Krieges aus.
1999 (Herbst): Die Regierung setzt weiterhin auf einen Low
Intensity War , der in Chiapas seit Februar 1995 offizielle
Regierungsstrategie zur Aufstandsbekämpfung ist und auf
einer totale Militarisierung aller gesellschaftlichen
Sphären beruht. Seither sind 1.500 Indígenas aus
politischen Gründen umgebracht worden. Nun wird in Chiapas
eine größere Militäroffensive
befürchtet.
Die Implementierung der ILO169
Von 1992 bis 1994 hat Mexiko überhaupt keinen Schritt zur
Implementierung der ILO 169 unternommen.
"Lo cual significa que si México ratificó 'un convenio promocionál y no adopta las medidas éste pide, el risultado final es equivalente al de si lo hubiera rechazado.'
Erst der Aufstand des EZLN brachte die Regierung dazu, sich
mit den Verpflichtungen der ILO 169 zu befassen.
In Mexiko fand im August 1998 ein Symposium über "Indigene
Völker und Ökologie an der Schwelle des
21.Jahrhunderts" statt, in dessen Rahmen auch über die ILO
169 referiert und debattiert wurde.
Gestützt auf die Daten eines Vortrages von Jorge A. G.
Galván , möchte ich einige Beispiele für die
unterschiedlichen "Ansichten" aufzeigen, die erstens die ILO 169,
zweitens die Verfassungsreform-Initiative der COCOPA (die auf den
Acuerdos de San Andrés basiert) und drittens die
Bundesregierung vorsieht:
ILO COCOPA (Comisión de Concordancia y
Pacificación) MEXIKANISCHE BUNDESREGIERUNG
definiert die "indigenen und in Stämmen lebenden
Völker". Zur Definition gehört die
"Selbstidenti-fikation" derselben. (Art.1) nimmt die
ILO169-Definition in Artikel 4 auf meidet eine Definition,
"dejando, literalmente, a los sujetos de los derechos, en la
indefinición jurídica, es decir, en la
indefensión"
"1. Bei der Anwendung der innerstaatlichen Gesetz-gebung auf die
betreffenden Völker sind deren Bräuche oder deren
Gewohnheits-recht gebührend zu berücksichtigen."
(Art.8) sieht in ihrer Initiative gemäß dem Abkommen
von San Andrés vor, daß die Urteile der indigenen
Jurisdiktionsorgane von den staatlichen bestätigt werden.
Unterscheidet vorab "Nor-men, Bräuche und Gewohn-heiten" und
hält dagegen, daß nur von einer "homologación",
aber nicht von einer "convalidación" der Urteile die Rede
sein kann, da sonst eine "interne indigene Rechtssprechung"
errichtet würde.
Recht auf Land (Art.13,14) integriert diese Bestim-mungen in
ihre Verfassungs-reform. Für die pueblos indígenas
ist Land kein Verkaufs-gegenstand, sonders besitzt einen
kollektiven Charak-ter und fügt sich in ihre Kosmovision
ein. wendet ein, daß eine Nutz-Nießung in kollektiver
Form, andere verfassungs-rechtlich abgesicherte Formen ("gemeint
sind private") verneint. Der Begriff "territorio" wird als ein
Teil des Staates verwendet, was die Gefahr einer Zerteilung des
Staatsgebildes birgt. Die Regierung möchte offen-sichtlich
den Pri-vatisierungsprozeß des kollektiv genutzten Landes
schützen, den die Regierung Salinas' mit der Refor-mierung
von Artikel 27 eingeleitet hatte.
In einer Stellungnahme zu den Reforminitiativen der
Bundesregierung antwortete die ELZN, daß sie keine
Beistrichänderung der COCOPA-Initiative akzeptieren werde.
Darauf legten die PAN (Partido Acción Nacional) und die
Bundesregierung unter Innenminister Labastida jeweils einen
Vorschlag für eine Verfassungsreform im Bereich der
indigenen Rechte vor.
Die Initiativen von PAN und Labastida basieren in formaler und
struktureller Hinsicht auf jener der COCOPA. In materieller
Hinsicht erkennen sie erstens den "carácter pluricultural"
Mexikos an, zweitens die ILO169-Definition der "indigenen und in
Stämmen lebenden Völker" und drittens das Recht der
pueblos indígenas Mexikos auf Autonomie.
Dafür wird den indígenas auf der einen Seite in den
Bereichen, in denen sie eine Autonomie geltend machen, die
Selbstbestimmung abgestritten, auf der anderen Seite werden sie
nicht als öffentliche Rechtssubjekte anerkannt. Eine
wirkliche Autonomie steht nur jenen pueblos indígenas zu,
die über den rechtspolitischen Status eines municipio
verfügen, für deren Regelung die PAN eine Art
Munizip-Verfassung vorschlägt, sogenannte "Cartas
Municipales".
Galván bemängelt an der Initiative der PAN,
daß sie u.a. auf inkongruente Weise den Begriff
"comunidades indígenas" verwendet und nicht zwischen
diesem und dem der "pueblos indígenas"
unterscheidet.
Die Iniciativa Labastida hingegen, differenziert zwar, findet
aber, daß der Begriff pueblo einen Bestandteil des Staates
darstellt und es somit nur ein pueblo geben kann: "el Pueblo
Méxicano". Würde man folglich innerhalb des "Pueblo
Méxicano" andere pueblos als spezifische Rechtssubjekte
anerkennen, wäre dies ein Angriff auf die
Souveränität des Staates - "único titular del
'Pueblo Mexicano'".
Es sei noch erwähnt, daß im Leitfaden der ILO zur Konvention Nr.169 immerhin vermerkt wird, daß in manchen comunidades indígenas Lehrgänge in Arbeitsrecht abgehalten wurden und auch im Bereich Kultur und Erziehung kann Mexiko - ganz im Sinne der ILO 169 - auf einige erfolgreiche Maßnahmen hinweisen:
"[...] textbooks for indigenous children have been written in various indigenous languages. At the primary-school level, bibingual and bicultural programmes have been launched [...] In 1991, some 26 different indigenous groups, totalling 33 000 children between 10 and 14 years old benefited from literacy programmes. whereas 10 indigenous groups of the poorest States of the country were covered by the Initial Education Programme for the Indigenous Child."
Quellen:
- Tomei/Swepston (FN10)
- Jorge Alberto González Galván,"Las obligaciones
de México con la ratificación del
convenio 169 de la OIT" auf der Tagung zum Thema "El Convenio
169 de la OIT sobre los pueblos indígenas y tribales en
países indipendientes" am SIMPOSIO "LOS PUEBLOS INDIGENAS
Y LA ECOLOGIA EN LOS UMBRALES DL SIGLO XXI" (México,
August 1998)
2. Kolumbien .: oben
:.
Kolumbien, das 1991 nicht nur die ILO 169 ratifiziert, sondern
auch eine neue Verfassung bekommen hat, ist ein
widersprüchliches Land:
- gegenüber den allgemeingehaltenen Verfassungen anderer
südamerikanischer Länder hinsichtlich der "pueblos
indígenas", befaßt sich die kolumbianische
Verfassung ziemlich detailliert mit den Rechten dieser
Völker. Dafür scheinen sich Wirtschaftsinteressen,
innerstaatliches Machtstreben und Hegemoniepolitik in keinem
anderen südamerikanischen Land so unbekümmert über
internationale und nationalen Normen und Gerichtsurteile
hinwegzusetzen.
- auf der einen Seite wird trotz Friedensverhandlungen der
langjährige menschenrechtsverachtende Kampf zwischen
Guerilla, Paramilitärs und Armee fortgesetzt, auf der
anderen Seite kann Kolumbien seit 25 Jahren auf ein
ununterbrochen anhaltendes Wirtschaftswachstum von ca. 5%
verweisen.
In der neuen Verfassung Kolumbiens wird der multi-ethnische und pluri-kulturelle Charakter der Nation hervorgehoben und "das Recht auf eine eigene, autonome Existenz in einer ethnisch vielfältigen Gesellschaft " festgeschrieben. Kolumbien war weltweit das erste Land, das die Landrechte der indigenen Völker begrifflich determiniert und das Selbstverwaltungsrecht und das Recht auf ein Management ihrer natürlichen Ressourcen spezifiziert hat.
Der indigene Rechtsstatus beinhaltet:
- die Errichtung indigener Gebietskörperschaften (ETI), die über ein eigenes politisch-administratives System verfügen - auf gleicher Basis wie die staatlichen Kommunen , Distrikte und Departments. Traditionelle Räte und Organisationen gelten als rechtlich anerkannte Körperschaften;
- in den alten Schutzgebieten (resguardos) und Reservaten (reservas) können die Räte der indígenas auch jurisdikative Funktionen gemäß Gewohnheitsrecht und Praxis ausüben, solange sie nicht der nationalen Gesetzgebung widersprechen;
- für indigene Vertreter sind im Senat zwei und im nationalen Kongress sogarfünf Sitze reserviert ;
- die territorialen Rechte der pueblos indígenas sind weitgehend anerkannt. Rechtstitel verschaffen ihnen Anrechte auf staatliche Zuschüsse für Ausbildung und Gesundheitsprogramme und auf die Wahrnehmung ihres Gewohnheitsrechtes ;
- neben Formen von Selbstverwaltung wird ihnen auch das Management der natürlichen Ressourcen zugestanden. Indigene Territorien gelten nach der neuen Verfassung als unveräußerlich, unübertragbar und unteilbar
- bei der Nutzung der erneuerbaren natürlichen Ressourcen steht ihnen ein Vorrecht zu. Jegliche Nutzung darf die kulturelle, soziale und wirtschaftliche Integrität dieser Völker nicht beeinträchtigen.
- bei relevanten Entscheidungen sind die pueblos indígenas zu konsultieren
- falls ein Indígena eine Tat begeht, die in seiner Gemeinschaft kein Vergehen darstellt, kann diese Person laut Artikel 22 des Strafkodexes in seiner natürlichen Umgebung rehabilitiert werden;
- innerhalb der indigenen Territorien, in denen die jeweilige indigene Sprache vorherrschend ist, gilt diese als offizielle Sprache ;
- an der staatlichen Universität sind 2% der Studienplätze für indigene Studenten reserviert, die sich verpflichten müssen, nach ihren Studien wieder zu ihrer Gemeinschaft zurückzukehren;
Bevor einige themenrelevante Fallbeispiele aufgezählt werden, sei hier kurz ein politisches Bild Kolumbiens gezeichnet. Immerhin stehen die Indígenas in diesem Land mitten im Kreuzfeuer von Guerilla, paramilitärischen Truppen, Armee, Wirtschaftsinteressen und amerikanischen und euro-deutschen Ambitionen. Bei der Drogen- und Guerillabekämpfung und bei Megaprojekten werden sie meist als die unbeteiligten Opfer schlimmster Menschenrechtsverletzungen übersehen.
Die Guerilla, deren militärische Stärke mit 15.000 Männern und Frauen beziffert wird und die die Hälfte des Landes kontrollieren, identifiziert sich hauptsächlich in zwei Organisationen: die kommunistischen Fuerzas Armadas Revolucionarias de Colombia (FARC) und der pro-kubanische Ejército de Liberación Nacional (ELN). Die indigene Guerilla-Bewegung Quintín Lame hat nach fünfzehn Jahren ihre bewaffnete Tätigkeit eingestellt, nachdem die Regierung auf verschiedene Postulate eingegangen war.
Die Guerilla-Organisationen finanzieren sich mit Schutzgeldern
des Drogengewerbes, von Großgrundbesitzern und
Industrieunternehmen erhobenen "Steuern" sowie aus
Entführungen. Der 7. Anschlag auf eine Ölpipeline im
Nordosten Kolumbiens verursachte große
Umweltschäden.
Für die USA ist die Guerilla ein Hauptfaktor für die
Instabilität in der Region, richten sich ihre Aktionen ja
hauptsächlich gegen "jegliche Interessen von außen".
Unter dem Deckmantel der "Drogenbekämpfung" gab es bereits
mehrere US-Interventionen. Wenn auch das Projekt einer
multinationalen Eingreiftruppe vorerst aufs Eis gelegt wurde, so
spricht eine unglaublich aufgestockte Militärhilfe eine
klare Sprache.
Vielleicht kann ich hier anbringen, was mir 1999 in Ecuador ein
befreundeter Shuar erzählt hat:
Als er in einem kolumbianischen resguardo, die vom Staat
geschützt sind, auf Besuch war, vertraute ihm eine
kolumbianische Koka-Bäuerin an, daß sie das Kokain
absichtlich schlecht und übertrieben stark machen. Daß
war ihre Rache an den Söhnen Amerikas. In einem
amerikanischen Antidrogen-Einsatz hatte sie ihre beiden
Söhne verloren.
Für die Indígenas stimmt die politische Konzeption
der Guerilla nicht mit ihren Vorstellungen von Autonomie und
Selbstbestimmung überein.
Armando Valbuena, der neue Präsident der
Organización Nacional Indígena de Colombia (ONIC)
dazu wörtlich :
"Die ONIC und regionale Organisationen haben die Guerilla
daher aufgefordert, keine Kampagnen auf unseren Territorien
durchzuführen, keine Indianer zwangsweise zu rekrutieren und
uns nicht in in die bewaffnteten Auseinandersetzungen hinein zu
ziehen. Die politischen Repräsentanten der indigenen
Gemeinschaften im Cauca drohen Angehörigen ihrer Gemeinden
sogar mir Ausschluß, wenn sie Mitglied einer Guerilla sind.
Die bewaffneten Gruppen wollen territoriale Kontrolle. [...] Der
Mord an den drei amerikanischen Unterstützern der U'wa
spricht eine deutliche Sprache"
Die 'grupos paramilitares', die häufig mit den latifundistas und dem Militär in Verbindung gebracht werden, sind im Gegensatz zur Guerilla rechtsgerichtet.
Präsident Pastrana, dessen "enormer Mut" im
Friedens-verhandlungsprozeß von Kanzler Schröder
gelobt wurde, hat nicht nur den Tiefpunkt in den Beziehungen zur
ELN zu verschulden:
- vom Friedensprozeß sind die Indígenas als
Betroffene ausge-schlossen,
- genau ein Jahr nach der Unterzeichnung eines Abkommens, in dem
sich die Regierung gegenüber regionalen Bauernverbänden
verpflichtete, die Zivilbevölkerung vor
paramilitärischen Massakern zu schützen, gehen Armee
und Todesschwadronen gemeinsam gehen die Zivilbevölkerung
vor
- bei der Militarisierung von Konfliktzonen, in denen diese
Völker vom Kreuzfeuer aller drei Parteien eingeschlossen
sind, müssen sie um die Erlaubnis von allen drei Parteien
anfragen, und die bekommen höchstens drei von ihnen pro
Tag.
- die Regierung Pastrana sagt z.B. der FARC den Rückzug
staatlicher Sicherheitskräfte aus fünf Landkreisen zu,
ohne zu berücksichtigen, daß dort auch 1.500
Indígenas leben.
- Pastrana hat bislang noch nicht die nationale
Friedeskommission (Comisión Nacional de Paz), an der die
ONIC beteiligt ist, einberufen 2 sämtliche Normen wie der
Erlaß 1396 und das Gesetz 21 (infra) werden
übergangen
Im Anschluß beschreibe ich vier Fälle, in denen
sämtliche Rechts-prinzipien und -normen verletzt
wurden.
So wird z.B. die Konsultationspflicht vollkommen über- bzw.
umgangen:
1. Fall: Der ölreiche Samore-Block
1992
Occidental (zusammen mit Royal Dutch/Shell und der staatlichen
Ecopetrol) unternimmt erste Schritte für eine
zukünftige Ölförderung im Samore-Block (200 000
ha) im Nordosten Kolumbiens. Die Ölförderung soll
direkt durch das Territorium der tiefreligiösen U'wa gehen.
Die Guerilla "erschwert" die geologische Vorarbeit.
Bei den Verhandlungen werden die U'wa niemals direkt konsultiert.
1997
5.000 U'wa drohen mit kollektivem Selbstmord. Als tief
religiöses, noch traditionell im Regenwald lebendes Volk,
sind sie davon überzeugt, daß sie sterben werden, wenn
ihr Blut - das Erdöl - ausgesaugt werde.
Gründung des U'wa Defense Projekt - einem
Zusammenschluß von NGOs. Später bekannt als U'wa
Defense Working Group.
Ein Bericht der Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) und
der Harvard Universität drängen die Ölkompanie die
Exploration "immediately and unconditionally" einzustellen.
1998
Die Interamerikanische Menschenrechtskommission empfiehlt der
kolombianischen Regierung ein "Friendly Settlement" im
Samore-Konflikt zu finden.
Am 14. April titelt eine ganze Seite der New York Times "Why
Occidental's Oil Project Is A Death Sentence For the U'wa People"
- unterzeichnet von 27 NGOs unterschiedlicher Ausrichtung.
Die staatliche Ecopetrol verkündet in einer Pressekonferenz
Occidentals Angebot, auf den Samore-Block zu verzichten, um die
Öl-Investitionen auf ein kleineres Förderungsgebiet zu
beschränken.
Das Innenministerium versichert den U'wa, daß auf ihrem
Land keine weiteren Probebohrungen durchgeführt werden.
1999
Es wird nach Wegen gesucht, das Förderungsgebiet Gibraltar
I aus dem Gebiet der U'wa auszuklammern. Sie sollen zwar endlich
eine geschlossene Reservation bekommen, aber entgegen ihrer
Forderung nicht in den Ausmaßen ihres traditionellen
Territoriums.
