Bozen, Göttingen, Berlin, 2. September 2003
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV)
begrüßt die Initiative des türkischen
Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan, sich bei einem
Treffen am Dienstag mit den türkischen Vereinen aus
Deutschland auszutauschen. "Es ist jedoch bedauerlich, dass der
türkische Premier keine der zahlreichen Migranten-,
Verfolgten- und Vertriebenenorganisationen von Minderheiten aus
der Türkei zum Gespräch eingeladen hat", kritisierte
der GfbV-Generalsekretär Tilman Zülch am Dienstag.
Offensichtlich wolle die türkische Regierung kurdische,
lasische, tscherkessische, assyro-aramäische, yezidische,
griechische und armenische Organisationen bis heute nicht zur
Kenntnis nehmen. Von deren Seite bestehe jedoch ein großes
Dialogbedürfnis, zumal die von ihnen vertretenen
Minderheiten in der Türkei weiterhin unter Diskriminierung
und Unterdrückung zu leiden hätten.
"Wenn Erdogan auch diese Minderheitenorganisationen eingeladen
hätte, die die Opfer jahrelanger türkischer Politik
vertreten, hätte er ein Zeichen dafür setzen
können, dass es der Türkei wirklich ernst ist mit dem
Schutz ihrer Minderheiten", bedauerte Zülch, "doch diese
Chance wurde nun vertan."
Im Rahmen der Bemühungen um einen EU-Beitritt hat die
Türkei begrüßenswerte Gesetzesänderungen im
Bereich der Menschen- und Minderheitenrechte auf den Weg
gebracht. Ihnen zufolge sollten künftig Minderheitensprachen
geachtet, Religionen und Konfessionen, die von der
Mehrheitsreligion abweichen, respektiert werden. In der
Realität ist die Situation in der Türkei jedoch noch
weit von den gesetzlichen Zielen entfernt. So gebe bis heute
keinerlei Ansätze dafür, das Kurdische in den
Schulunterricht zu integrieren, obwohl es von einem Fünftel
der Bevölkerung gesprochen wird.
Siehe auch den Report des IHD über die Menschenrechtsverletzungen der letzten 6 Monate in der Türkei (Report in Englisch: www.gfbv.it/3dossier/kurdi/ihd-en.html)