Barham Salih,
Ministerpräsident der autonomen kurdischen Region im
Irak, hat sich beim Treffen mit der sozialistischen
Internationale in Rom (20. Jänner 2003) für einen
Sturz des Regimes von Saddam Hussein ausgesprochen. Salih
plädierte für die Befreiung von einem
rassistischen Regime: Die Tatsache, dass wir uns hier in
Rom treffen, hat symbolischen Charakter. Am 4. Juni 1944
wurde die Stadt durch die alliierten Truppen von Faschismus
und Diktatur befreit. Für das irakische Volk steht der
D-Day kurz bevor. Und wieder ist der Feind eine aggressive
rassistische Politik, die nichts als Leid und Schmerz
brachte. Wir hoffen nun, dass die Befreiung naht.
In meinem Büro in Suleymaniyeh treffen beinahe
täglich Reisende aus Bagdad und anderen Teilen des
Irak ein, die mir von dem anhaltenden Leid, welches durch
das irakische Regime verursacht wird, berichten. Sie
erzählen mir auch von der Hoffnung so vieler Iraker
auf ein freies Land, wo sie ohne Angst denken und sprechen
können. Ich stehe hier nicht nur als Vertreter der
Kurden, sondern als Botschafter aller unterdrückten
Völker des Irak. Sie alle, gleich welcher Herkunft
oder Religion, müssen vereint gegen die Diktatur der
Baath-Partei kämpfen. Der Sturz eines rassistischen
Regimes, das chemische Waffen gegen die Kurden eingesetzt
hat und das Einkommen aus den natürlichen Ressourcen
des Landes lieber in Krieg steckt als in den Bau von
Schulen und die Reform des Staates, ist ein Ziel, das der
Unterstützung jedes Sozialdemokraten würdig
ist.
Im irakischen Kurdistan haben wir viel erreicht:
- Wir haben Dörfer wieder errichtet, die während
der ethnischen Säuberungen des Anfal Feldzugs
zerstört worden waren,
- wir haben am Bildungs- und Gesundheitswesen gearbeitet,
die Kindersterblichkeit ist nun so gering wie noch
nie,
- wir haben unseren Anteil an den Einnahmen aus dem
Ölgeschäft in Pflugscharen statt in "Schwerter"
und in Krankenhäuser statt in chemische Waffen
investiert,
- wir haben freie Medien,
- wir respektieren unsere Minderheiten.
Dies alles sollte dem restlichen Irak zum Vorbild
dienen.
Nun hören wir aber oft Stimmen aus Europa, die
meinen, wir sollten keine Hilfe von außen verlangen,
um uns von der Tyrannei zu erlösen. Es würde
Krieg um Öl bedeuten, und das sei immer falsch. Zudem
würden sich die arabische und muslimische Welt gegen
die richten, die den Irak befreien.
Ich glaube, dass diese Leute es gut meinen, jedoch einem
Irrtum unterliegen. All der Eifer, den sie in ihren
Organisationen und Demonstrationen an den Tag legen, kann
uns leider nicht von der Diktatur in Bagdad befreien. Die
Iraker wissen, dass ihre Menschenrechte sehr oft missachtet
wurden, da das Öl der Welt in der Regel wichtiger war
als ihr Leben. Es unterläge einer gewissen Ironie,
aber wenn das Öl schließlich der Grund für
ihre Befreiung sein sollte, ist es auch gut so. Öl
wird nicht mehr länger ein Fluch, sondern ein Segen
sein.
Die Menschen auf der Straße sagen: "Nein zum Krieg".
Auch ich möchte keinen Krieg, noch wollen ihn
diejenigen, die uns unterstützen, aber er hat bereits
begonnen. Die Diktatur der Baath-Partei führt ihn seit
Jahrzehnten und Hunderttausende von Zivilisten sind ihm zum
Opfer gefallen - denken wir nur an die grausamen ethnischen
Säuberungen in Kirkuk, Khanaquin und Sijar und anderen
Orten des irakischen Kurdistan.
Andere sagen: "Kein Krieg gegen den Irak, Gerechtigkeit
für Palästina". Wieso schließt das
Gerechtigkeit für den Irak aus? Auch ich sage: "Keinen
Krieg", aber das geht nur, wenn es keine Diktatur und
keinen Völkermord gibt. Wir hören so viel
über die muslimische Solidarität und den
sogenannten "arabischen Weg", aber ich weiß, dass die
Straßen von Bagdad voll mit jubelnden Menschen sein
werden, ist der Diktator erst einmal gestürzt. Das
irakische Regime wird gegen ein glaubwürdiges
Auftreten internationaler Kräfte nicht lange
Widerstand leisten.
Diese Erlösung wird nicht das Paradies bedeuten, aber
sie wird Hoffnung und Möglichkeiten schaffen. Der
Traum der Entstehung einer Demokratie kann endlich
Wirklichkeit werden - dafür und für unsere
Zukunft brauchen wir eure Hilfe. Wir brauchen euch auch
nach der Befreiung, um sicherzustellen, daß aus dem
Irak ein demokratischer, friedlicher und stabiler
Bundesstaat wird, wo allen Völkern ihre politischen
Rechte gewährt werden und wo die Regierung dem Recht
treu ist und für seine Menschen arbeitet.
Freunde, es wird keinen Krieg gegen den Irak geben. Aber es
wird und muss eine Befreiung des Iraks geben. Ihr habt um
eurer Werte willen, die sich gegen Diktatur und Rassismus
richten, eine Rolle in dieser Befreiung zu spielen. Lasst
uns im Geiste der Solidarität, der den Sozialisten
immer schon eigen war, gemeinsam den Irak und den Mittleren
Osten zu einem Platz machen, wo Freiheit und Frieden
herrschen.
Siehe auch "DOKUMENTATION"