Am 4. März werden die leblosen und gefolterten Körper
dreier amerikanischer Unterstützer der U'wa an der
kolumbianisch-venezolanischen Grenze gefunden .
2000 (Ende Januar)
5.000 Armeeangehörige haben mit dem Einsatz von
Hubschraubern etwa 250 U'wa-Indianer von ihrem traditionellen
Land vertrieben. Am Rande ihres Landes wurden schwerbewaffnete
Soldaten zusammengezogen um Probebohrungen der kolumbianischen
Erdölfirma Occidental de Colombia (OXY) gegen den Widerstand
der Indígenas durchzuführen.
"'Mit Hilfe der Militärs setzt sich die kolumbianische Regierung nicht nur über ihr Versprechen hinweg, sich im Dialog mit den Indianern zu einigen', kritisierte die GfbV die kolumbianische Regierung in einem offenen Brief.'Sie beantwortet auch ein Urteil des kolumbianischen Verfassungsgerichtshofes aus dem Februar 1997 mit Gewalt, nach dem eine Erdölexploration nur mit Zustimmung der Indianer erfolgen darf." Bitter enttäuscht sei die GfbV über die Täuschungsmanöver des kolumbianischen Vizepräsidenten Juan Mayr und des Außenministers Fernández de Soto. Beide hatten noch im vergangenen Jahr im Gespräch mit der GfbV und auf öffentlichen Veranstaltungen immer wieder versichert, die verfassungsmäßigen Rechte der Indianer respektieren zu wollen."
Quelle:
http://www.survival.org.uk/colompr.htm (28.11.99)
http://uwa.moles.org/uwa/crisis/news.html (28.11.99)
http://uwa.moles.org/uwa/crisis/news9.html (28.11.99)
http://C./Documenti/Cwww in
linea/apm-gfbv/2c-stampa/1-00/27-1-dt.html (28.01.00)
2. Fall: El Plano Pacífico
Der Plano Pacífico ist ein ehrgeiziges
Industrialisierungsprojekt an der kolombianischen Küste zu
Panama hin. In diesem Landstrich leben 7 000 Waunana und 40 000
Emberá sowie 700 000 schwarze Landarbeiter. Im Norden
wohnen die Kuna-Indianer.
Schon vor 20 Jahren scheiterte ein Projekt namens "Plaidecop",
das eine Fortführung der Panamericana und einige
Industrialisierungsprojekte vorsah, am Widerstand der
Bevölkerung und hauptsächlich am Darien Gap, dem
dichten Regenwald zwischen Panama und Kolumbien.
Nun will Kolumbien den Nachfolgerplan, den plano pazífico
, der das kolumbianische Hinterland und die Küste mit
Straßen und modernen Infrastrukturen verbinden soll,
realisieren. Und nicht nur:
"Colombia is ready to start building now. If Panama delays, we'll build our side anyway. This area is really a tremendous obstacle to trade, the only break in the Pan-Americn Highway. Before, we didn't have the technology to get through, but know we can do it. Just think - only 102 km more highway is needed to unite the Americas"
Die Interamerikanische Entwicklungsbank (IDB) hat schon 1,5 Millionen Dollar entsprechende Machbarkeitsstudien locker gemacht.
Quelle:
http://www.survival.org.uk/waunanabg.htm (28.11.99)
3. Fall: Staudamm-Projekt am
Sinú-Fluß
Seit 1993 hat die staatliche Urrá S.A. in Zusammenarbeit
mit der schwedischen Firma Skanska und der russischen
Energomachiexport im kolumbianischen Department Córdoba
mit der Konstruktion des 340 Megawatt-Kraftwerkes Urrá
begonnen. 1998 übernahm die Houston Industries Energy Inc.
mit ihrer venezolanischen Tochter Electricidad de Caracas 65
Prozent der Anteile.
Obwohl ein Gesetz (und die ILO169) dies vorschreiben, wurden die
ca. 3 800 Embera-Katío nie konsultiert.
Daher hatten sie 1998 mit einer Beschwerde beim Obersten
Verfassungsgericht Erfolg, das Regierung und Betreibern
detaillierte Verhandlungen über Entschädigungszahlungen
und Entwicklungspläne zur Sicherung des Überlebens auch
der zukünftigen Generationen der Embera vorschreibt, ehe mit
dem Fluten des Staubeckens begonnen werden darf. Doch verhandelt
wurde nicht und Staumauern und Turbinen wurden trotzdem
fertiggestellt. Stattdessen nahm die Gewalt im Gebiet der Embera
zu.
Sechs ihrer wichtigsten Repräsentanten wurden in den letzten Monaten ermordet. Paramilitärs und die FARC bedrohen die Menschen, die sich gegen die Inbetriebnahme des Wasserkraftwerks wehren, verbrennen Schiffe, zerstören Hütten oder ermorden Menschen durch Kopfschüsse.
Internationale Proteste von NGOs konnten bisher die Flutung verhindern und die Regierung zur Aufnahme von substantiellen Verhandlungen drängen. Eine Verlängerungsfrist der Verhandlungen konnte erreicht werden.
Quellen:
- Rathgeber, T., "Embera-Katío kämpfen gegen
Staudamm am Urra-Fluß"
in: pogrom 203 (Juli/August 1999), S.42 - Infos unter:
indigene@gfbv.de
- Holst, J., "Indígenas zwischen allen Fronten" in.
Lateinamerika Nachrichten 305 (November 1999), S.29
- http://www.survival.org.uk/colombia.htm (28.11.99)
4. Fall: Achtzehn resguardos in Gefahr
Resguardos sind Territorien, die den Indígenas vom Staat
rechtlich zuerkannt wurden. Laut der IWGIA (International
Workgroup for Indigenous Affairs) sind im Südwesten
Kolumbiens achtzehn resguardos von latifundistas durch die
Anheuerung von Killern und der Gründung von
Selbstverteidigungsgruppen bedroht. Die latifundistas versuchen,
die indigene Forderungen nach Landtitel zu ersticken. Die
Präsenz von Guerilla-Gruppen ist ein weiterer Vorwand,
Präfekten und einfache Landbewohner zu ermorden.
Anstatt die indigenen Landrechte zu schützen, ist der Staat
der erste, der sie verletzt: so weigerte sich das Kolumbianische
Institut für Agrarreformen (INCORA), das Gesetz 160 der
sozialen Agrarreform und das Dekret 2465 für einen
entsprechenden Schutz anzuwenden.
Dazu meint Armando Valbuena, Präsident der ONIC,
allgemein:
"Das bedeutet für uns, daß wir nach teilweise 50, 60
Jahren Ringen um dei Anerkennung unseres Territoriums, wenn wir
einen Landtitel endlich durchgesetzt haben, erneut kämpfen
müssen, weil die Guerilla und auch die Todesschwadronen uns
alles wieder nehmen wollen.
Quelle: IWGIA (International Workgroup on Indigenous Affairs) : The Indigenous World (1996-97)
Am Ende der Fallbeispiele noch eine kurze Rechtsanalyse von
Armando Valbuena :
"Der Erlaß 1396 von 1996, den wir nach über einem
Monat nationaler Proteste durchsetzen konnten, und der uns
eigentlich eine umfassende Konsultation und Mitsprache bei
Großprojekten ermöglichen sollte, wird genausowenig
umgesetzt, wie die per Dekret geschaffenen Kommissionen zur
Vermittlung in Streitfällen oder das Gesetz 21 von 1991, das
die ILO 169 ins nationale Gesetz überführt." Ist
Kolumbien ein Rechtsstaat?
3. Bolivien .: oben
:.
Im Jahre 1990 beteiligten sich mehrere indigene Völker des
bolivianischen Tieflandes an der Marcha por el Territorio y la
Dignidad. Schätzungsweise 220.000 Menschen marschierten 600
km weit von Trinidad bis zur Hauptstadt La Paz. Zahlreiche
internationale Solidaritätsbekundungen folgten. Darauf
wurden mehrere Gebiete per Präsidentendekret anerkannt und
gemäß den indigenen Forderungen als "unteilbar,
unveräußerlich, unübertragbar und
beschlagnahmbar" ausgewiesen.
Am 11. Dezember 1991 wurde die ILO 169 ratifiziert.
1994 wurde die neue Verfassung verabschiedet, die die
indigenen Völker als solche anerkennt und in der die
ethnisch-kulturelle Vielfalt Boliviens verankert ist.
Unter Artikel 171 wurde eine umfassende Anerkennung der
sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen Rechte der indigenen
Völker festgeschrieben, die auch die ursprünglichen
gemeinschaftlichen Ländereien dieser Völker
einschließen. Zwar werden in der Verfassung nicht
ausdrücklich Eigentumsrechte über diese Ländereien
festgeschrieben, dafür aber ihre Anerkennung, der Respekt
und der Schutz sowie die nachhaltige Nutzung der
Naturressourcen.
In diesem Zusammenhang ist schließlich das neue
Agrarreformgesetz INRA zu erwähnen, das auf den Bestimmungen
der ILO 169 basiert.
Artikel 171 erkennt die indigenen Gemeinschaften als eine Art
von Gebietskörperschaften an. Die traditionellen
Autoritäten können Verwaltungsfunktionen
übernehmen und eigene Formen der Konfliktbeilegung zur
Anwendung bringen, sofern diese nicht mit geltendem nationalen
Recht im Widerspruch stehen.
Diese Verfassungsbestimmungen wurden im April 1994 durch das
neue Gesetz der Bürgerbeteiligung bestätigt. Danach
sind lokale Gebietskörperschaften, darunter auch
Bauerngemeinschaften und indigene Völker, Subjekte dieser
Bürgerbeteiligung.
Auch wenn die Indígenas dieser Reform grundsätzlich positiv und optimistisch gegenüberstehen, so bemängeln doch manche, wie z.B. José Guasebe vom CPIB (Central de Pueblo Indígena de Beni), daß die Bürgerbeteiligung für die Indígenas keine wirkliche Machtposition darstellt.
Ein eigens eingerichtetes Rechtsprogramm des neuen Untersekretariats für ethnische Angelegenheiten sollte eine landesweite Struktur von Beratungs- und Fortbildungsmaßnahmen über indigene Rechte schaffen. Eine Vereinbarung des Untersekretariats und der CIDOB (Könföderation der der indigenen Völker Boliviens) wurde getroffen, wonach ein Beratungskomitee für indigene Völker eingerichtet werden soll.
Im Anbetracht all dieser Reformen und neuen Institutionen darf man nicht vergessen, daß der aktuellen Regierung der ehemaligen Diktators Hugo Banzer vorsteht und man somit der Umsetzungsbereitschaft der Reformen wohl durchaus kritisch gegenüberstehen kann.
Was die Bereiche Erziehung und Kultur anbelangt, so kam es im Jahre 1994 zu einer Reform, die vorsieht, kulturelle Werte in das Bildungssystem zu integrieren, um damit eine kulturell vielfältige Erziehung zu garantieren. Die indigenen Völker sollen an der Planung und Umsetzung von entsprechenden Programmen beteiligt werden, und ihr Recht auf eine Erziehung in der eigenen Sprache ist anerkannt. Ein Erziehungsprogramm für den bolivianischen Osten wurde gemeinsam mit den indigenen Organisationen der Region ausgearbeitet.
Drei Fallbeispiele, bei denen die Bestimmungen der ILO 169 nicht beachtet wurden:
1. Fall
Obwohl das neue Forstgesetz Bestimmungen zur "Demokratisierung"
der Waldnutzung enthält und den lokalen indigenen
Gemeinschaften exklusive Nutzungsrechte an den Waldbeständen
in ihren ursprünglichen Ländereien gewährt, stellt
die illegale Waldrodung in Bolivien nachwievor ein großes
Problem dar. Zu einem Skandal kam es 1997 in dem
Indianerterritorium und Nationalpark Pilón Lajas, als
infolge einer Anzeige wegen illegaler Rodung von Mara-Holz, ein
Holzhändler es soweit brachte, daß einer der indigenen
Hauptankläger eingesperrt wurde. Ein exemplarischer
Fall.
2. Fall
Im Sommer 1999, auf der 17.Sitzung der UNWGIP in Genf, machte
der CMA-PPA (Consejo de Mallkus y Amautas del Parlamento del
Pueblo Aymara) auf das Projekt "Conservación de la
Biodiversidad en la cuenca del lago Titikaka" aufmerksam, das von
den Regierungen Boliviens und Peru ausgeführt wurde.
Die Aymarás beschuldigten die beiden
südamerikamische Regierungen der Augenauswischerei, indem
sie der Weltöffentlichkeit glauben machen wollten, daß
der Senkung des Wasserspiegels eine natürliche
Autoregulierung zugrundeliegen würde. In Wirklichkeit werden
durch das Projekt große Wassermengen des Sees bis zur
Pazifikküste abgeleitet, was offiziell anders dargestellt
wird, um internationale "Sponsoren" nicht abzuschrecken:
"- han sorprendido a la opinion pública
internacionál haciendo creer que su regulación
natural de la cuenca es la causante del desecamento del lago.
[...]
- Han actuado con dolo mutuo al haber pactado sobre un recurso,
unicamente para obtener beneficios financieros internacionales
como UE y PNUD."
Abgesehen von der Mißachtung ökologischer und umweltrechtlicher Normen, wurden auch die lokalen indigenen Gemeinschaften nicht konsultiert, was einen krassen Verstoß gegen die Bestimmungen der ILO 169 darstellt.
3. Fall
Im Herbst 1997 kommt es zu Protesten von seiten der
Indígenas, als die Oberste Forstbehörde 86 neue
Forstkonzessionen vergibt, von denen 27 auf indigenem Territorium
liegen. Neben Verstößen gegen nationale Regelungen,
wird die Verletzung von Bestimmungen der ILO 169 eingeklagt.
Quellen:
- Rossbach (FN94) S.48ff
- Tomei/Swepston (FN10) S. 4ff
- IWGIA, The Indigenous World, 1996/97, S.85
- Fischer Weltalmanach: Bolivien, S.103
- http://www.puebloindio.org/ONU_info/GTPI99_PPA4.htm
(28.11.99)
4. Costa Rica .: oben
:.
Im Unterschied zu anderen lateinamerikanischen Ländern ist
Costa Rica für Menschenrechte relativ offen und besitzt eine
überwiegend weiße Bevölkerung (87%). Immerhin
befinden sich in der Hauptstadt San José das
Inter-Amerikanische Institut für Menschenrechte und der
Inter-Amerikanische Gerichtshof für Menschenrechte.
Trotzdem findet sich in der Verfassung von Costa Rica kein
direkter Hinweis auf den Status der Indígenas, obwohl im
April 1993 die ILO 169 ratifiziert wurde.
Dafür wird ihnen durch eine spezielle Gesetzgebung das
Recht zuerkannt, sich in traditionellen Gemeinschaftsstrukturen
innerhalb ihrer Territorien zu organisieren. In dem
mittelamerikanischen Land leben an die 30.000 Indígenas,
die sich aus acht Volksgruppen zusammensetzen und auf 22
Reservaten verteilt sind. Die größten Völker sind
die Cabécare, die Bribrí und die
Guaymíes.
Im Jahre 1973 erfolgte die Gründung der CONAI
(Comisión Nacional de Asuntos Indígenas), die sich
für die Rechte der Indígenas einsetzen und
Rechtsverletzungen untersuchen sollte.
Heute ist die Ausbildung der Indígenas sehr mangelhaft
oder fehlt, genauso wie die Elektrizitäts- und
Wasserversorgung. Auch die Gesundheitsversorgung stellt meist ein
großes Manko dar.
Nach sieben Jahren ist man von einer effektiven Umsetzung der
ILO-Bestimmungen also noch weit entfernt.
Besonders das Landproblem betrifft die Indígenas. Im
Sommer 1991
wurde das "Indigene Identitätsgesetz" erlassen, das z.B.
den Guaymíes costaricanische Ausweise und die damit
verbundenen politischen Rechte garantieren soll.
Die Guaymíes leben an der panamensischen Grenze und bezeichnen sich als Ticos. Da bis vor einigen Jahren nur wenige ein Dokument besaßen, waren medizinische Versorgung und Landerwerb nicht möglich.
Im Oktober 1998 marschierten 300 Indígenas für
eine gerechtere Landrechtspolitik nach San José, wo sie am
Kolumbustag, dem "Tag der Kulturen" eintrafen.
Von den 22 Reservaten, in denen die Indígenas leben,
gehören 90 Prozent Nicht-Indianern. So erklärte Ernesto
Jiménez, Angehöriger des Ngöbegue-Volkes und
Anführer des Marsches :
"Wir wollen der Regierung dieses Staates zeigen, welche Bedeutung das Land für unsere Kultur, Religion und Tradition hat. Wir haben Vorschläge erarbeitet, wie das Land an uns zurückgegeben werden und unter Autonomie gestellt werden soll. Wie erhoffen eine Antwort der Regierung."
Bei der "Caminata Indígena" ging es im wesentlichen um das Recht auf eine unabhängige indigene Entwicklung und um die Behebung des Zwists mit der CONAI, die es seit 1997 nicht geschafft hat, einen Gesetzesentwurf umzusetzen und bisher den Indígenas zufolge nie ihre Interessen vertreten hat.
Quellen:
- Fischer Weltalmanach: Costa Rica, S.148ff.
- Ludescher, C.,"Zur indigenen Bevölkerung Costa Ricas" in:
Costa Rica
(1986), S.329ff
- Informationsblatt vom Inter-Amerikanischen Gerichtshof
für
Menschenrechte
5. Paraguay .: oben
:.
