In: Home > DOSSIER > Diaguita-Indianern droht kulturelle Auslöschung
Von Vindar Sido
Bozen, Göttingen, August 2007
Protest gegen Pascua Lama am Tag der Erde 2006.
In Chile gefährden mehrere im "Mining Integration Treaty"
zwischen Argentinien und Chile 1997 vereinbarte Bergbauprojekte
transnational tätiger Konzerne die Lebensgrundlage
indianischer Völker. Die kanadische Barrick Gold Corporation
zum Beispiel will im Huasco-Tal in der Region Atacama im Norden
Chiles Edelmetalle fördern. Das Vorkommen liegt unter
mehreren Gletschern im Grenzgebiet zwischen Argentinien und Chile
und grenzt an die südliche Atacama-Wüste. Unter den
Gletschern Toro I, Toro II und Esperanza auf über 4500
Metern Höhe lagern einige der größten
Goldvorkommen der Welt. In dieses Pascua Lama Projekt will die
Barrick Gold Corp. zwischen 1,5 und 2,5 Milliarden US-Dollar
investieren. Etwa 75% des Abbaugebietes befinden sich auf
chilenischem und 25% auf argentinischem Gebiet. Das kanadische
Unternehmen rechnet damit, innerhalb der kommenden 20 Jahre etwa
17,6 Millionen Unzen Gold (ca. 9,5 Milliarden US-Dollar), 630
Millionen Unzen Silber (ca. 6 Milliarden US-Dollar) und 5.000
Tonnen Kupfer (ca. 25 Millionen US-Dollar) aus dem Berg zu
schürfen.
Barrick Gold wollte ursprünglich die Gletscher einfach
abtragen, um an das Gold zu gelangen. Zwar konnte dies nach
massiven Protesten der Bevölkerung sowie mehreren
Umweltgutachten verhindert werden. Das Gesamtprojekt bleibt aber
weiterhin erlaubt, solange die Jahrtausende alten Gletscher nicht
beschädigt werden. Im Oktober 2006 begann die Nevada Ltd.,
eine Tochtergesellschaft von Barrick Gold, mit dem Bau der Mine.
Über einen fast zwei Kilometer langen und nahezu 3000 Meter
tiefen Graben will man nun an die Edelmetalle gelangen, deren
Förderung voraussichtlich ab 2010 beginnen wird.
Das Bergbauprojekt wird direkte Auswirkungen auf die
Berggletscher haben, die wichtigste Trinkwasserquelle der Region.
Sie speisen den über 1000 Kilometer langen Rio Huasco,
dessen Nebenfluss El Tránsito und das ihn umgebende
Huasco-Tal. In Chile sind etwa 70.000 Menschen direkt durch das
Vorhaben betroffen, auf argentinischer Seite etwa 24.000. Zu
ihnen zählen auch 262 Diaguita-Familien, die im Huasco-Tal
leben und es als traditionelle Heimat beanspruchen. Sie sind
für ihre Jahrhunderte alte Keramikkunst bekannt. Ihr Tal
weist eine große biologische Vielfalt auf, hier leben
seltene Tiere wie der Kondor. Trauben, Olivenöl,
Früchte, Gemüse oder Ziegenkäse aus dem Huasco-Tal
sind begehrt. Die Diaguita konnten sich Jahrhunderte lang
zunächst gegen die Inka, dann gegen die spanischen
Konquistadoren und die Besetzung durch weiße Siedler
behaupten. Vom 18. Jahrhundert an gingen mit zunehmender
Assimilation an die spanisch-kreolische Gesellschaft viele
Merkmale ihrer Kultur verloren.
Offiziell galten die Diaguita in Chile bis vor kurzem als
ausgestorben. Doch 2001 bestätigten Nachforschungen der
chilenischen "Comission for True History and New Treatment" ihre
Existenz. 2006 wurden sie schließlich mit dem Gesetz 20.117
von der Regierung Bachelet als indianische Ethnie mit eigenen
kulturellen Merkmalen anerkannt. Die Diaguita wehren sich gegen
Vorwürfe, sie hätten eine bereits erloschene
Identität wiederbelebt, um in den Genuss staatlicher
Vorzüge zu kommen. Ihr Volk habe nie aufgehört, zu
existieren. Dennoch kam die Anerkennung zu spät. Bereits
1997 wurden ihnen 40% ihres Siedlungsgebietes durch Enteignung
genommen und in drei Distrikte aufgeteilt. Zu ihnen gehört
der Distrikt Chollay, in dem die Barrick Gold Corporation
tätig ist.
Bei der Goldgewinnung wird unter anderem Zyanid verwendet, das
bereits in sehr geringen Mengen tödlich sein kann. Zudem
lagern sich Staubemissionen, die u.a. Uran, Chrom, Asbest, Kobalt
und Arsen enthalten, auf den Gletschern ab und beschleunigen
deren Abtauen. Mit dem Schmelzwasser gelangen diese
Giftablagerungen in Grundwasser und Erdreich. Der Goldabbau wird
ca. 370 Liter Wasser pro Sekunde verbrauchen. Die ohnehin
wasserarme Region wird das besonders hart treffen. Das wenige
verbleibende Wasser wird verschmutzt sein. So gefährdet das
Projekt das natürliche und kulturelle Gleichgewicht der
Region
Zwar wird Barrick Gold kurzfristig etwa 5.500 Arbeitsplätze
schaffen und in die Region investieren, in der eine
Arbeitslosigkeit von 18% herrscht. Das Projekt hat daher durchaus
auch Unterstützer. Aber für die Diaguita, deren Lebens-
und Identitätsgrundlage das Land ist, ist das Projekt Pascua
Lama eine existenzielle Bedrohung. Sie betrachten es als eine
erneute Kolonisation, die zur endgültigen Auslöschung
ihrer Kultur führen wird.
Die Formen des Widerstandes gegen den geplanten Goldabbau, unter
ihnen die "Bürgerbewegung Anti-Pascua Lama" oder der "Rat
zur Verteidigung des Huasco Tals", sind vielfältig. Einige
haben rechtliche Schritte eingeleitet. So wurde im Januar 2007
Klage bei der "Inter-American Commission of Human Rights"
eingereicht. Daneben richteten sich die höchsten
Repräsentanten der Diaguita-Indianer im Oktober und November
2006 schriftlich und persönlich an den Generalmanager des
Konzerns Barrick Gold und den von der kanadischen Regierung
organisierten "Nationalen Runden Tisch zu gemeinschaftlicher
sozialer Verantwortung".
Auch die Berliner Erklärung von 2005, getragen von Nicht
Regierungsorganisationen aus Ecuador, Peru, Deutschland, Belgien,
Ghana, Rumänien, Australien, Chile, den USA und Kanada
fordert den sofortigen Stopp des unverantwortlichen
Goldabbaus.
Aus pogrom-bedrohte Völker 243 (4/2007).
Vedi anche in gfbv.it:
www.gfbv.it/2c-stampa/2007/070319de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2006/060601de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/2006/060516de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/030910bde.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/030929de.html
| www.gfbv.it/2c-stampa/03-2/030826de.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/mapu-mergen.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/mapuche-de.html
| www.gfbv.it/3dossier/ind-voelker/lota2003.html
* www: www.noapascualama.org |
www.aguavalemasqueoro.org
|
www.miningwatch.ca/index.php?/Chile_en/Barrick_opposition |
www.fschile.org |
www.zmag.org/content/showarticle.cfm?SectionID=2&ItemID=9832
| www.olca.cl/oca/chile/pascualama.htm
| http://en.wikipedia.org/wiki/Diaguita