Die IRA hat heute, 28. Juli 2005, kurz vor 13.00 das Ende ihres bewaffneten Kampfes bekanntgegeben. Verlesen wurde diese historische Erklärung von Seanna Walsh, einem engen Freund des im Hungerstreik gestorbenen Bobby Sands und langjährigem Führungsmitglied der IRA. Beiliegend finden Sie die Erklärung der IRA im Original und in deutscher Übersetzung, ferner einen Kommentar des Sinn Fein Präsidenten Gerry Adams, der diese Entwicklung durch seinen Appell an die IRA im April dieses Jahres eingeleitet hat (ebenfalls in Original und deutscher Übersetzung).
Alle IRA-Einheiten wurden angewiesen, ihre Waffen abzugeben.
Alle IRA-Aktivisten wurden instruiert, die Entwicklung von rein
politischen und demokratischen Initiativen durch
ausschließlich friedliche Mittel zu unterstützen.
IRA-Aktivisten dürfen sich an keinen andersgearteten
Aktionen beteiligen.
Die Führung der IRA hat unseren Repräsentanten
legitimiert, mit dem IICD (International Independent Commission
on Decommissioning, das Gremium unter Führung des
kanadischen Ex-Generals John de Chastellain überwacht
gemäss Karfreitagsabkommen Entwaffnungsaktionen der
Konfliktparteien) Kontakt aufzunehmen, um den Prozess
abzuschließen, Waffen verifizierbar unbrauchbar zu machen.
Wir wollen diesen Prozess auf eine Art und Weise
durchführen, die das Vertrauen der Öffentlichkeit
steigert, und ihn so schnell als möglich
abschließen.
Wir haben deshalb zwei unabhängige Zeugen, jeweils einen
von der katholischen und der protestantischen Kirche, gebeten,
die Aktionen zu bezeugen. Der IRA Armeerat hat diese Entscheidung
als Ergebnis einer internen Diskussion und eines
Beratungsprozesses mit den IRA-Einheiten und den Mitgliedern
getroffen. Wir begrüßen die offene und gradlinige Art
und Weise, in der der Beratungsprozess durchgeführt wurde
und schätzen die Tiefe und den Inhalt der Beiträge. Wir
sind stolz auf die kameradschaftliche Art, in der diese wirklich
historische Diskussion geführt wurde. Das Ergebnis unserer
Consultationen zeigte eine äußerst starke
Unterstützung der IRA Mitglieder für die
Friedensstrategie von Sinn Féin.
Es gibt grosse Besorgnis über das Versagen der (irischen
und der britischen) Regierung, sowie der Unionisten, sich am
Friedensprozess vollständig zu beteiligen. Dies hat zu
grossen Schwierigkeiten geführt. Die
überwältigende Mehrheit der Menschen in Irland
unterstützt den Friedensprozess aus vollem Herzen. Sie und
auch die Unterstützer des Kampfes um irische Einheit in der
ganzen Welt erwarten die volle Umsetzung des Karfreitagsabkommens
(Belfaster Abkommen von 1998).
Unter Berücksichtigung aller Schwierigkeiten haben wir
unsere Entscheidung getroffen, um unsere republikanischen und
demokratischen Ziele zu erreichen. Dies schließt unser Ziel
eines vereinigten Irlands ein. Wir glauben, dass es nun einen
alternativen Weg gibt, diese Ziele zu erreichen und die britische
Herrschaft in unserem Land zu beenden. Es ist die Aufgabe aller
unserer Aktivisten, hierbei Führungsstärke,
Willenskraft und Mut zu zeigen. Wir sind uns der Opfer unserer
toten Patrioten bewusst, der Opfer derer, die ins Gefängnis
gingen, der Aktivisten, ihrer Familien und der weiteren
republikanischen Unterstützer. Wir sind nach wie vor der
Meinung, dass der bewaffnete Kampf legitim war.
Wir sind uns bewusst, dass viele Menschen in diesem Konflikt
Leid erdulden mussten. Dies ist ein zwingender Grund für
alle Seiten, einen gerechten und dauerhaften Frieden anzustreben.
Das Thema der Verteidigung der nationalistischen und
republikanischen Viertel wurde vielfach angesprochen. Die
Gesellschaft hat die Verpflichtung, sicherzustellen, dass es
keine Wiederholung der Pogrome von 1969 und der frühen
1970er Jahre geben wird. (Anmerkung der Übersetzerin: viele
betrachten die Pogrome und die Verteidigung der Viertel gegen
Loyalisten und Polizei durch die damals neue "Provisional IRA"
als die Geburtsstunde der modernen IRA).
Auch der Kampf gegen Sectarianism (Anmerkung der
Übersetzerin: mit religiösem Mäntelchen
versehener, meist anti-katholisch oder anti-irisch motivierter
Rassismus, der seit der Unterzeichnung des Friedensabkommens zu
über 700 Attacken mit Brandbomben auf irische Viertel
geführt hat) liegt in der allgemeinen Verantwortung. Die IRA
ist dem Ziel der irischen Einheit und Unabhängigkeit
verpflichtet und will dies durch die Bildung einer irischen
Republik, so wie sie in der Proklamation von 1916 skizziert
wurde, erreichen. Wir rufen zur größtmöglichen
Einheit der irischen Republikaner auf, wo immer sie sich
befinden.