Paraguay, seit August 1993 Konventionsmitglied, ist ein relativ
kleines südamerikanisches Land (406 752 km2). Tetâ
Paraguay, nennen es die indigenen Guaraní in ihrer
Sprache, die eigenartigerweise auch von vielen campesinos
gesprochen wird. Gegenüber 90% Mestizen und 3%
indígenas stellen die blancos mit 2% den geringsten
Bevölkerungsanteil dar. Unter dem wirtschaftlichen Aspekt
sticht besonders die hohe Arbeitslosigkeit von 30% (inkl.
Unterbeschäftigung) hervor.
Paraguay, das bereits Konventionsmitglied der ILO-Konvention Nr.107 war, trat im August 1993 der ILO169 bei. Aus Sicht der ILO könnte das Land so beschrieben werden: kleines Land mit großer Mißachtung der ILO 169.
Fälle in denen gegen Bestimmungen der ILO 169 verstoßen wurde:
(1) ILO 169 Artikel 16: Verbot der Aus- und Umsiedlung von
indigenen
Völkern aus dem von ihnen besiedelten Land
(Art.64 der paraguayischen Verfassung macht eine Umsiedlung von der ausdrücklichen Zustimmung der Indígenas abhängig)
Mai 1996
An die 60 Avá Guaraní -Familien aus Itakyry
(Department Alto Paraná) werden von einer Gruppe von
Männern, die von latifundistas angeheuert wurden, aus ihrem
angestammten Land vertrieben.
Mai 1996
Die Enxet aus Yesmatathala (Department del Presidente Hayes)
werden von den latifundistas Bischoff aus ihrem Land
ausgesiedelt, da sie vor einigen Jahren Anspruch auf Land
erhoben. Die Justiz reagiert langsam und verzögernd,
während die indígenas hungernd, land- und arbeitslos
umherirren.
Juni 1998
Während meines Zivildienstes bei der GfbV Südtirol ist
ein Augenzeuge mit der Bitte an uns herangetreten, ob wir nicht
etwas Konkretes gegen einen bekannten Mailänder Unternehmer
in die Wege leiten könnten, der nach einem riesigen Landkauf
in Paraguay damit begann, systematisch die dort seit altersher
lebenden aber seinen ökonomischen Plänen nicht
entsprechenden indígenas zu vertreiben. Bei unserer
Kontaktaufnahme mit einem dort lebenden Geistlichen erfuhren wir,
daß die indígenas bei Beschwerden mit einem
Gefängnisaufenthalt rechnen müssen.
(2) ILO 169 Artikel 14: Anerkennung der Eigentums- und Besitzrechte der indigenen Völker an dem von ihnen von altersher besiedelten Land.
Die Wurzel der grassierenden Armut unter den indígenas Paraguays liegt in der Landlosigkeit ("landlessness").
Exemplarisch ist die nördlich des Landes gelegene Region Chaco (24 695 000 ha): von dieser Fläche gelten 1,8 % und von der geschützten Fläche 4,45 % offiziell als indigenes Land. Dabei macht die indigene Bevölkerung Chacos 60 % der Gesamtbevölkerung aus!
In den Jahren 1996/97 war das Paraguensische Institut für indigene Angelegenheiten wegen Korruption und Vernachläßigung ihrer grundlegenden Funktionen massiver Kritik ausgesetzt. Der Vorsitzende Valentín Gamarra, der sich für einen Spottpreis ein immenses Landstück aneignete, wurde abgesetzt.
(3) ILO 169 Artikel 18: Angemessene Strafen für unbefugtes Eindringen in das Land der indigenen Völker und seine unbefugte Nutzung
Juni 1996
Crescencio Enciso, cacique der Avá-Guaraní aus der
Gemeinde Arroya Mocoi, wurde wegen seines Einsatzes gegen
unbefugtes Eindringen und die unbefugte Deforestation seines Land
von unbekannten Tätern ermordet.
Tiburico Zavala, Sohn des Cacique der Enxet aus Esmeralda, wurde
wahrscheinlich gefoltert und ist später verschwunden. Der
Fall wurde ungenügend untersucht und es gab keine
Bestrafung.
(4) ILO 168 Artikel 2: Schutz der indigenen
Integrität;
Artikel 25: Errichtung angemessener und zugänglicher
Gesundheitsdienste.
Aufgrund der Vertreibung aus ihrem angestammten Land und der
daraus folgenden Entwurzelung, hat sich der Gesundheitszustand
vieler pueblos indígenas verschlechtert. Die Folgen der
miserablen Lebensbedingungen sind Unterernährung, die auch
durch die weitverbreitete Deforestation gefördert wird.
Angemessene Gesundheitsdienste gibt es nicht.
Allein im Jahre 1996 starben Hunderte von Kindern an Parasiten,
Durchfall und anderen Infektionskrankheiten.
Quelle:
Die Fallbeispiele, in denen die Bestimmungen der ILO 169
verletzt wurden, wurden alle aus dem IWGIA-Band ""The Indigenous
World" (1996/97), S.97 ff entnommen.
Ein eklatantes Fallbeispiel: EU und Paraguay
übergehen indigene Rechte .: oben
:.
Ein eklatanter Fall, in dem internationale und nationale
Rechtsnormen mißachtet wurden, betrifft die Region Chaco im
Norden Paraguays. Eklatant vor allem deshalb, weil darin die
EU-Kommission mit einem 16 Millionen-Ecu-"Entwicklungs"-projekt
eine beschämende Rolle spielt.
Laut SURVIVAL INTERNATIONAL, einer NGO, lebt in Chaco das Volk
der Enxet, das an die 16.000 Angehörige zählt. Seit
Jahren werden diese indígenas von Großgrundbesitzern
und Siedlern schikaniert, weil sie Landtitel für einen
kleinen Teil ihrer seit jeher genutzten Gebiete einfordern. Ihre
Häuser werden systematisch verbrannt, man zwingt sie, ihre
Tiere aus- und verhungern zu lassen. Alles, obwohl Paraguays
Regierung ausdrücklich die Landrechte der indígenas
anerkennt.
Bereits 1994, als Pläne für das EU-Entwicklungsprojekt
publik wurden, schrieben die Enxet an den ehemaligen
EU-Präsidenten Jacques Delors:
"We know nothing about this projekt because no one has bothered to come and explain it to us" 1995 erklärte der Außenminister Paraguays: "land rights are fantasy".
Am 26. April 1995 beschloß das Europäische
Parlament, daß in allen EU-Abkommen mit anderen Staaten
Menschenrechtsklauseln enthalten sein müssen. Gemeinsam mit
den Enxet forderte deshalb SURVIVAL die Europäische
Kommission auf, diesem Grundsatz zu entsprechen und das Projekt
erst dann fortzusetzen, wenn die Regierung Paraguays die
indigenen Landrechte festsetzt und die eben erwähnten
Schikanen gestoppt werden.
Mit dieser Auffassung übereinstimmend, erklärten auch
die EU-Mitgliederstaaten, daß das Projekt nur unter der
Bedingung weitergeführt werden könne, daß die
Indígenas die Landtitel für Teile ihrer seit
altersher bewohnten Territorien erhalten hätten. Was nicht
nur die dringendste Priorität dieses Volkes, sondern auch
eine Verpflichtung im internationalem und paraguayischen Recht
darstellt.
Im Juli des Jahres 1999 wurde das Projekt von der Kommission mit der Versicherung angenommen, daß sich die Voraussetzungen erfüllt hätten.
Dagegen befand eine unabhängige Untersuchung im Auftrag
der EU:
that
"- the Indians received virtually nothing so far;
- the Commission's report contained 'flawed' and 'inflated'
data;
- only one out of 47 communities has actually got land
title".
Obwohl verpflichtet, hat es die Kommission unterlassen, den Mitgliedstaaten den Bericht zu präsentieren. Unklar und suspekt ist auch die Abberufung des österreichischen Anthropologen Georg Brünberg, der von der EU mit der Einschätzung des Projekts betraut wurde. Paraguay hatte die Abberufung beantragt.
Fünf Jahre nachdem die EU den Indígenas versichert
hatte, ihre Landansprüche definitiv zu regeln, "leben" die
meisten Indígenas weiterhin in armseligsten
Verhältnissen entlang der Hauptstraße.
Profitiert und bereichert haben sich dafür korrupte
Regierungsbeamte, die im Namen der Indígenas riesige
Flächen an unbewohnbarem Land gekauft hatten. Das die
Projektannahme von seiten der EU der Regierung jegliche
Motivation genommen hat, den Indígenas weiteres Land zu
gewähren, liegt auf der Hand.
6. Peru .: oben :.
Der Amazonasanrainerstaat Peru, der wie Kolumbien und Bolivien
bereits die ILO-Vorläuferkonvention Nr.107 unterzeichnet
hatte, hat am 2. Februar 1994 die ILO 169 unterzeichnet. Die
Präsidialrepublik wird seit 1990 vom Staatsoberhaupt
Fujimori, dessen wichtigste Stützen die Geheimdienste und
die Streitkräfte sind, mit autoritär Hand
geführt.
Der Regierung Fujimoris werden laufend
Menschenrechtsverletzungen, eine neoliberale Wirtschaftpolitik
und eine demokratiefeindliche Haltung vorgeworfen.
Menschenrechtsorganisationen berichten von Folterungen von Festgenommenen durch Polizei, Militär und Geheimdienste, Unterlassungen der Regierung im Bereich der konstitutionellen Rechte sowie Einschüchterungsversuche und Drohungen gegen Oppositionspolitiker und kritische Journalisten .
Im Sommer 1999 urteilt der Interamerikanische Gerichtshof
für Menschenrechte, daß die bereits 1993 erfolgte
Verurteilung vier chilenischer MRTA-Aktivisten zu einer
lebenslänglichen Freiheitsstrafe durch ein
Militärgericht rechtswidrig und neu zu verhandeln sei.
Obwohl die damalige Verfassung die Zuständigkeit der
Militärgerichte auf Armeeangehörige begrenzte, weitete
die Fujjimori -Regierung 1993 verfassungsgemäß die
Zuständigkeit der Militärjustiz auf Fälle von
"Terrorismus" und "Vaterlandsverrat" aus.
Terrorismus ist in Peru ein weiter Begriff (infra).
Im selben Jahr stattete der Kongreß in Form eines
Ermächtigungsgesetzes die Regierung mit allen Vollmachten
aus, um ohne parlamentarische Mehrheiten die Strafgesetzgebung in
Fällen von Terrorismus ändern zu können.
"Die Anwälte der Beschuldigten bekommen nur beschränkten Zugriff auf die Anklageschrift. In vielen Fällen sind die Richter keine ausgebildeten Juristen und verfügen über wenig Gerichtserfahrung."
Jede Protestaktion gegen Ölkonzerne kann als "Terrorismus" inter-pretiert werden, wobei die Angeklagten von Militärgerichten in Schnellverfahren abgeurteilt werden können. Was dies für die Indígenas und - abgesehen von der Mißachtung der ILO 169 - für die Rechtsstaatlichkeit insgesamt bedeutet, ist offensichtlich.
Auf jeden Fall anerkennt und schützt Peru in der neuen Verfassung von 1993 die ethnische und und kulturelle Vielfalt genauso, wie die kulturellen Manifestationen der pueplos indígenas.
Die Politik Fujimoris richtet sich besonders auf zwei Themenbereiche: das Wirtschaftswachstum und die Guerilla-Bekämpfung.
Letztere Aufgabe dürfte ihm im Juli 1999 durch die Festnahme von Feliciano, dem Anführer des Sendero Luminoso gelungen sein. Wieviele Menschen heute infolge der Terrorbekämpfung unschuldig unter schlimmsten Menschenrechtsverletzungen in den berüchtigten peruanischen Gefägnissen dahinvegetieren, ist ein anderes Kapitel.
In den letzten Jahren wurde Peru durch eine Reihe von
neoliberalen Grundsätzen und Bestimmungen zum Eldorado
für Öl- und Gaskonzerne und zum Inferno für die
Indígenas.
Folgendes wird "angeboten" :
- Erleichterungen und Ausnahmen im Zoll,
- Wettbewerbsfreiheit,
- der Auftragnehmer hat die Möglichkeit, Eigentümer
des gesamten
geförderten Öls zu werden,
- Konsolidierung der Verträge aus Steuergründen;
- bei vertraglichen Schwierigkeiten jeglicher Art, besteht
die
Möglichkeit vor ein internationales Schiedsgericht zu
gehen;
- günstige Bedingungen im Bank- und
Versicherungssektor;
- ein Anstieg der Konzessionen;
- die Beseitigung von arbeitsrechtlichen Schutznormen;
- 1995 wird ein Gesetz erlassen, das Privatinvestitionen im
Landschaftssektor fördern und dabei auch die Restriktionen
beim Verkauf von Ländereien der bäuerlichen und
indigenen Gemeinschaften lockert; usw.
Abgesehen von der staatsrechtlichen Auslegung von "Terrorismus", kommt für die Indígenas im "Gesetzesdekret für das Wachstum der privaten Wirtschaft" noch dazu, daß, wenn z.B. Umweltorganisationen im Interesse der Betroffenen gerichtliche Klagen einreichen, der Kläger, im Falle daß die Klage abgewiesen wird, 'für den zu verantwortlichen Schaden' haften kann.
Diese Bestimmungen bergen natürlich ein enormes Konfliktpotential hinsichtlich des Implementierungsprozesses der ILO169.
Dementsprechend bemängeln die Indígenas immer wieder:
"[...] la ausencia de consulta a las comunidades nativas, cuando se han firmado contratos con las impresas petroleras. Tomando en cuenta que el Peru ratificó el Convenio 169 de la OIT con la RESOLUCION LEGISLATIVA No. 26253 (LEY NACIONAL), y se comprometió a cumplirlo....
[...] Debemos procurar que sigan siendo las comunidades nativas las guardianes de nuestros bosques y de nuestra biodiversidad. Entendemos claramente que es necesario desarrollarnos como país a través de la inversion privada, por lo cual se han dictado normas basadas en la libre competencia y el libre acceso a la actividad economica, pero consideramos permitente que debemos hacerlo de manera sostenible con RESPETO; CONSULTA A PARTICIPCION (RESOLUCION LEGISLATIVA No. 26253 Art. 5, 7, 14, 26) respondiendo a las realidades y a las necesidades de los propios pueblos indígenas sin poner el riesgo a la subsistencia de nuestras generaciones futuras."
Wobei hinzukommt, daß laut IWGIA die Möglichkeit besteht, in Lima die aus der ILO169 resultierende Konsultationspflicht durch die Vorlage einer formaltechnischen Umweltverträglichkkeitsstudie zu umgehen.
Und trotzdem treten die indigenen NGOs immer organisierter auf
und können in den letzten Jahren auf eine Reihe von Erfolgen
zurückweisen:
- durch die starke Haltung, die die FENAMED (Federación
de Comunidades Nativas de Madre Dios) in der Verteidigung der
nichtkontaktierten Völker in Madre de Dios eingenommen
hat;
- durch die strikte Ablehnung von Arco von seiten der Achuales.
Der Ölkonzern war ohne Verhandlungen in ihr Land
eingedrungen;
- durch die Aktionen der FECONACO (Federación de
Comundidades Nativas del Río Corrientes), die den
Ölkonzern OXY wegen der Verschmutzung ihrer Seen und
Flüsse anklagte;
- der von den indigenen Organisationen koordinierte Prozeß
der Landanerkennung geht - wie das Beispiel der Paranapura und
der Ucayali zeigt - effektiv weiter;
- der legislative Versuch, indigene Landforderungen
einzubremsen, hatte keinen Erfolg. Trotz
Regierungsunterstützung ließ sich keine indigene
Gemeinschaft von den latifundistas oder ähnlichen
Interessenverbänden zu Verkauf, Landaufteilung oder Hypothek
zu überreden;
- AIDESEP, eine Mutterorganisation der amazonischen
Indígena-Bewegung, hat erfolgreich mehrere zweisprachige
Lehrer ausgebildet und ihre Aktivitäten auf drei
dezentralisierte Weiterbildungsprogramme ausgeweitet;
Letzteres trotz der forcierten Ineffizienz der Kommission
für zweisprachige Erziehung. Durch die Einstellung von
spanischsprechenden Lehrern in indigenen Schulen wurde die
Kastilianisierung gefördert.
Zwei Fallbeispiele:
1. Fall: Ölförderung am Río de las
Piedras
Am 26. März 1996 erhielt das Konsortium der Öl- und
Mineralkonzerne Mobil/Exxon/Elf von der peruanischen Regierung
die Konzession, in den Blöcken 77 und 78 Öl-Ressourcen
zu erkunden und auszubeuten. Block 7 befindet sich am Río
de las Piedras, nordöstlich vom Distrikt Madre de Dios.
Block 78 in der zona reserva Tampopata-Candamo, die für ihre
reiche Biodiversität bekannt ist. Konsultationen mit den
Indígenas fanden keine statt: "Es curioso mencionar que no
se realizó consulta alguna con las poblaciones locales,
incumpliendo las disposiciones contenidas en el Convenio
169."
