Bozen, Göttingen, Brüssel, 25. März 2004
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat zu
Beginn des EU- Gipfels in Brüssel am Donnerstag dringend vor
der geplanten Aufhebung des EU-Waffenembargos gegen China
gewarnt. "Es ist beschämend, dass Rüstungsexporte und
der Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen für die EU Vorrang vor
Menschenrechten haben", kritisierte der GfbV- Asienreferent
Ulrich Delius. Sowohl in Quantität als auch in
"Qualität" seien die in China begangenen
Menschenrechtsverletzungen so außerordentlich, dass eine
Aufhebung des Embargos nicht mit einer Verbesserung der
Menschenrechtslage begründet werden könne. "Kein Land
lässt mehr Menschen nach Todesurteilen hinrichten, kein
Staat hält mehr Bürger ohne faire Gerichtsverhandlungen
in Arbeits- und Umerziehungslagern fest. Kein Land inhaftiert
mehr Journalisten, kein Staat der Welt schließt mehr
Menschen von der freien Nutzung des Internets aus", zieht die
GfbV in einem als Vorabdruck am Donnerstag veröffentlichten
28seitigen Menschenrechtsreport zur Situation in China Bilanz, in
dem auch über die katastrophale Situation in Tibet und in
Xinjiang/Ostturkistan sowie die andauernde Verfolgung von
protestantischen und katholischen Christen und von Anhängern
der Falun Gong-Bewegung berichtet wird. Frankreichs
Staatspräsident hatte in den letzten Wochen betont, dass er
vom EU-Gipfel eine Aufhebung des Waffenembargos erwartet.
"Da die EU-Außenminister massive Kritik der
Öffentlichkeit an Rüstungsexporten nach China
befürchten, spielen sie die Bedeutung der Aufhebung des
Waffenembargos mit dem Hinweis auf den EU- Verhaltenskodex
für Waffenexporte von 1998 herunter", sagte Delius, der in
dem Menschenrechtsreport die bisherige Rüstungsexportpraxis
der EU analysiert. Der Kodex soll umfassenden Waffenlieferungen
nach China angeblich einen Riegel vorschieben. Doch die dort
genannten acht Kriterien zur Genehmigung von
Rüstungsexporten seien bereits in vielen Fällen
verletzt worden. Allein im Jahr 2002 hätten vor allem
Frankreich und Großbritannien, aber auch Spanien,
Deutschland, Belgien und Italien Rüstungslieferungen in
akute Krisengebiete (Indien/Pakistan, Indonesien, Nepal,
Kolumbien, Saudi-Arabien, Angola) oder in Staaten, die
Menschenrechte massiv verletzten (Russland, Türkei, Iran,
Algerien, Usbekistan), genehmigt. Auch exportierten Frankreich
und Großbritannien schon heute Waffen an China, da sie den
Embargo-Beschluss großzügig interpretierten. China
habe bereits großes Interesse an französischen
High-Tech-Waffen signalisiert.
Umfassend wird in dem Report die in den 90er Jahren begonnene
Hochrüstung der chinesischen Streitkräfte dokumentiert.
China sei zur Zeit der bedeutendste Waffenimporteur der Welt. Nur
die USA würden noch mehr Geld für ihren
Verteidigungshaushalt ausgeben. Eine weitere Aufrüstung
würde die Sicherheit nicht nur Taiwans, sondern der gesamten
Region gefährden.