Wir sind zuversichtlich, dass wir gemeinsam unsere Ziele
erreichen. Allen unseren Mitgliedern ist die Bedeutung unserer
Entscheidung bewusst und alle sind verpflichtet, die Anordnungen
vollständig umzusetzen. Es gibt nun die
außerordentliche Möglichkeit, die enorme Energie und
die positive Haltung zum Friedensprozess zu nutzen. Diese Serie
unserer besonderen Initiativen ( Anmerkung der Übersetzerin:
die diese Erklärung startet), ist unser Beitrag hierzu und
zu den Bestrebungen, den Menschen in Irland Unabhängigkeit
und Einheit zu bringen.
Die heutige Entscheidung der IRA, in einen neuen, friedlichen
Modus überzugehen, ist historisch und eine mutige und
selbstbewusste Entscheidung. Dies ist ein wichtiger Augenblick in
unseren Bemühungen um einen dauerhaften Frieden. Ich
schätze das Engagement derer, die diese Entscheidung
getroffen haben und rufe zur Einheit und Solidarität aller
irischen Republikaner auf dieser Insel und weltweit auf. Ich rufe
dazu auf, den Kampf mit neuer Energie und Enthusiasmus
weiterzuführen. Die Entscheidung der IRA ist eine
einzigartige Herausforderung und Möglichkeit für alle
Nationalisten und Republikaner.
Wir tragen eine enorme Verantwortung, diese Möglichkeit
wahrzunehmen und irische Freiheit zur Realität werden zu
lassen. Ich rufe alle irischen Nationalisten und Republikaner,
diejenigen eingeschlossen, die sich als Aktivisten der IRA
über Jahre eingesetzt haben, ihr Talent und ihre Energie dem
Aufbau eines neuen Irland zu widmen. Die heutige Initiative der
IRA ist eine Herausforderung für andere: sie nimmt die
britische und die irische Regierung in die Verantwortung, das
Karfreitagsabkommen vollständig und richtig umzusetzen. Vor
allem heißt dies, nicht länger den Unionisten
nachzugeben, die den Friedensprozess ablehnen. Die britische
Regierung muss ihren Verpflichtungen nach Demilitarisierung,
Gleichheit und Umsetzung der Menschenrechtsagenda nachkommen.
Dies heißt, dass die irische Regierung aktiv die Rechte und
die Ansprüche aller ihrer Bürger berücksichtigen
muss, eingeschlossen der Bürger im Norden.
Dies heißt, dass die Unionisten, die für das
Karfreitagsabkommen sind, ihre Ambivalenz aufgeben müssen.
Das Statement ist eine direkte Herausforderung an die Adresse der
DUP, sich zu entscheiden, ob sie die Vergangenheit hinter sich
lassen wollen und Frieden mit dem Rest der Menschen auf dieser
Insel schließen. Die heutige Erklärung der IRA kann
helfen, den Friedensprozess wiederzubeleben. Es geht auf Bedenken
der Unionisten ein und nimmt der Führung der Unionisten die
Ausrede für ihre fehlende Beteiligung (am Friedensprozess).
Es ist keine Überraschung für Republikaner, dass unsere
Gegner uns besiegen wollen. Initiativen der IRA werden die
Haltung derer, die uns bekämpfen, nicht sofort ändern,
egal ob sie in London sitzen, in Dublin oder ob sie Teile der
unionistischen Parteien sind. Wir können davon ausgehen,
dass dies weitergeht und werden in unseren Bemühungen nicht
nachlassen.
Die heutige Erklärung der IRA ist ein klarer Beweis
für das Committement der Republikaner zum Friedensprozess.
Die Frage ist nun, ob die beiden Regierungen und die Unionisten
bereit sind, die Herausforderung aufzunehmen, und die
nächsten Schritte für eine gerechte und friedvolle
Zukunft mit uns einzuleiten. Die Roadmap ist klar. Sinn
Féin ist eine Partei, die nach vorn schaut. Wir haben eine
Vision für die Zukunft, für eine bessere Zukunft und
wir haben die Kraft und das Vertrauen, dies gemeinsam mit anderen
zu erreichen. Irische Republikaner und Nationalisten befinden
sich nun in einer neuen Ära des Kampfes. Es gibt eine
Aufgabe für jeden und jede in dieser neuen Situation. Lasst
uns gemeinsam vorangehen, um den Friedensprozess wieder
aufzubauen und irische Einheit und Unabhängigkeit zu
erreichen."
Gerry Adams hat die Freilassung von Seán Kelly folgend
kommentiert: "Ich freue mich über die Freilassung von
Seán Kelly. Andere Gefangene sind noch immer in Haft,
einbegriffen der in Castlerea als 'qualifying prisoners'
Inhaftierten. Sinn Féin wird sich weiterhin für ihre
sofortige Freilassung einsetzen."
Übersetzung: Uschi Grandel, 29. July 2005. Save
the Good Friday Agreement Coalition (Germany)
unterstützt den Friedensprozess in Nordirland [ www.info-nordirland.de
]
c/o Dr. Uschi Grandel, Holzhaussiedlung 15, 84069 Schierling,
Tel.: 0049.(0)9451.949859