2. Fall: Das Camisea-Projekt
Das Camisea-Projekt ist ein von der GfbV-Österreich gut
dokumentiertes Beispiel, um nicht nur sämtliche
ILO169-Verletzungen aufzuzeigen sondern auch die Art, wie
Mineralölkonzerne ihr skrupelloses Vorgehen weltweit
rechtfertigen. Im Jahre 1997 führte Shell Probebohrungen in
einer reserva der noch nomadisch und "unkontaktiert" lebenden
Nahua und Kugapakori durch, die im zentralgelegenen Regenwald
Perus seit altersher beheimatet sind. Das Projekt stellte eine
enorme Gefahr für die Umwelt und die Gesundheit dieser
Völker dar.
Im folgenden möchte ich - wegen des exemplarischen
Charakters - auf die einzelnen Verletzungen der ILO 169
eingehen:
(1) Shells Kompensationszahlungen gehen an die peruanische
Regierung, während die Nahua und Kugapakori leer
ausgehen.
Verletzung der ILO169-Artikel:
15 § 2: "In Fällen, in denen der Staat das Eigentum an
den mineralischen oder unterirdischen Ressourcen oder Rechte an
anderen Ressourcen des Landes behält, [...] Die betreffenden
Völker wo immer möglich an dem Nutzen aus solchen
Tätigkeiten teilhaben und müssen einen angemessenen
Ersatz für alle Schäden erhalten, die sie infolge
solcher Tätigkeiten erleiden."
(2) Auch im beim Camisea-Projekt kam es de facto und de jure
nicht zu Konsultationen.
Ein Augenzeuge aus der Camisea-Region:
" [...] Sie (Shell) haben dazu beigetragen, interne Differenzen
zu verstärken und benützen eine Gruppe, um sei gegen
eine andere auszuspielen."
Enrique Ballesteros, Direktor der Comison Andina de Juristas
:
"Die Dialoge der Firmen mit der indigenen Bevölkerung
beruhen üblicherweise auf Bevormundung, die die Unternehmen
begünstigt..."
Verletzung der ILO169-Artikel:
17 § 3: "Personen, die diesen Völkern nicht
angehören, sind daran zu hindern, deren Bräuche oder
deren Gesetzesunkenntnis auszunutzen, um Eigentums-, Besitz-,
oder Nutzungsrechte an deren Grund und Boden zu erwerben."
15 § 2: "In Fällen, in denen der Staat das Eigentum an den mineralischen oder unterirdischen Ressourcen oder Rechte an anderen Ressourcen des Landes behält, haben die Regierungen Verfahren festzulegen oder aufrechtzuerhalten, mit deren Hilfe sie die betreffenden Völker zu konsultieren haben, um festzustellen, ob und in welchem Ausmaß ihre Interessen beeinträchtigt werden würden, bevor sie Programme zur Erkundung oder Ausbeutung solcher Ressourcen ihres Landes durchführen oder genehmigen. [..]"
(3) Wie bereits erwähnt, stellte das Projekt für die Bevölkerung eine Gefährdung der Umwelt und deshalb und wegen der eingeschleppten Infektionskrankheiten, auch eine Gefahr ihrer Gesundheit dar.
In einer 100-Seiten-dicken Umweltverträglichkeitsstudie, die von Organisationen erstellt wurde, die naturgemäß keine Erfahrungen mit nicht-kontaktierten Indianern haben und die vom Chef-Anthropologen der Shell mit einem zweifelhaften nulla osta abgesegnet wurde, versuchte die Shell, sämtliche Bedenken der betroffenen Völker zu relativieren.
Verletzung des ILO169-Artikels
7 § 3: "Die Regierungen haben sicherzustellen, daß in
Zusammenarbeit mit den betreffenden Völkern gegebenenfalls
Untersuchungen durchgeführt werden, um die sozialen,
geistigen, kulturellen und Umweltauswirkungen geplanter
Entwicklungstätigkeiten auf diese Völker zu beurteilen.
Die Ergebnisse dieser Untersuchungen sind als grundlegende
Kriterien für die Durchführung dieser Tätigkeiten
anzusehen."
(4) "Die Männer aus Camisea gaben an, 'daß es im Camisea-Fluß weniger Fiische gibt, weil die Bohrstelle von Cashiriari 2 das Wasser verschmutzt.' Die Frauen sagten:'Der Fluß ist voller Abfall, Holz und Sand." Shells Antwort darauf: ' Wir werden eine Studie über die sozio-ökonomische Wichtigkeit von Fisch für die eingeborene Gemeinde in Auftrag geben.'"
"Wir sind ein Unternehmen, keine soziale Einrichtung", lautet der O-Ton von Shell. Laut Glattau verstehen die Shell-Manager den immensen Zynismus nicht, daß sie erst die Menschen krank machen und ihnen dann vielleicht ein Spital bauen.
Verletzung der ILO169-Artikel:
2 §1: "Es ist Aufgabe der Regierungen, mit Beteiligung der
betreffenden Völker koordinierte und planvolle
Maßnahmen auszuarbeiten, um die Rechte dieser Völker
zu schützen un die Achtung ihrer Unversehrtheit zu
gewährleisten."
25 §1: "1.Die Regierungen haben dafür zu sorgen, daß den betreffenden Völkern ausreichende Gesundheitsdienste zugänglich gemacht werden [...]"
Laut neuesten Meldungen soll sich Shell aufgrund des internationalen Drucks aus dem Gebiet des Río Camisea zurückgezogen haben.
Das Oberste Gericht erklärt am 9.2.1998 eine erneute Kandidatur von Präsident Fujimori für eine dritte Amtszeit bei den Präsidantschaftswahlen 2000 für rechtmäßig, obwohl das Verfassungsgericht eine erneute Bewerbung für verfassungswidrig erklärt hatte.
"Peru ist kein Rechtsstaat mehr" Perez de Cuellar, peruanischer Ex-Uno- Generalsekretär, Wien, September 1997.
Quellen:
Glattau (FN220) S.7 ff
Fischer Weltalmanach '99: Peru, S.576
Tomei/Swepston (FN10)
Rossbach (Fn94)
7. Honduras .: oben
:.
Mit dem Amtsantritt von Carlos Roberto Reina, ehemals
Vorsitzender des Inter-Amerikanischen Gerichtshofes für
Menschenrechte, scheint die Präsidialrepublik Honduras in
eine neue Ära eingetreten zu sein, die seit Januar 1998 mit
Präsident Carlos Roberto Flores Facussé fortgesetzt
wird.
Unter der Regierung Reinas fanden eine Reihe
menschenrechtsrelevanter Reformen statt: z.B. die Reform der
Staatsanwaltschaft, die Auflösung der DNI (Dirección
Nacional de Investigaciones), einer dem Militär
unterstellten Kriminalpolizei, die in der Vergangenheit in
zahlreichen Menschenrechtsverletzungen verwickelt war, eine
verfassungsmäßige Stärkung des Mandats der
Behörde des national Beauftragten für den Schutz der
Menschenrechte und die Abschaffung der allgemeinen
Wehrpflicht.
Präsident Flores führte die Entmilitarisierungspolitik
fort. Seit Januar 1999 steht die honduranische Armee unter dem
Oberbefehl des Präsidenten. Um die Putschgefahr zu bannen,
wurden höchstdiplomatisch auf militärischer Ebene
einige wichtige personelle Veränderungen vorgenommen. In
Honduras gehört das Militär, das auch im Waffen- und
Drogenschmuggel aktiv ist, zu den größten
Wirtschaftskonsortien des Landes.
Im Jahre 1995 kam die neue Verfassung heraus, die sich jedoch
nur in einer allgemeinen Form an die Indígenas
richtet:
Artikel 173 weist kurz auf die Pflicht des Staates hin, "die
indigene Kultur zu schützen und zu fördern"
Honduras hat im März des Jahres 1995 die ILO 169 unterzeichnet.
Im selben Jahr hielten die Lencas einen Protestmarsch auf die
Hauptstadt Tegucigalpa ab um eine Kampagne für die Rechte
indigener Völker zu initiieren. Weitere indigene Völker
schlossen sich dem Marsch an, der wegen seines friedlichen und
christlichen Charakters eine "Wallfahrt" genannt wurde. Vor den
Toren des Regierungsgebäudes begannen doe Indígenas
mit einem Hungerstreik, wobei sie Land, Gesundheitsfürsorge,
Ausbildung und Infrastrukturen forderten.
Postulate, die ihnen durch die Ratifizierung der ILO 169
zustehen. Die Regierung machte schließlich
Zugeständnisse.
Da sie sich aber nicht an die Abmachungen hielt, folgten in den
Jahren 1995 und 1996 weitere Protestmärsche, die unter
Präsident Reina zur Schaffung des Öffentlichen
Anklagebüros für ethnische Gruppen führte, eine
Institution, die die Wahrung der Rechte indigener Völker
überwachen sollte. Trotz guter Absicht zeigte sich in den
darauffolgenden Jahren, daß dadurch kein wirklicher Schutz
für die Indígenas gewährleistet wurde.
Zwei Fallbeispiele :
1.Fall
Im Jahre 1996 kam es zu ernsten Konflikten zwischen den
Tawahkas, die im Tawahka Asangni Reservat, einem der wichtigsten
mittelamerika-nischen Regenwälder leben und den ladinos und
mestizos der Umgebung, die wiederholt die Grenzen des Reservats
mißachtet hatten. Obwohl die Indígenas vom
Öffentlichen Anklagebüro für ethnische Gruppen in
ihren Landansprüchen unterstützt wurden, bekamen die
Anführer der Tawahkas Morddrohungen.
Es gibt in der Region keine militärische oder zivile
Präsenz, die den Indígenas Sicherheit und Schutz
gewähren könnte.
2.Fall
Die Chortíes leben im Westen zur guatemaltekischen Grenze
hin. Seit langer Zeit und zuletzt mit Unterstützung des
Öffentlichen Anklagebüro für ethnische Gruppen,
fordern die Indígenas, daß ihnen die latifundistas
der Umgebung ihr Land zurückgeben. Für seinen Einsatz
wurde einer ihrer Anführer durch mehrere Schüsse und
Machetenhiebe am 17.April ermordet. Nicht genug, schnitt man ihm
noch den langen Bart und die Haare ab. Ein feiger Mord, dem die
Regierung machtlos gegenüberstand.
Vom 13. bis 14. Oktober 1997 fand in Tegucigalpa der erste Kongreß der Ureinwohner Zentralamerikas statt, an dem Vertreter von 56 Urein-wohnerverbänden und von Staaten der Region teilnehmen. Gefordert wurden vor allem die Einbeziehung der Ureinwohner in die Entwicklungsprogramme der Region, die Ratifizierung bzw. Umsetzung der ILO 169 und die friedliche Koexistenz unter gleichberechtigten Bedingungen.
Quellen:
- Fischer Weltalmanach '99: Honduras, S.327ff
- IWGIA, The Indigenous World 1997, S.64ff
- http://www.amnesty.de/berichte/amr37/anliegen.htm
(28.11.99)
- Schönherr, V., "Kraftprobe vorerst bestanden" in:
Lateinamerika
Nachrichten 303/304 (September/Oktober 1999)
8. Guatemala .: oben
:.
In der Heimat von Rigoberta Menchú Tum ,
Friedensnobelpreisträgerin von 1992, sind 60 Prozent der
Bevölkerung Indígenas, hauptsächlich Nachkommen
der Maya. Die größten Völker sind die
Kiché, die Mam, die Kekchí und die Kaqchikel.
Das Land zählt zu den ärmsten Lateinamerikas:
- 85% des Bodens gehören 2% der Bevölkerung;
- 82% der Kinder leiden an Unterernährung;
- 80% der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze;
- 50% der Kinder werden kaum älter als fünf Jahre;
Die Geschichte der Indígenas Guatemalas ist die Geschichte ihrer Unterdrückung, die Mitte des 16. Jahrhunderts mit der spanischen Eroberung Mittel- und Südamerikas begann und nachwievor fortdauert.
Ende 20. Jahrhundert
Reiche ladinos aus der Kaffe-Branche rauben den Indígenas
mit Unterstützung ausländischer Wirtschaftskreise das
kommunale Land, das ihnen anch der Unabhängigkeit
zugesprochen wurde.
1934
General Ubico (1931-1944) erläßt das Gesetz gegen
Vagantentum:
Jeder Indígena ohne Land wird als "faul" erklärt und
darf deshalb zur Zwangsarbeit in den Kaffeeplantagen der neuen
Machthaber verurteilt werden. Dieses System hält sich bis in
die Mitte des XX.Jahrhunderts
1944
Bürgerliche Revolution und knapp 10jährige
demokratische Blütezeit Guatemalas. Es entstehen erste
Volksorganisationen (Gewerkschaften, Studentenorganisationen,
Vereinigungen indigener campesinos) und das Gesetz zur
Agrarreform beschließt die Umverteilung des Landes
Davon ist auch der US-Konzern "United Fruit Company"
betroffen.
1954
Armeeputsch mit Hilfe der latifundistas, des amerikanischen
Außenministeriums, der CIA und der US-Army .
DieAgrarreform und soziale Errungenschaften werden
zurückgenommen.
1960
Beginn der Periode des Schreckens - "Politik der verbrannten
Erde"
1985
Die neue Verfassung richtet sich an die Indígenas und
bestimmt ihre Rechte
1994
Friedensprozeß von Oslo unter UN-Mediation
1995
31.März: das Abkommen über Identität und Rechte
der Indigenen Völker wird von Regierung und URNG
(Guatemaltekischen Nationalen Revolutionären Einheit)
unterzeichnet. Die ILO nahm auf Wunsch der UNO an den
Verhandlungen teil. Das Abkommen baut auf der ILO 169 auf.
1996
Juni: Ratifizierung der ILO 169
26.Dezember: Präsident Arzú und die vier in der URNG
zusammengeschlossenen Guerillabewegungen beenden mit der
Unterzeichnung des Friedensvertrages 36 Jahre Bürgerkrieg.
Die Angst vor einer militärischen Intervention bleibt
aufrecht.
Ein Amnestiegesetz sichert - mit Ausnahme für Genozid -
für alle Verbrechen Straffreiheit zu. (Die
Wahrheitskommission wird sich später dagegenstellen)
1998
Aufgrund des begrenzten Mandats der Wahrheitskommission
veranlaßt die katholische Kirche Guatemalas eine eigene
Untersuchung "Guatemala: Nunca más!", deren Ergebnis am
24. April von Bischof Juan Gerardi vorgestellt wird. Dafür
bezahlt er zwei Tage später mit dem Leben.
1999
25. Februar: die "Kommission für die historische
Aufklärung", kurz Wahrheitskommission, die der Berliner
Völkerrechtler Christian Tomuschat sowie die Guatemalteken
Alfredo Balsells und Otilia de Cotí im Auftrag der UNO
leiten, legt ihre Ergebnisse vor:
- 200 000 Ermordete - über 80% Indígenas
- 93% der MR-Verletzungen wurden vom Militär
verübt
- 3% von der Guerilla
Tomuschat spricht klar über die Verantwortung des Staates
für den Völkermord an den Indígenas und
über die Rolle der USA.
16. Juni: das Volksreferendum für ein "multiethnisches, plurikulturelles und vielsprachiges" Guatemala scheitert. Bei einer Wahlbeteiligung von 18,6 Prozent stimmen 53 Prozent gegen eine Reform.
7. November: Ironie des Schicksals!? Bei den Parlamentswahlen liegt die FRG (Republikanische Front) klar vorn. Es ist die Partei des früheren Diktators Efraín Ríos Montt, der die "Politik der verbrannten Erde" auf ihren Höhepunkt gebracht hatte. Alfonso Portillo, Präsidentschaftskandidat der rechtsextremen FRG, war Juradozent und Guerillero.
Die ILO und die ILO169 spielen in Guatemala seit dem Beginn der Friedensverhandlungen ein wichtige Rolle:
Seit April 1995 unterstützt die ILO mit dem Kooperationsprojekt "Indigene und in Stämmen lebende Völker: Armutslinderung und Demokratisierung" indigene Organisationen und Gruppen in rechtlichen Belängen, in Ausbildungs- und Entwicklungsarbeit, um ihre Ansichten in Aktivitäten, die sich auf den Friedensprozeß beziehen, effizienter vorzubringen.
"Another goal of the project is to establish conditions and opportunitiesfor the analysis and debate between the State, indigenous peoples, and other social parties of issues of concern to indigenous peoples."
Doch allein das Scheitern des Plebiszits von 1999 zeigt, wie man von einer Verwirklichung der Prinzipien der ILO 169 noch weit entfernt ist.
Bei der Volksabstimmung, die 50 Verfassungsreformen betraf,
ging es um die offizielle Anerkennung der guatemaltekischen
Indígenas, um eine Reform der Legislative, Exekutive und
Justiz und um die Machteinschränkung der Armee. Dei
Verfassungsänderungen waren im Herbst 1998 bereits vom
Kongreß verabschiedet worden und sollten jetz legalisiert
werden.
Dabei gibt es für das Scheitern mehrere Gründe, die
auch von der Mißachtung sämtlicher ILO160-Prinzipien
zeugen:
(1) Der fehlende politische Wille der Regierung, Verantwortung für die Vergangenheit zu übernehmen.
(2) Auch wenn in den ländlichen Gebieten das "Ja" gesiegt hat, läßt sich die niedrige Wahlbeteiligung hauptsächlich auf die hohe Analphabetenrate (70%) zurückführen. Ein großer Teil der Indígenas ist des Spanischen nicht mächtig.
(3) Normalerweise werden die Leute gratis in die Wahlokale gebracht, die es nur in den Städten und größeren Ortschaften gibt. Beim Plebiszit wurde niemand zu den Urnen gebracht. Deshalb wählten die Indígenas lieber nicht, als ein, zwei Arbeitstage zu verlieren; dazu kommen die Ausgaben für Transport und Verpflegung.
(4) "Den Leuten hätte zuerst erklärt werden müssen, was die Verfassung überhaupt ist und was diese Veränderungen bedeuten, und zwar in einer allgemeinen, populären Form. Das bedeutet, daß das Wissen über die Vorteile der Reformen die Leute nicht erreichte."
(5) Noch immer ist ein beträchtlicher Teil der
GuatemaltekInnen, die laut Verfassung wahlberechtigt wären,
nicht in die Wählerverzeichnisse aufgenommen und sind somit
ausgeschlossen.
Über OILWATCH bin ich auch auf ein "klassisches" Fallbeispiel gestoßen, wenn dies auch in dem eben gezeichneten Rahmen fast schon sarkastisch anmutet.
Fallbeispiel:
Die Regierung Guatemalas bestimmte im Juli 1998 zwei Gebiete,
die sich in der reserva der Maya im Departemento Petén
befinden und fast 300 000 ha umfassen, für
Erdölbohrungen durch ausländische Unternehmen. Die
Region beherbergt den größten und bedeutendsten
tropischen Regenwald in Guatemala.
Dabei wurden bereits 65% der ursprünglichen Waldfläche
Guatemalas in den 70er und 80er Jahren abgehozt und
zerstört.
In einer Petition an die staatliche Umweltbehörde, an das
Ministerium für Energie und Bergbau und an ausländische
Erdölfirmen, haben die Gemeinden Carmelita und Uaxactun ein
Informations- und Mitspracherecht gefordert.
Darauf hat nun das guatemaltekische Militär
angekündigt, in den Gemeinden zwei Milizeinheiten zu
stationieren.
Laut RFA/Oilwatch Wien verletzt dieser Schritt in Geist und
Schrift das Friedensabkommen von 1996, wo festgehalten wurde,
daß die Rolle des Militärs im Landesinnern
eingeschränkt und auf die Kontrolle der Außengrenzen
Guatemalas konzentriert werden soll.
Quellen:
- Rathgeber, T.,"Der Bericht der Wahrheitskommission" in: pogrom
203/ Juli/August 1999, S.39ff
- Turetschek, F., "Guatemala - ein Land auf dem Weg zum
Frieden?" in: rainforest news Nr.1/1999, S.7ff
- Interview mit Frank LaRue vom CALDH (Centro de Acción
Legal para los Derechos Humanos), "Durch den Friedensprozeß
hat sich noch zu wenig geändert" in: Lateinamerika
Nachrichten 298/April 1999, S.30ff
- Hatzky, Ch.,"Sonst läuft die Haushälterin davon" in:
Lateinamerika Nachrichten 300/Juni 1999, S.43ff
- Tomei/Swepston, Indigenous and Tribal Peoples: A Guide o ILO
Convention Nr. 169 (1996)
- Interview mit Nery Macz Koester vom Menschenrechtsbüro
der Erzdiözese Guatemala - aus: Stimpfl, M., "Sehr abstrakte
Sachen" in: SÜDWIND (Oktober 1999)
- Schönherr, V.,"Guatemala biegt rechts ab" in:
Lateinamerika Nachrichten 306/Dezember 1999, S.16
- Fischer Weltalmanach 1999: Gautemala, S.328ff
9. Ecuador. Indigenen Emanzipation .:
oben :.
Das Jahr 1998 war ein denkwürdiges Jahr für die
indigenen Völker Ecuadors: nach jahrzehntelangen friedlichen
Kämpfen und einem bemerkenswerten Prozeß der
Emanzipation, die anfangs der 90er Jahre zu levantamientos und
movilizaciónes mit Hunderttausenden Indígenas
führten, die immer wieder gegen die Hauptstadt Quito
marschierten und das ganze Land lahmlegten und nach all den
leeren Versprechungen der Regierung, wurde in jenem Jahr endlich
die neue Verfassung verabschiedet, die sich direkt an die
Indígenas und ihre Rechte richteten.
Im Mai desselben Jahres hat Ecuador als vorerst letztes Land die
ILO 169 ratifiziert.
Leider fehlt es noch überall an der Umsetzung der
Reformen.
Dafür ist es nachwievor erstaunlich, daß "die Indígena-Organisationen trotz aller internen Schwierigkeiten und Widersprüche derzeit die bestorganisierte Oppositionskraft im Land sind."
Am 19. Mai1996 wurde Luis Macas, langjähriger Präsident der CONFENIAE (Confederación de Nacionalidades Indígenas de la Amazonía Ecuatoriana) als erster Indígena in Ecuadors nationales Parlament gewählt. Mit der Bewegung Pachakutik (Nuevo país) schafften drei weitere Indígenas den Sprung in drei Landesparlamente.
Die Rechte der Indígenas Ecuadors in der neuen
Verfassung
Artikel 1
Neben dem Kastillianischen als offizielle Landessprache, werden
Quichua, Shuar und die übrigen von altersher gesprochenen
Sprachen offiziell anerkannt "en los términos que fija la
ley"
Artikel 23, Abs. 3
garantiert die Gleichberechtigung ohne Unterschiede.
Artikel 24, Abs. 10
setzt ausdrücklich fest, daß der Staat "defensores
Públicos para el patrocinio de las comunidades
indígenas [...]" einstellt.
Artikel 44
anerkennt, respektiert und fördert die traditionelle und
alternative Medizin.
Artikel 60
sieht eine spezielle Sozialversicherung für die campesinos,
die pescadores artesanales und die Landbevölkerung vor.
Artikel 62
Schutz der plurikulturellen und multiethnischen
Identität.
Artikel 68
bestimmt, daß das nationale Erziehungssystem durch eine
dezentralisierte Verwaltung Unterrichtsprogramme vorsieht, die an
die unterschiedlichen, kulturellen Gegebenheiten angepaßt
werden.
Artikel 69
garantiert die zweisprachige Erziehung.
Artikel 83
bestimmt, daß die indigenen Völker, "que se
autodefinen como nacionalidades de raíces ancestrales" und
die schwarzen und afroecuatorianischen Völker einen Teil vom
einzigen und unteilbaren Staat Ecuador formen.
Artikel 84
determiniert die kollektiven Rechte der Indígenas:
1. Schutz, Entwicklung und Stärkung der spirituellen,
kulturellen, linguistischen, sozialen, politischen und
ökonomischen Identität und Tradition.
2. Die gemeinsamen Länder der Indígenas sind
unteilbar, unverjährbar, unveräußerlich und
unbeschlagnahmbar - außer "la facultad del Estado para
declarar su utilidad pública"
3. Die gesetzeskonforme, unentgeltliche Anerkennung der
traditionellen Länder der Indígenas wird
festgesetzt.
4. Das Partizipationsrecht an den natürlichen, erneuerbaren
und unterirdischen Ressourcen wird garantiert.
5. Betrifft die ILO169-konforme Konsultationspflicht.
6. Betrifft den Erhalt und die Förderung der
Biodiversität.
7. Erhalt und Förderung der traditionellen Formen des
Zusammenlebens, der Verwaltung und der Organisation.
8. Verbot der Versetzung eines indigenen Volkes.
9. 10. und 12. Betreffen den Schutz und die Förderung des
intellektuellen und historischen Eigentums
13. Verspricht die staatliche Unterstützung der
ökonomischen und sozialen Position der
Indígenas.
14. Garantiert die Bürgerbeteiligung der
Indígenas.
15. Erlaubt den Gebrauch von Identifikationsmerkmalen.
Artikel 191, Paragraph 4
garantiert die traditionallen Rechtssprechung der
Indígenas, sofern sie mit den nationalen Gesetzen
kompatibel ist.
Artikel 240
determiniert ein spezielles Programm für die
Amazonasregionen zur Unterstützung der regionalen
Entwicklung und dem Erhalt der Biodiversität.
Artikel 224
Der Staat verspricht eigene indigene und afroecuatorianische
Verwaltungsbezirke ("circunscripciones territoriales
indígenas y afroecuatorianos") zu errichten.
Artikel 245
anerkennt und reguliert auch die Unternehmen die in
gemeinschaftlicher Form gemäß der indigenen Tradition
geführt werden.
Artikel 267 § 2
sieht Maßnahmen zur Ausmerzung der ländlichen Armut
vor.
Der Fluch des schwarzen Goldes
Von allen Ländern Südamerikas verschwindet in Ecuador
der Regenwald am schnellsten. Eine der Hauptursachen ist die
Förderung von Erdöl im oriente, im östlichen
Amazonasbecken des Landes. Mit der ersten Konzession zur
Erdölausbeutung an das US-Konsortium Texaco-Gulf im Jahre
1964, nahm die Umweltkatastrophe ihren Anfang. Rund ein Drittel
des oriente ist inzwischen in Blöcke aufgeteilt und an rund
30 hauptsächlich amerikanischen , aber auch an
europäischen Konzernen wie Elf Aquitaine (F), Agip (I) und
BP (GB) vergeben.
Die Folgen für die Chachí, Shuar, Achuar, Cofán, Awa, Quichua, Siona Secoya, Tsa'chila, Huaorani und Epera die im Regenwald seit jeher leben und an die 150.000 Menschen zählen, sind fatal.
"Im Herbst 1993 haben Us-Anwälte in Vertretung ecuatorianischer Regenwaldindianer vor einem New Yorker Bundesgericht 1 Milliarde Dollar eingeklagt, als Schadenersatz für die 25 Jahre währende Verseuchung des Regenwaldes mit Öl-Abfällen durch die Texaco. Die Texaco soll wissentlich und systematisch über 20 Jahre hindurch Ölabfälle in Seen und offenen Gruben deponiert haben. Die geförderten Formationswässer wurden direkt in die Flüsse geleitet (ca. 16 Mio l täglich) und mit den Wässern etwa um die 10.000 l Rohöl am Tag." (1 Liter Öl verseucht eine Million Liter Flußwasser und tötet darin alles Leben ab.)
Besonders Texaco hat durch die Verwendung von Billigtechnologie und der Unterlassung von Sanierungsmaßnahmen ein apokalyptisches Umweltszenario hinterlassen. Heute trifft man in den nördlichen Provinzen Sucumbíos und Napo fortlaufend auf schwarze Auffangbecken und verseuchte, dickflüssige Gewässer.
Um für die Erdölaubeutung die "Zustimmung" der Indígenas zu erlangen, werden heute oft noch säckeweise Lebensmittel, Wellblechdächer, Außenbordmotoren verschenkt, werden Fußballplätze und der Bau von Schulen versprochen. Oft kommt noch ein kleines Päckchen Dollarschein dazu. Migajas, Brotkrümel, sagen die kritischen Kreise Ecuadors dazu, denkt man an die Milliardengewinne, die die Konzerne einstreichen.
Nachwievor existieren für die Erdölexploration und -förderung keine international verbindlichen Standards. Von internationalen Organisationen wie dem E&p Forum (Exploration and Production Forum) der erdölfördernden Industrie wurden lediglich Richtlinien mit appellativen Charakter für eine umweltverträgliche Erdölförderung in den tropischen Regenwäldern aufgestellt. Für jede Stufe der Exploration und Produktion werden Maßnahmen eines umweltschonenden Erdölabbaus aufgezeigt.
Das nationale Erdölgesetz (Ley de Hidrocarburos), das seit 1932 öfters reformiert wurde, erklärt die Bodenschätze zum Staatseigentum und legt das System der Konzessionsvergabe fest.
"Der Staat, vertreten durch den Nationalbetrieb Petroecuador, authorisiert folgende Vertragsarten: Kooperationsverträge (joint venture), Risikoverträge (risk service) und Beteiligungsverträge (participating contracts). Firmen, die einen dieser Verträge mit Petroecuador unterschreiben, müssen Zugangsrechte, Ertragsanteile, Zuschüsse für den staatlichen Bildungssektor, Abgaben für die Pipeline, Benutzung und Beiträge zu öffentlichen Einrichtungen in den betroffenen Regionen leisten. Die ecuadorianische Regierung behält sich vor, Preis und Kosten für den einheimischen Verbrauch festzulegen. [...] Die Vertragsgestaltung erlaubt den transnationalen Erdölkonzernen eine kostengünstigere Produktion als in den meisten OPEC-Staaten."
Bis in die 90er Jahre waren die Umweltgesetze so allgemein
formuliert, daß die mächtigste Industrie des Landes
sie als faktisch nicht existent betrachten konnte.
Seit 1992 sind die Firmen verpflichtet, eine
Umweltverträglich-keitsprüfung vor der Probebohrung
erstellen zu lassen und einen Umweltmanagementplan abzufassen.
Umweltrechtlich ist das Gesetz über Forst- und
Naturschutzgebiete von 1990 zu erwähnen, das in den
Naturschutzgebieten jede Art von Umweltverschmutzung
unabhängig von ihrem Ziel verbietet.
Seit 1995 existiert auch das Umweltreglement für die
Erdöloperationen in Ecuador (Reglamento Ambiental para las
Operaciones Hidrocarburíferas en el Ecuador), das von der
Umweltberatungsorganisation der Regierung und dem Sekretariat
für Umwelt des Ministeriums für Energie und Minen
herausgegeben wurde.
Aber nach dem, was ich vor Ort gesehen und gehört habe, ist
man auch 1999 von einer Umsetzung der Reformen und der effektiven
Beachtung von Umweltregeln noch meilenweit entfernt.
Heute schicken die Erdölkonzerne Anthropologen, Ethnologen und Psychologen in den Regenwald, die versuchen, die jeweilige Gemeinschaft zu spalten und irgendwann einen Verantwortlichen zu einer schriftlichen Zustimmung zu bewegen, die sein Schicksal und das seines Volkes besiegelt. Oft sind die Abkommen mit den Ölgesellschaften nicht einmal schriftlich festgehalten und diese fühlen sich nicht zur Einhaltung verpflichtet.
Nach der ersten Explorationsphase, für die schon viele Hektar Wald und die Tiere der Umgebung verschwinden (allein für einen Hubschrauberlandeplatz braucht es ca. 1ha Waldfläche), beginnt der Straßenbau. Das bereits verseuchte Ökosystem wird so unterbrochen. Siedler, Holzfäller, Spekulanten beginnen mit Waldrodungen.Krankheiten werden eingeschleppt. Gewalt kommt auf. Durch das Aufeinanderprallen der industriellen mit der indigenen Welt entstehen soziokulturelle konflikte. Miserable Arbeitsbedingungen, die häufige Unmöglichkeit, zur Gemeinschaft und zur traditionellen Subsistenzwirtschaft zurückzukehren tragen meist zur Entwurzelung, Abhängigkeit und Armut der Indígenas bei.
Obwohl Ecuador reiche Erdölvorkommen besitzt, zählt es heute zu den ärmsten Ländern Südamerikas. Warum?
1. Anfangs besaßen nur die Erdölkonzerne
Technologie und ausreichend Kapital um das Öl zu
fördern und hatten praktisch freie Hand bei der Gestaltug
von Konzessionsverträgen.
2. Von den Erdöleinnahmen profitierten hauptsächlich
die Armee und die staatliche Ölfirma Petroecuador. Der
soziale Sektor und die Landwirtschaft wurden stark
vernachlässigt.
3.Das faktische Scheitern der OPEC und die niedrigen
Weltmarktpreise des Erdöls gaben der Wirtschaft den Rest und
ließen die Wirtschaftsfalle zuklappen.
Eine Fallstudie: Yunganza - eine Shuar-Gemeinde und
ihre Landrechte
Die Shuar stellen mit 60.000 Personen die größte
nacionalidad des Amazonasraumes dar und wurden nie
militärisch besiegt. Erst den Salesianern gelang es im
20.Jahrhundert, ihre traditionelle Kultur weitgehend zu
zerstören und den weg für die Einflußnahme des
Nationalstaates zu ebnen. Doch waren es auch die Salesianer, die
1964 die Federación Shuar-Achuar zu gründen halfen,
deren Hauptanliegen heute die Legalisierung der Landtitel ist.
Die Federación verfügt derzeit über globale
Titel (d.h. gemeinschaftlichen Besitz) von 1,7 Mill. ha, sowie de
facto über eine weitreichende juristische Autonomie.
Die Shuar-Gemeinde Yunganza, die in der Provinz Morona
Santiago liegt, umfaßt 480 Bewohner und verfügt
über ein eingetragenes Territorium von ca. 1.700 ha.
Innerhalb einer Dekade hatte sie 70 Prozent ihres landes
verloren, was für die Gruppe eine lähmende Erfahrung
war.
Der Verlauf dieses Verlustes, der seine Ursache in der
unterschiedlichen Konzeption von "Landrecht" zwischen
Nationalstaat und indigenen Völkern hat, vollzieht sich mit
geringen Variationen meist in fünf Schritten:
1. Der Indígena, der seit jeher über große Territorien verfügt, bebaut sein Land auf traditionelle, umweltschonende Weise. Er nutzt das Gebiet seit Jahrhunderten und der Besitz von Land ist in seiner Kosmovision nicht vorgesehen. Daher ist auch der Besitz von "Landtiteln" eine dem Indígena fremdes Gedankengut, dessen Notwendigkeit für sein (Über-)Leben im Nationalstaat er (beinahe) zu spät erkannt hat.
2. Teilweise von der Regierung unterstützt, nahmen die colónos, arme landlose Mestizen, das "Brachland" (tierras baldías) in Besitz und ließen dieses Land, das keineswegs brach lag, auf ihren Namen eintragen. Somit galten sie vor dem Staat als rechtmäßige Besitzer.
3. Wenn die Indígena-Familie, welche das Nutzungsrecht auf diese Gebiete hatte, ihre Ansprüche formulierte, erntete sie zumeist Verachtung. Der vom Staat verliehene Landtitel lautete auf den namen des colono.
4. Nun beginnt der für den Indígena ungewohnte Rechtsstreit gegen eine fremde "Zivilisation". Es gibt keine indigenen Anwälte, die Weißen lassen sich ihre Dienste hoch bezahlen und stehen oft "auf der anderen Seite". Die Prozesse sind langwierig und teuer, die Beweisfindung ist kompliziert und die Haltung der Gerichte und aller sonstigen Beteiligten permanent von der allgegenwärtigen Diskriminierung der lateinamerikanischen Ureinwohner geprägt.
5. Durch Fristversäumnisse, hohe Prozeß- und Verfahrenskosten sowie enorme psychische und physische Belastungen verlieren viele der Indígenas ihre Rechte. Die Verkehrsmittel sind schlecht oder inexistent, die Gerichtsständeoft in entlegenen Städten. Da der Shuar traditionell kaum Vorräte anlegt, stürzt er zudem durch eine lange Abwesenheit die Familie daheim in eine bedrohliche Lage.
So ensteht der Landverlust. Oft geht es viel schneller: Sprachbarrieren, mangelnde Ausbildung und Information, fehlende finanzielle Mittel lassen es oft gar nicht zu Punkt 5 kommen.
"Die Entwicklung des Volkes in sozialer, spiritueller und kultureller Hinsicht hängt von seinem Land ab und ein nicht gerechtfertigter, unverständlicher Verlust führt zu schwerwiegenden Folgen in der sozialen Struktur eines Volkes. Es ist, als sage man zum Shuar : ‘Du und die Wälder müssen von hier verschwinden!"
Um ihr Überleben zu sichern, hatte sich die Gemeinde
Yunganza der FICSHA angeschlossen, um in einem "Mehrfrontenkampf"
den externen Einfluß und die Besitznahme von
Gemeindegründen durch Siedler zu verhindern.
In Sommer 1993 wurde Yunganza vor Gericht endlich der "Titulo
Común y Global" zuerkannt; d.h. das Gemeindeland
gehört nun allen ansässigen Shuar und ist nicht
veräußerbar.
Für die Umsetzung bleibt jedoch ein langer
bürokratischer und konfliktreicher Weg, zumal es mehrere
Hemmfaktiren zu überwinden gilt: z.B. der Bau der
Straße von Cuenca nach Macas.
Die Straße, die als fortschrittliches
Kommunikationsmittel gepriesen wurde, hatte für die
marginalisierte indigene Regenwaldbevölkerung nur negative
Folgen:
- bei der Planung der Straße wurden weder die Anrainer
(Shuar) befragt,
noch ökologische Gegebenheiten berücksichtigt;
- von den ursprünglich 5.000 ha Land gingen innerhalb zehn
Jahre 70%
verloren;
- die Invasion der colonos führte zudem zu Abhozlung und
Kahlschlag
des Regenwaldes, zu intensiver völlig inadäquater
land- und
Viehwirtschaft;
- die einzelnen Faktoren führten oftmals zur
Zerstörung der
soziokulturellen Familienstruktur der Shuar;
"Die Erhaltung des Amazonasbeckens ist eine moralische
Verpflichtung der ganzen Menschheit. Um sie zu
gewährleisten, müssen die indigenen Völker, welche
Amazonien bewohnen, ihre (Land-)Rechte zuerkannt erhalten, denn
sie sind die Garanten für ein Überleben
Amazoniens."
Indigene Rechte, Ökologie und
Erdölausbeutung. Einige Fallbeispiele .: oben
:.
Was die Erdölausbeutung betrifft, so wird sich wohl eher
schwerlich ein Beispiel finden, bei dem das Erdöl
rechtmäßig und halbwegs umwelt- bzw.
sozialverträglich ausgebeutet wurde.
Nimmt man den Zeitraum nach 1998 her, also die Zeit nach der
neuen Verfassung und der Ratifizierung der ILO 169, so kann ich
von einem Fall bezeugen, der sich in der Provinz Pastaza, im
Shuar -Territorium Yavintz zugetragen hat: Unser Freund und
Begleiter Tsamaraint Naychap' zeigte uns die Stelle, wo vor
kurzem Arbeiter bzw. Geologen eines Erdölkonzerns illegal in
ihr Land eingedrungen waren (Verstoß gegen Art.18 der ILO
169) und eine Schneise angelegt hatte, was auf einen Pipelinebau
hindeutet. Natürlich wurden die Shuar nicht konsultiert
(Verstoß gegen Art.17 der ILO 169).
Die Nachbarn der Shuar der Region Pastaza, die Huaorani, hatten - den Shuar zufolge - ein großes Landstück um ein paar Säcke Lebensmittel für die Erdölausbeutung hergegeben (Verstoß gegen Art. 17,3 der ILO 169). Anscheinend war auch Geld im Spiel.
"Schon James Yost, Anthropologe und Berater der Conoco hat
aufgezeigt, daß die Huaorani zum Untergang verurteilt
wären, wenn sie von ihrer traditionellen Wirtschaftsweise
abgetrennt und gezwungen würden, sich der nationalen Kultur
unterzuordnen...
Ich bin im oriente ein paar Mal auf Huaos gestoßen und
kann die Prophezeiung traurigerweise bestätigen"
Erst im Herbst 1999 "verkauften" Vertreter der Siona-Secoya ihr Land an einen Erdölkonzern, obwohl die ecuadorianische Umwelt-NGO Acción Ecologica, die Oilwatch International angegliedert ist, die Indígenas auf die fatalen Folgen ihres Handelns hingewiesen hat. "Nun sind wir reich", war die Antwort.
Grenzkrieg Peru-Ecuador
Bei unserem Aufenthalt bei den Shuar wurden wir oft von zwei
Soldaten begleitet, beide Shuar mit Kriegserfahrung im
Grenzstreit gegen Peru. Der Kampf und die unmenschliche
Ausbildung hatte diese Indígenas ziemlich abgestumpft. Im
Urwaldkampf konnte Ecuador, ebenso wie Peru, nicht auf die
Indígenas verzichten. In beiden Ländern leben Shuar.
So kam es, daß die Shuar, denen Grenzen wenig bedeuten, auf
ihre eigenen hermanos schiessen mußten. Als der Krieg
vorbei war, bekamen die Indígenas nur einen Bruchteil der
Entschädigungen, die den nichtindigenen Soldaten zuteil
wurde. Daß sie überhaupt etwas bekamen, ist wohl auf
die Angst des Staates vor einem Aufstand der Indígenas
zurückzuführen. Im Herbst 1999 wurde der Grenzstreit
beendet.
5. DIE ILO-KONVENTION NR.169 IN EUROPA .:
oben :.
5.1 Chancen und Auswirkungen auf die internationale
Entwicklungszusammenarbeit
Im Februar 1998 haben die Niederlande als erstes
europäische Land ohne indigenous and tribal peoples die ILO
169 ratifiziert.
Damit stünde die Tür für weitere Anwärter
offen, nachdem in früheren Jahren westliche
Industrienationen, darunter auch die Bundesrepublik stets darauf
verwiesen haben, daß sie von dem Abkommen nicht
berührt würden, da auf ihrem Territorium keine
indigenen Völker leben.
Verschiedene internationale Entwicklungen und Ereignisse wie das
Jahr 1993, das unter dem Motto "Eine neue Partnerschaft" von der
UNO zum "Jahr der indigenen Völker" ausgerufen wurde und das
Jahr1994, in dem am 10. Dezember, dem Tag der Menschenrechte, der
Startschuß für die "Internationale Dekade der
Indigenen Völker" fiel, die "die internationale Kooperation
forcieren soll", haben dazu beigetragen, einen neuen Sinneswandel
einzuleiten:
"An objective of the Decade is the promotion and protection of the rights of indigenous people and their empowement to make choices which enable them to retain their cultural identity while participating in political, economic and social life, with full respect for their cultural values, languages, traditions and forms of social organization."
Dementsprechend wertet die ILO den ILO 169-Beitritt als einen Akt der Solidarität gegenüber indigenen Völkern:
"Ratification ... would mean an expression of solidarity towards indigenous and tribal peoples. The principles of the Convention could also guide and influence the aid or development policies and programmes promoted and implemented by these countries in support of indigenous and tribal peoples"
Für eine Ratifizierung durch europäische Staaten
ohne indigenen Bevölkerungsanteil spricht grundsätzlich
die Tatsache, daß die Beziehung indigener Völker zu
ihrem Lebensraum eine menschenrechtliche Frage und somit nicht
allein die innere Angelegenheit irgendeines Staates ist.
Im Rahmen der internationalen Vernetzung, der Globalisierung,
können westliche Staaten sehr wohl den Lebensraum und das
Schicksal indigener Völker beeinflussen.
Abgesehen von anderen internationalen wirtschaftlichen
Kooperationsformen hat besonders die Ressourcenausbeutung in Form
von Regenwaldrodung (Tropenholzexport), Erdöl- und
Gasförderung und der Abbau der Edelmetalle fatale Folgen
für die indigenen Völker in den Ländern des
Südens. Durch die Zerstörung ihres Lebensraumes
(Ökozid), ihrer Lebensweise (Ethnozid) oder gar
Völkermord (Genozid) droht diesen Völkern der
endgültige Untergang .
Die Rechte indigener Völker werden oftmals durch
Infrastrukturmaßnahmen (z.B. der Bau von Kraftwerken) oder
die wirtschaftliche Erschließung ihres Lebensraumes
(Plantagenwirtschaft) auf internationaler Ebene verletzt. Die
finanziellen Mittel und das technische Know-how für diese
Projekte stammen meist aus europäischen Ländern.
Viele europäische Regierungen geben vor, die
ökologische Vielfalt schützen zu wollen, weigern sich
aber, auf internationaler Ebene ein Dokument zu unterzeichnen,
das die Rechte der indigenen Völker, die wichtige Garanten
weltweiter Biodiversität sind, anzuerkennen.
Und die ILO 169 ist das wichtigste Instrument zum
völkerrechtlichen Schutz indigener Völker.
Im globalen Kontext könnte eine Ratifizierung
europäischer Staaten nicht nur eine Reduzierung oder
angemessene Reglementierung der materiellen sondern auch der
kulturellen Ausbeutung bedeuten.
In diesem Zusammenhang sind die "derechos de propriedad
intelectual y biodiversidad de los pueblos indigenas "
erwähnenswert, die besonders in Südamerika immer mehr
ins Zentrum des wirtschaftlichen und juridischen Interesses
rücken.
In Wien fand Ende Oktober 1998 eine Tagung zum Thema "Indigene Völker und Ökologie" statt. Tagungsthemen wie "Die Wahrnehmung der Rechte indigener Völker im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit europäischer Länder" oder "Schutz der indigenen Umweltbewirtschaftungskenntnisse und -praktiken" sind u.a. auch ein Indiz für die Relevanz dieser Rechte im Rahmen der internationalen Entwicklungszusammenarbeit.
Auch die Militärpolitik kann indigene Völker auf fatale Weise involvieren. Nicht umsonst fordert die Gesellschaft für bedrohte Völker, daß die deutsche Bundesregierung den Export von Rüstungsgütern, die gegen indigene Völker gerichtet werden könnten, einstellen. Auch sollen Entwicklungshilfeprojekte, die indigene Völker betreffen, nur noch auf Anfrage von und in Abstimmung mit ihnen selbst durchgeführt werden. Dafür müßten die Außen- und Entwicklungshilfeministerien eine entsprechende Infrastruktur einrichten
Im Zuge der Globalisierung und nach dem ILO 169-Beitritt der
Niederlande, eines Staates ohne indigenen
Bevölkerungsanteils, wirkt heute eine Beitrittsablehnung mit
Hinweis auf das Fehlen von indigenen Völkern im Staat
unverständlich.
Zudem fordert das Europäische Parlament die
EU-Mitgliedstaaten zur Unterzeichnung auf.
5.2 Die ILO169 in der Europäischen Union .: oben :.
In einem vergleichsweise einstimmigen Votum ersuchte am 9.
Februar 1994 das Europäische Parlament in einer
"Entschließung zu den für einen wirksamen Schutz der
eingeborenen Völker notwendigen internationalen
Maßnahmen" die EU-Mitgliedstaaten "sich entschlossen
für einen effektiven Schutz der eingeborenen Völker
einzusetzen, dem Übereinkommen 169 der ILO beizutreten und
andere Staaten ebenfalls zum Beitritt aufzufordern".
Zu den indigenen Völkern Europas zählen die Sami, die in Norwegen, Schweden, Finnland und Rußland beheimatet sind und deren Zahl man auf 50.000 schätzt. Ein weiteres indigenes Volk sind die Inuit, die auf Grönland, Kalaallit Nunaat (=Land der Menschen) wohnen und die 55.000 Angehörige zählen.
Norwegen war im Juni 1990 das erste Land überhaupt, das die ILO169 ratifizierte. Dänemark, zu dessen Außengebiete Grönland zählt, wurde im Februar 1996 Konventionsmitglied. Im Frühjahr 1998 haben die Niederlande als erstes europäisches Land ohne indigene Bevölkerung vorbildlicherweise die ILo 169 ratifiziert und somit ihre Solidarität gegenüber diesen Völkern ausgedrückt.
Erwähnenswert an dieser Stelle und wichtig für die
Diskussion rund um die ILO 169 ist auch Belgien, das 1958 als
einer er ersten Staaten ohne indigenen Bevölkerungsanteil
die Vorläuferkonvention Nr.107 unterzeichnet hat. Dafür
blieb Belgien bislang die Ratifikation der ILO 169 schuldig.
Grund dafür scheinen die in Belgien lebenden Sinti und Roma
zu sein, deretwegen im Falle einer Ratifikation eine Flut von
Gesetzesänderungen befürchtet wird.
Auch wenn die Sinti und Roma von einigen ILO-Experten als tribal
peoples angesehen werden, so haben diese bisher nicht den Schutz
der ILO 169 beansprucht. Vielmehr bevorzugen sie die Garantien,
die im europäischen Menschenrechtsschutz verankert sind,
ihnen aber unter manchen Aspekten verwehrt bleiben.
Infolge der UNCED-Konferenz in Rio und der
Un-Menschenrechtskonferenz in Wien, angesichts der drammatischen
Umweltzerstörungen weltweit und den internationalen
Entwicklungen rund um die indigenen Völker, war auch die EU
aufgerufen, sich für diese Völker einzusetzen.
Dementsprechend hat es in der Vergangenheit mehrere Initiativen
auf Ministerratsebene gegeben:
1992 Im November betonte der Rat der Entwicklungsminister
in
einer Entschließung die Bedeutung der Einbeziehung von
Minderheiten in den Entwicklungsprozeß.
1996 Dänemark und Spanien regen den Rat der Entwicklungsminister an, die Europäische Kommission mit der Ausarbeitung eines eigenen Strategiepapiers zur Entwicklungszusammenarbeit mit indigenen Völkern zu beauftragen.
Der niederländische Minister läßt die
Kommission prüfen, ob eine Ratifizierung der ILO 169 durch
die EU möglich wäre.
Leider ist dies laut ILO-Statut nicht möglich: nur
Mitgliedstaaten können ILO-Konventionen unterzeichnen.
1998 Die EU-Kommission verabschiedet ein Arbeitsdokument zur "Unterstützung indigener Völker im Rahmen der Entwicklungszusammenarbeit".
Bezüglich EU-Politik und indigene Völker bin ich auf zwei Fälle gestoßen, die kein gutes Licht auf die EU-Entwicklungshilfe wirft und manche Fragen aufwerfen:
1. Fall: "EU-Hilfsprogramm" in Paraguay
Laut SURVIVAL INTERNATIONAL, einer INGO, hat die EU-Kommission
ein kontroverses "Entwicklungs"-Projekt bewußt auf der
Basis von falschen Informationen genehmigt. Das 15 Millonen
Ecu-Projekt sollte den verarmten indígenas im Norden
Paraguays zukommen und ihnen definitiv ihre Landansprüche
zusichern - was sich zuletzt als Trugschluß herausstellte.
In der Folge bereicherten sich hauptsächlich korrupte
Regierungsbeamte, während die meisten Indígenas neben
der Hauptstraße in der Misere weiterleben.
Eine unabhängige Untersuchung im Auftrag der EU, kam
schließlich zum Schluß, daß
"- the Indians received virtually nothing so far
- the Commission's report contained 'flawed' and 'inflated'
data
- only one out of 47 communities has actually got land
title"
Es kommt schlimmer:
"Despite the fact that the Commission was supposed to present
the report to member states in April, it has not done so."
Sogesehen hätte sich die EU grober Rechtsverletzungen
schuldig gemacht. Ganz zu schweigen von Paraguay,
Konventionsstaat der ILO 169, das zudem sämtliche
Bestimmungen dieses Ubereinkommens mißachtet hat.
(supra (4.2) Paraguay)
2. Fall: "EU-Hilfsprogramm" in Kamerun
Im Jahre 1996 finanzierte die EU den Ausbau der 52 km langen
Straße von Abong Mbang nach Lomié. Der Ausbau macht
die Straße ganzjährig befahrbar. Die Straße, die
offiziell die Entwicklung des Kaffee- und Kakao-Anbaus
fördern sollte, führt am Dja-Reservat vorbei, ein
Schutzgebiet, das von der UNO als Welterbe der Menschheit
ausgezeichnet ist.
Die Afrikanische Entwicklungsbank hatte 1992 die Finanzierung
der Straße abgelehnt, da sie ihrer Ansicht nach zu
verstärktem Holzeinschlag, drastischer Abnahme der Wildtiere
und zu großen Veränderungen für die rund 40.000
dort lebenden Baka-Pygmäen führen würde. Auch die
Weltbank lehnte das Projekt aus Umweltgründen ab.
Trotzdem finanzierte die EU den Ausbau der Straße ohne
eine einzige Umweltstudie anzufertigen.
Die Rainforest Foundation des Sängers Sting hat
festgestellt, daß niemand die einheimische Bevölkerung
ausreichend informiert hat. Sting's Organisation hatte 18 Monate
lang Hunderte Entwicklungsprojekte der EU untersucht und im
Bericht "Out of Comission" erschreckende Ergebnisse
vorgelegt.
Seit dem Straßenbau hat die Wilderei im Reservat drastisch
zugenommen, die Waldrodung hat sich verdoppelt, neun neue
Abholzkonzessionen sind vergeben worden, Ölplantagen
verdrängen den Wald.
Nach der bereits finanzierten Straßennetz von 2000 km, das zum großen Teil durch empfindliche Regenwälder führt, plant die EU einen weiteren Straßenausbau zu unterstützen.
5.3 Die drei europäischen Signatarstaaten .: oben :.
5.3.1 Dänemark
Dänemark gehört neben Norwegen, Schweden und Finnland
zu den wenigen europäischen Ländern, in denen indigene
Völker leben. Kalaallit Nunaat ("Land der Menschen") nennen
die Inuit Grönland, wo zirka 55.000 Angehörige dieses
Volkes leben. Grönland ist seit 1953 ein gleichberechtigter
Teil Dänemarks und besitzt seit 1979 eine innere Autonomie
(Greenlandic Nome Rule).
Aus den letzten Jahren ist vielleicht das verschärfte Ausländergesetz von 1998 erwähnenswert, das die Kriterien für eine Aufenthaltsgenehmigung einengt und soziale Leistungen an Flüchtlinge erheblich einschränkt.
Auch wenn auf dänischem Hoheitsgebiet ein indigenes Volk lebt, so hat sich die dänische Regierung zwar hauptsächlich, aber nicht nur deshalb zur Ratifizierung entschlossen, sondern auch im Hinblick auf die indigenen Völker in den "Entwicklungsländern".
Wie aus dem Bericht von Rossbach de Olmos hervorgeht, fand im November 1993 aus Anlaß des Internationalen Jahre der Indigenen Völker eine ausgiebige Parlamentsdebatte statt, in der die Ministerin für Entwicklungszusammenarbeit ihre Zusammenarbeit im Bereich indigene Völker darstellte und dem Interesse Ausdruck verlieh, die dänischen Bemühungen zu erweitern. Die Erfahrungen mit den Inuit auf Grönland stellten dabei einen wichtigen Bezugspunkt für die internationale Arbeit dar.
Zu den Themen, zu denen das Parlament aus Anlaß dieser
Debatte eine einstimmiges Votum abgab, gehörte u.a. die ILO
169. Die Regierung wurde aufgefordert, diesem Übereinkommen
schnellstmöglich beizutreten.
Dieselbe Aufforderung war im Strategiepapier zur dänischen
Unterstützung der indigenen Völker (Strategy for Danish
Support to Indigenous Peoples) enthalten, das im Juli 1994 der
Öffentlichkeit vorgestellt wurde.
Im nächsten Jahr kam die Regierung der Aufforderung nach
Ratifizierung nach. Das offizielle Dokument wurde in Form einer
gemeinsamen Erklärung zwischen dem dänischen
Außenminister und dem Premier der autonomen
grönländischen Regierung verfaßt und im
Jänner 1996 unterzeichnet. Am 22. Februar übergab der
ständige Vertreter Dänemarks vor den Vereinten Nationen
das Ratifizierungsdokument der Internationalen
Arbeits-organisation.
In einer Presseerklärung aus Anlaß dieser
Übergabe wurde auch auf ein zweijähriges Projekt
hingewiesen, daß Dänemark im Zusammenhang mit der ILO
zur Stärkung der ILO-Aktivitäten bei indigenen und in
Stämmen lebenden Völkern unterstützt.
Das Projekt wurde von zwei indigenen Vertretern (aus
Grönland und Bangladesh) initiiert und
durchgeführt.
Laut Alfredsson, haben Grönland und Norwegen bei der Ratifizierung der ILO169 versucht "to introduce certain limitations":
"Denmark understands land rights as benefitting the permanent
population of Greenland, presumably including non-Inuit, which is
difficult to reconcile with article 14 of the Convention as well
as the object and purpuse of the Convention as a whole."
5.3.2 Norwegen
Das Königreich Norwegen war nicht nur das erste europäische Land, sondern das erste Land überhaupt, das die ILO 169 ratifiziert und im Juni 1990 die entsprechende Urkunde bei der ILO hinterlegt hat.
In Norwegen leben an die 40.000 Sami, ein Nomadenvolk, das auch in Schweden, Finnland und Rußland beheimatet ist, aber nicht so zahlreich wie in Norwegen.
Die Sami, die ursprünglich bereits 500 a.C. im nordwestlichen Teil Rußland gelebt haben sollen, waren schon aufgrund mehrerer Invasionen fremder Völker und Kulturen zur steten Wanderung gezwungen: zuerst waren es die Völker aus dem Ural, später die Wikinger, im Mittelalter die Christianisierung, deren Vertreter die Sprache der Sami mit der des Teufels gleichsetzten, aber immerhin die bislang mündlich überlieferte Sprache codifizierten und die Bibel auf Samisch übersetzten. Von 1888 bis zum Zweiten Weltkrieg war die Sprache der Sami verboten. Der Schamanismus wurde wie in Rußland unterdrückt und ihre sakralen Objekte hatte man bereits im vorigen Jahrhundert entweder verbrannt oder in europäischen Museen untergebracht.
Heute können viele Sami ihre Sprache weder sprechen noch lesen.
1949 Gründung der ersten Sami-Organisation: Norwegische Verein der Rentierzüchter (NRL)
1956 Gründung des Sami-Rats, der das wichtigste Organ für die grenzüberschreitende Kooperation mit den Sami in anderen Staaten darstellt. Er setzt sich besonders für pädagogische, linguistische und andere kulturelle und nationale Belange der Sami ein .
1961 Entstehung des Sami Arts Centers, das besonders das duodji fördert, das Samische Kunsthandwerk fördert.
1969 ein Gesetz beschließt samisch als Unterrichtssprache in den ersten sechs Schuljahren; eine Revision gewährt auch eine Option für samisch als Ausbildungsssprache. In den sechs Gemeinden mit den meisten Sami, gilt samisch als Verwaltungssprache und ist vor Gericht bei Beweissuche und Anklage obligatorisch.
1973 große Bedeutung für die Sami hat das Nordische Sami-Institut mit Sitz in Kautokeino, das vom Nordischen Rat gefördert wird und kultureller, rechtlicher und politischer Bezugspunkt der Sami ist.
1975 das Storting (norwegische Parlament) beschließt den Sami Development Fond (SDF), der hauptsächlich für traditionelle Bereiche wie Rentierzucht und Fischerei sowie dem duodji finanzielle Zuschüsse gewährt.
3 wird zum ersten Mal das Sameting (Parlament der Sami) gewählt. Jeder über achtzehn Jahren, der sich als Same bezeichnet und dessen Eltern oder Großeltern samisch als Muttersprache sprechen, ist wahlberechtigt. "The scope of activity of the Sameting extends to all matters that, in the opinion of the Assembly, concern Sami peoples in particular. " Während dem Sami-Parlament ursprünglich nur konsultative Aufgaben zugedacht waren, spielt es heute auch verstärkt eine Rolle in der Verwaltung.*
1998 Schaffung der Ersten Nordischen Sami-Konvention
*Alfredsson schreibt über die Sami-Parlamente: "As to self-government, the Sami Parliaments are good examples of non-territorial or personal autonomies, but they do not fulfill the expectations generally attached to the term in international law because of their advisory or consultative roles without real legislative and executive powers over international affairs, as is the case with home rule governments in the Åland Islands, the Faroe Islands and Greenland."
Heute bedrohen vor allem Umweltprobleme die Existenz der Sami: der hydro-elektrische Damm am Fluß Alta, der weite Flächen, die von den Sami bewohnt werden, zu überschwemmen droht und die Verschmutzung der Flüsse infolge der Erdölausbeutung auf hoher See. Katastrophal die Folgen von Tschernobyl: Zwangsschlachtung von 100 000 Rentieren, während viele Tiere durch die Verseuchung der Flechte - ihrer Hauptnahrung - zugrundegehen.
Auf Anregung der ILO und im Rahmen ihres Monitoring sendet das Storting heute ihren Bericht zuerst ans Sameting zur Einsicht und übermittelt ihn dann als eigenen Bericht mit dem integrierten Kommentar der Sami an die ILO. Um die Umsetzung der ILO 169 zu optimieren, machte das Storting der ILO den Vorschlag, einen parallelen Dialog mit dem Sameting zu eröffnen und die Vertreter der Sami im Supervisionsprozeß formal teilnehmen zu lassen .
Ein interessanter Zusammenhang besteht in Norwegen auch
zwischen Rentierwirtschaft und Gewohnheitsrecht:
"In Norway local custom is a general source of law. According to
some of the desicions of the Norwegian Supreme Court, the
usufruct of land by the Sami for reindeer husbandry is regarded
as creating a right, although this principle has not been
followed in all cases."
Für die rechtlichen Angelegenheiten hat das Justizministerium ein Rechtshilfeprojekt eingerichtet, das auf unentgeltlicher Basis zivilrechtliche und beratenden Funktionen anbietet.
Wie bereits bei Dänemark (supra 5.2.1), sei hier darauf
hingewiesen, daß auch Norwegen versucht hatte, bei der
Ratifizierung der ILO169 gewisse Einschränkungen
einzufügen :
"In the official Norwegian translation of article 14, it would
seem that the conditions for land rights have been made more
difficult to achieve."
Quelle:
Tomei/Swepston (FN10) - ILO-Guide
Associazione per i Popoli Indigeni- Firenze (FN275) S.75
NIEDERLANDE .: oben
:.
Anfang der 90er Jahre, im Vorfeld der UN-Aktivitäten rund
um die indigenen Völker, wurde das parlamentarische
"Beratungskomitte über Menschenrechte und
Außenpolitik" von der niederländischen Regierung
formal beauftragt, ein Memorandum über die Rechte und
Interessen der indigenen Völker zu erstellen. Dieses
Gremium, das mit illustren Menschenrechtsexperten wie z.B.
Professor Van Bowen besetzt ist, legte der Regierung dann im
Jänner des Jahres 1993 den Bericht vor, in dem es unter
Punkt 15 heißt:
"Das Beraterkomitee hat Vorbehalte gegenüber den Argumenten der Niederlande, die ILO-Konvention Nr.169 nicht zu ratifizieren. Die Universalität der Menschenrechte und die kollektive Verantwortung aller Staaten, das diese eingehalten werden, beinhaltet, daß die Niederlande direkt und in einem allgemeinen Sinn betroffen sind. Durch eine Ratifizierung dr Konvention würden die Niederlande ein klares Zeichen setzen, daß sie den Problemen der indigenen Völker eine wesentliche Bedeutung beimißt. Das Beraterkomitee hält es auch für wesentlich, daß den in der Konvention enthaltenen Prinzipien so gewissenhaft wie möglich bei der Durchführung von Entwicklungsprojekten entsprochen wird, die durch die Niederlande finanziert werden ."
Im März 1993 übergaben das Außen- und
Entwicklungshilfeministerium ein Memorandum an das
niederländische Parlament, in dem sie über die Politik
hinsichtlich indigener Völker im Kontext der Außen-
und Entwicklungspolitik informierten und dabei die Meinung des
Beraterkomitees für Menschenrechte und Außenpolitik
wiedergaben. Trotzdem gab es innerhalb der Regierung Stimmen, die
eine Ratifizierung der Niederlande wegen dem Mangel an indigenen
Völkern ablehnten.
Doch darauf kam es den Befürwortern der Unterzeichnung laut
Kuppe auch gar nicht an:
"Neben einem Bewußtsein um die kollektive Verantwortung für Menschenrechte, das offensichtlich aus der hier besonders sensiblen niederländischen politischen Kultur erwächst, stand die Relevanz des Abkommens für die Ausrichtung der niederländischen internationalen Kooperation durchaus im Vordergrund."
Auch wenn hinsichtlich der anfallenden Gesetzesänderungen
Bedenken geäußert wurden, so setzten sich die
Befürworter schließlich doch durch und im Februar 1996
beschloß die Regierung, die ILO169 zu ratifizieren.
In einer Presseerklärung gab der Außenminister zu
verstehen, daß ein Beitritt die Bedeutung unterstreiche,
die die niederländische Regierung diesem Teilbereich der
Menschenrechtspolitik im Rahmen der internationalen Rechtsordung
beimesse. Mit den positiven Entschließungen beider Kammern
des niederländischen Parlamentes war damit im November 1997
offiziell die Entscheidung gefallen, daß die Niederlande
die ILO-Lonvention ratifizieren.
Am 2. Februar 1998 wurden die Niederlande bei der ILO als Unterzeichnerstaat registriert und für die anderen europäischen Staaten ohne indigene Völker wurde ein Exempel statuiert.
Interessanterweise listet der Fischer Weltalmanach '99 bei der Bevölkerung der Niederländischen Antillen die Arawak-Indianer auf, was auf indigene Völker schließen läßt. Ich habe mich daraufhin an René Kuppe gewandt, der selbst überrascht war und mir folgendes mitgeteilt hat:
"1. Bei internen Gesprächen in den Niederlanden, die zur
Ratifikation der Konvention geführt haben, ist niemals auf
irgend eine indigene Gruppe auf den Antillen bezug genommen
worden, noch ist die Ratifikation von derartigen Gruppen verlangt
worden.
2. Ich habe kein einziges Mal bei irgend einem internationalen
Treffen indigener Völker Vertreter derartiger Gruppen
gesehen oder von irgendeiner Bezugnahme in der Literatur gelesen.
Es mag sein, daß es heute Personen gibt, die sich als
Arawak bezeichnen, denn im gesamten Karibikraum, bis hinaus hnach
Florida, gibt es seit 1992 eine Art versuchter
"prä-kolumbischer" Identitätsfindung [...]
Vielleicht spielt ein ganz anderer Faktor eine Rolle: in den NL
Antillen gibt es eine verbreitete Landessprache namens
Papiamento, die angeblich eine Mischung aus Spanisch,
Holländisch, Englisch und karibischen Indianersprachen ist.
Kein Mensch würde jedoch deswegen die Sprecher als Indigene
bezeichnen [...]
3. Die Urbevölkerung der heutigen NL Antillen waren nicht
Teile jenes Volkes, das heute als Arawak bezeichnet wird, (und
das weiter östlich in Guyana und am Antillenbogen verbreitet
war), sondern ein Volk, das auch im angrenzenden
Küstengebiet Venezuelas lebte, nämlich die
Caiquetío. Diese sind seit zwei Jahrhunderten kulturell
ausgestorben.
Wenn es wirklich so wäre, daß es auf den NL Antillen
indigene Gruppen gibt, würde dies den Argumentationsaufwand
im Sinne der Ratifikation in Ländern wie Österreich
erheblich erschweren."
Quelle:
Rossbach de Olmos (FN94) S.64ff
Kuppe (FN279)
Vortrag Kuppes (FN307)
5.4 Die Bemühungen um eine Ratifizierung in
anderen europäischen Staaten .: oben
:.
5.4.1 Österreich
In einer Informationsbroschüre der ILO wird Österreich
neben Argentinien unter folgendem Punkt aufgelistet:
"Countries for which the decision to ratify Convention Nr. 169
has been taken by the legislature but the ratification document
has not been yet received by the ILO"
In Österreich befaßte sich erstmals das Arbeits-
und Sozialministerium in einem internen Schreiben mit der ILO
169, wobei es im Mai 1992 die Empfehlung aussprach, die
Konvention nicht zu ratifizieren, da dies lediglich eine
humanitäre Geste darstelle.
Contra-Argumente waren u.a., daß eine Ratifizierung gegen
die "Gewohnheiten" im Rahmen der ILO sei.
Im selben Jahr übten mehrere NGOs und Einzelpersonen aus
dem Menschenrechtsbereich öffentlichen Druck aus und
betreiben verstärktes Lobbying. Der Österreichische
Informationsdienst für Entwicklungspolitik rief seine
zahlreichen Mitglieder zu einer Briefaktion auf.
Im Vorfeld der UNCED-Konferenz in Rio und der
UN-Menschenrechtskonferenz in Wien konnten mehrere Politiker
durch informale Bande zu NGOs von der Ratifizierung und der
Unteilbarkeit der Menschenrechte überzeugt werden.
Im Mai 1993 befaßte sich der Außenpolitische Ausschuß des Nationalrates mit der Angelegenheit, nachdem schon ein entsprechender Antrag im Juni 1992 in den Nationalrat eingebracht worden war. Mit dem Argument, daß zwar keine indigenen Völker in Österreich leben, es aber aus entwicklungspolitischer Sicht Berührungspunkte gebe, empfahl er der österreichischen Bundesregierung die ILO 169 als "Akt internationaler Solidarität" zu ratifizieren.
Offiziell und viel konkreter äußerte hingegen Jankowitsch seine Zustimmung, der in der Ratifizierung u.a. eine verstärkte Verankerung der ILO 169 im internationalen Rechtssystem sah.
Im Juni 1993, während der UN-Menschenrechtskonferenz in
Wien, beschloß das Parlament einstimmig, die Regierung mit
der Ratifizierung zu beauftragen.
Die Zeit verstrich, während man "seufzend" auf 79
Gesetzesänderungen hinwies, die durch der Ratifizierung
anfallen würden und darauf, daß die Rechte indigener
Völker eine innere Angelegenheit der Staaten sei, in denen
diese Völker leben.
Auch eine zwischenzeitliche Anfrage an das Arbeits- und
Sozialministerium konnte schließlich die Hinfälligkeit
des Nationalratsbeschlusses nicht abwenden.
Was die Argumente der Ministerien für die Blockierung der
ILO 169 betrifft, resümiert Kuppe:
"1. El Convenio no tendría relevancias para el
país, (excluyendo así por completo al aspecto de la
cooperación técnica que afecta a pueblos
indígenas y a su territorios).
2. En consecuencia, a la no-relevancia postulada, una
ratificación es definida como un acto con significado
puramente 'declarativo'."
1997 hatte sich u.a. auch das Klimabündnis
Österreich infolge einer erneuten parlamentarischen
Initiative, an den Vorsitzenden des Außenpolitischen
Ausschusses und an die im Nationalrat vertretenen politischen
Parteien gewandt, um für eine Ratifizierung zu
plädieren.
Wieder kam es zur Stagnation.
Vom 28. bis 30.Oktober 1998 fand im Wiener Juridicum eine Fachtagung über "Indigene Völker und Ökologie" statt. Die Konferenz wurde von Renè Kuppe, Leiter der Arbeitsgruppe für Rechtsanthropologie organisiert. Auf der Konferenz drängten die indigenen ReferentInnen besonders im Gespräch mit VertreterInnen des Bundesministeriums für wirtschaftlcihe Angelegenheiten, des Außenministeriums und des Österreichischen Gewerkschaftsbundes auf die Unterzeichnung der Konvention. In der Folge versprach Nachtnebel im Namen des ÖGB im Vertretungskörper europäischer Gewerkschaften eine Initiative zu starten, die zur Ratifizierung durch die jeweiligen Regierungen führen soll.
DIe letzte Initiative fand im Sommer 1999 statt: von einer
Organisationsplattform, der das Klimabündnis und die
Arbeitsgruppe für Rechtsanthropologie angehören, wurde
ein Brief an den österreichischen Bundeskanzler Klima
gerichtet, mit der Bitte, im Sinne der Entschließung des
österreichischen Nationalrats notwendige Schritte für
die Ratifizierung der Konvention in die Wege zu leiten.
Das im Namen des Bundeskanzlers abgefaßte
Antwortschreiben, das sich in puncto Ratifikation abermals nicht
festlegt, sieht eine Ratifizierung aber unter verschiedenen
Aspekten als eine höchst bedenkliche Angelegenheit. Auch
wird wieder das alte Argument herausgezogen, daß es mangels
eigener indigener Völker keine Anwendung für die ILO169
in Österreich gebe. Das Schreiben weist zudem auf scheinbar
ähnliche Bedenken in anderen europäischen Staaten hin,
da nur solche Staaten die Konvention unterzeichnet hätten,
die sie im Hinblick auf eigene indigene Bevölkerungsgruppen
erfüllen könnten. Dabei werden auch die Niederlande
erwähnt, die ja als erstes Land ohne indigenen
Bevölkerungsanteil die ILo160 ratifiziert hatten.
Wie Kuppe jedoch bemerkt,
"heißt es in dem Schreiben, daß die Niederlande das Abkommen offensichtlich im Hinblick auf die überseeischen Gebiete Aruba und die Niederländischen Antillen ratifiziert hatte. Diese Vermutung des BKA-Schreibens ist jedoch falsch. Auf den Niederländischen Antillen gibt es heute keine Bevölkerungsgruppen, die als indigene Völker angesehen werden könnten oder die von sich aus den Schutz des Abkommens in Anspruch nehmen."
Quelle:
Rossbach de Olmos (FN94) S.64ff
Kuppe (FN279)
Vortrag Kuppes (FN307)
5.4.2 Deutschland .: oben
:.
In ihrer ersten Stellungnahme zur neugefaßten ILO 169 vom
Februar 1992 gab die deutsche Regierung an, daß sie die
Neuorientierung der genannten Konvention begrüße und
die Umsetzung durch die Signatarstaaten im Rahmen der ILO
aufmerksam beobachten werde. Da aber die Bundesrepublik - ebenso
wie die ehemalige DDR - vom Gegenstand des Übereinkommens
nicht berührt sei, weil in ihr keine indigenen Völker
leben, komme eine Ratifizierung für sie nicht in Betracht.
Im Herbst 1993 wurde dennoch ein Antrag auf Unterzeichnung und
Ratifizierung der ILO 169 in den deutschen Bundestag
eingebracht.
Als Begründung wurde angeführt, daß die
Bundesregierung durch ihr außenpolitisches,
außenwirtschaftliches und entwicklungspolitisches Handeln
das Leben dieser Völker beeinflusse und daß eine
Ratifizierung den öffentlichen Bekenntnissen der Regierung
zur Einhaltung der Menschenrechte entspräche. Es wurde zudem
auf das einschlägige Kapital der Agenda 21 zu indigenen
Bevölkerungsgruppen hingewiesen.
Obwohl sich der Ausschuß für entwicklungspolitische
Zusammenarbeit 1992 positiv über die Prinzipien der
Konvention geäußert hatte, kam es im Jahr 1993 zu
einem ablehnenden Votum aufgrund der Nichtexistenz indigener
Völker auf auf dem deutschen Territorium. Auch der Bundestag
war anläßlich einer entwicklungspolitischen Debatte
dieser Meinung. Der Minister für Entwicklungszusammenarbeit
ging in der Debatte in seiner Rede mit keinem Wort auf die ILO
169 ein.
Dabei wird diese (die ILO169) im Rahmen eines eigenen Konzeptes,
das das Ministerium für die Entwicklungszusammenarbeit mit
indianischen Bevölkerungs-gruppen in Lateinamerika im
November 1996 vorlegt, "ein wichtiger Referenzpunktfür die
Neuausrichtung der Zusammenarbeit mit indianischen
Bevölkerungsgruppen" genannt.
Im Gegensatz zu Österreich nahmen in Deutschland auch die
Gewerkschaften gegenüber der Ratifizierung eine ablehnende
Haltung ein.
So äußerte der Deutsche Gewerkschaftsbund
entsprechende Vorbehalte:
"Werden ILO-Normen ratifiziert, ohne daß sie unmittelbare Bedeutung für die innerstaatliche Politik haben, stellt sich die Frage, ob so die Wirksamkeit internationaler Arbeits- und Sozialnormen verbessert oder nicht doch geschwächt werden könnte, wenn auch jene Übereinkommen ratifiziert werden könnte. Wir sehen die Gefahr, daß das ausgebaute Kontrollsystem der ILO eher unterhöhlt werden könnte, wenn auch jene Übereinkommen ratifiziert werden, die für die "unmittelbaren Belange" eines Landes keine größere Bedeutung haben [...] (Adams 1996)
Vom 13. bis 18. Mai radelten und warben Mitglieder der
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) und engagierte
Weltenbummler auf ihrer Tour von der EXPO-Stadt Hannover nach
Bonn für die deutsche Ratifizierung der ILO 169. Jeden Tag
sammelten die "Radler für dei Menschenrechte" an der Strecke
und bei den Abendveranstaltungen Unterschriften, die
schließlich im Bundesarbeitsministerium übergeben
wurden.
Unterstützung in ihrem Anliegen wurde ihnen nicht nur von
Uschi Eid, der Parlamentarischen Staatssekretärin im
Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und
Entwicklung (BMZ) zugesichert, sondern auch von Burkhard von
Seggern , Referent des Deutschen Gewerkschaftsbundes und von
Ulrike Mascher der Parlamentarischen Staatssekretärin im
Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMA).
Die Deutsche Bundesregierung hat nun offiziell eine Anfrage an die ILO in Genf gerichtet, um zu prüfen, welch mittelbaren Folgen für Deutschland aus der Ratifizierung erwachsen würden. Wegen der Nichtexistenz indigener Völker gibt es keine unmittelbaren Folgen.
Laut Rathgeber kann man die Antwort der ILO nicht abschätzen, da es diesbezüglich keine Erfahrungen und vorgefertigte Kriterien gibt. Die ILO antwortet nach ihrem Belieben. Unterm Strich bedeutet die neue Bundesregierung aber sicher einen Fortschritt. In der Zwischenzeit betreibt die Gesellschaft für bedrohte Völker eifrig Lobbying.
Quelle:
- Rossbach de Olmos (FN94) S.62 ff
- Reiser Ursula /Rathgeber Theodor, "Radeln für die
indigenen Völker" in: pogrom 203 (Juli-August 1999),
S.46
- Rathgeber Theodor (Telefonat/anfangs Dezember 1999)
ITALIEN .: oben :.
Betrachtet man die Aktionen der Nachbarländer, hat es in
Italien in den letzten Jahren keine vergleichbaren
Aktivitäten bezüglich einer Ratifikation der ILO 169
gegeben.
Die GfbV-Südtirol (Gesellschaft für bedrohte
Völker-Südtirol) versuchte 1995 erstmals auf nationaler
Ebene eine gemeinsame Initiative mit anderen NGOs zu
koordinieren. Die italienische Sektion von SURVIVAL hat
grundsätzlich kein Interesse gezeigt.
Die Lega dei Diritti dei Popoli leitete die Anfrage an eine
vereinsinterne Arbeitsgruppe weiter, die sich hauptsächlich
mit indigenen Völkern befaßt. Damals stand der Gruppe
ein Professor vor, der gute Kontakte zu Leuten der italienischen
Partei PDS (Partito Democratico Socialista) pflegte. Aber auch
der PDS zeigte kein Interesse mit dem "klassischen" Argument,
daß es ja in Italien keine indigenen Völker gibt. Ein
zweiter Grund für die Absage waren Bedenken gegenüber
den italienischen Minderheiten. Man wies auf die Minderheiten
Triests hin, die anläßlich der Genfer Tagungen
über indigene Völker mit Protesten darauf aufmerksam
machten, daß auch sie Rechte hatten/wollten wie die
indigenen Völker.
Eine Ratifizierung der ILO 169 wäre demnach schon wegen der
möglichen Proteste der Minderheiten nicht angebracht.
Kritisch zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die
Tatsache, daß es Italien erst 51 Jahre nach dem Erlaß
der Verfassung geschafft hat, ein Minderheitengesetz zu
verabschieden; obwohl Artikel 6 der Verfassung einen
entsprechenden Minderheitenschutz ausdrücklich
vorsieht:
"La Repubblica tutela con apposite norme le minoranze
linguistiche."
In den Jahren 1996/97 wurde wieder eine halbherzige Initiative lanciert. Aber da Reaktionen von seiten der italienischen NGOs ausblieben, blieb es beim Briefeversenden.
Erfreuliches kann ich nun vom Südtiroler Landtag berichten: in einem Beschlußantrag "spricht er sich grundsätzlich für den Schutz indigener Völker durch die Vereinten Nationen aus" und "verpflichtet deshalb die Landesregierung, sich bei der italienischen Regierung dafür einzusetzen, daß diese umgehend die ILO-Konvention 169 ratifiziert."
Vorausgegangen war diesem Akt die "3.Versammlung der
Völker" mit abschließendem Friedensmarsch, die vom 20.
bis 26.September 1999 in Assisi unter der Schirmherrschaft des
UN-Generalsekretäriats stattfand. An dieser Veranstaltung
nahm auch Frau Victoria Tauli-Corpuz vom phillippinischen Volk
der Igorots teil, die im Vorfeld der Veranstaltung auf Einladung
des Landtags in Südtirol weilte.
"Insbesondere unterrichtete Frau Corpuz die Südtiroler
Delegation über den Widerstand der rund 600 000 Igorots, die
auf den Philippinen in der Kordilleren.Region leben, gegen die
geplante und teilweise auch durchgeführte Erschließung
ihrer Bergwelt. [..] Unter dem Recht auf Selbstbestimmung
versteht sie auch das Recht, verschieden und anders zu sein und
zu bleiben. Ihr Volk wehrt sich gegen die Konzentration von Macht
und Entscheidungsgewalt bei Körperschaften wie der
Welthandelsorganisation, der Weltbank und dem IWF."
Anläßlich der internationalen Konferenz des Klimabündnises im Mai 2000 in Bozen, soll eine neue Initiative für eine italienische Ratifizierung der ILO 169 unternommen werden.
In der Südtiroler Tageszeitung Dolomiten erschien
kürzlich ein Artikel von Alfons Benedikter, einem der
Gründerväter der SVP (Südtiroler Volkspartei) und
ein kritischer Politikerbarde, in dem er das Südtiroler Volk
als indigenes Volk bezeichnet.
Wie auch immer: Ich sehe uns eher als Minderheit, die das
Risultat historischer Prozesse und der Willkür von
Grenzziehungen ist - und der es heute ziemlich gut geht.
Quelle:
- Über vergangene Initiativen bezüglich ILO 169 in
Italien, sprach ich mit Wolfgang Mayr, Gründungs- und
aktives Vorstandsmitglied der GfbV-Südtirol.
- Beschlußantrag, der am 29. September1999 beim
Landtagspräsidium eingegangen ist, Prot.Nr. 6278/ci/hz
Bibliographie .: oben :.
- Vgl. Heintze, Hans-Joachim,"Völkerrecht und Indigenous
Peoples", in: Zeitschrift für ausländisches und
öffentliches Recht und Völkerrecht 50/1990,
S.41ff.
- Alfredsson, G., Indigenous Populations, Protection, in: R.
Bernhardt (Hrsg.), Encyclopedia of Public International Law,
Instalment 8/1985, S.311 - zitiert nach Heintze (FN1), S.41
- Søftestad ging in einem 1988 veröffentlichten
Bericht über indigene Völker von 250 Millionen aus. -
Franz Kressing geht in einem 1994 veröffentlichten Bericht
von 300 bis 500 Millionen aus.
- Tauli-Corpuz, V.,"Wirtschaftliche Expansion gefährdet
Völker und Zivilisationen", in: Grenzenlos?- Hrsg.:E.U. von
Weizäcker (1997), S.228
- Vgl. Rathgeber, T.,"Vom Zwiespalt des Völkerrechts", in:
pogrom 168/1992, S.26
- Kressing, H.,"Wer sind 'Indigene Völker'?" in:
Ureinwohner und Industrienationen (1994), S.8
- Tomei M./Swepston L., Indigenous and Tribal Peoples: A Guide
to ILO Convention Nr. 169 (1996), S.36
- Study of the Problem of Discrimination Against Indigenous
Populations, UN Doc. E/CN/Sub.2/1983/21/Add.8, §379
- vgl. Brölmann C.M./Zieck M.Y.A.,"Indigenous Peoples" in:
Peoples and Minorities in International Law (1993), S.191
- Stavenhagen, R., "Indigene Rechte. Einige konzeptuelle
Probleme" in: TIERRA-indigene Völker, Umwelt und Recht
(1994), S.25
- Hummer, W., "Schutz der indigenen Bevölkerung und des
tropischen Regenwaldes. Definitions- und Einordnungsprobleme
indigener Bevölkerungen" Innsbrucker Geographische Studien:
Lateinamerika - Krise ohne Ende? Bd.21. 1994, S.102
- O. Kimminich, Rechtsprobleme der polyethnischen
Staatsorganisation (1985), S.17 - zitiert nach Heintze (FN1),
S.45
- vgl. Heinz, W.S.,"Minderheiten und Indigene" in: Wer ihr Land
nimmt, zerstört ihr Leben - Wayasbah (Hrsg.) (1991),
S.1ff
- Capotorti, F.,"Study on the Rights of Persons belonging to
Ethnic, Religious and Linguistic Minorities, in
UN-Doc.E/CN.4/Sub.2/1997/384/Rev.I,para.209 - zitiert nach
Heintze (FN1), S.41
- Neuhold, Hummer, Schreuer, Österreichisches Handbuch des
Völkerrechts I: Menschenrechtsschutz (1997) S.269ff
- Hannum H., "New Developments in Indigenous Rights" in:
Virginia Journal of International Law Vol. 28/5 (1985), S.
649
- Kluge, O.,"20 Jahre indigene Völker vor der UNO"
http:/www.chip.de/staff/kluge/bmag/uno/study/frm.index.html
(27.5.97)
- Kluge, O., "Menschenrechte - internationale Instrumente" -
http://www.chip.de/staff/kluge/bmag/uno/study/frm.index.html
(27.7.97)
- vgl. Kuppe, R., "Die Demarkierung indianischer Territorien im
Brennpunkt internationaler Kooperation" in: Land ist Leben
(1993), S. 177
- Turetschek, F., "Guatemala - ein Land auf dem Weg zum
Frieden?" in: rainforest news (Nr.1/1999), S.7ff - vgl. auch
Bericht der Wahrheitskommission: http://hrdata.aaas.org/ceh
- Alfredsson, G., "The Rights of Indigenous Peoples with a Focus
on the National Performance and Foreign Policies of the Nordic
Countries" in: Zeitschrift für ausländisches
öffentliches Recht und Völkerrecht 59/2/1999