Bozen, Göttingen, 15. Juni 2004
Auf Initiative der deutschen und schweizerischen Sektion der
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) ist in Nasran
in Inguschetien das Forum der tschetschenischen Zivilgesellschaft
gegründet worden. Mehr als 30 Vertreterinnen und Vertreter
von tschetschenischen Menschenrechts-, Flüchtlings- und
Hilfsorganisationen sowie aus Wissenschaft und Medien haben sich
in der vergangenen Woche zu dem Netzwerk "Chechen Civil Society
Forum" (CCSF) zusammengeschlossen. "Das Forum will eine
friedliche Entwicklung der tschetschenischen Gesellschaft auf der
Basis von Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit
fördern", berichtete die GfbV-Europareferentin Sarah Reinke
am Dienstag in Göttingen. Sie war zur Gründung des
Forums gemeinsam mit dem Geschäftsführer der GfbV
Schweiz, Hanspeter Bigler, nach Inguschetien gefahren und Anfang
der Woche nach Deutschland zurückgekehrt.
"Die Politik des russischen Präsidenten Wladimir Putin, der
die tschetschenische Gesellschaft zersplittern will, zeigt
bereits Wirkung. Wir wollen dieser zerstörerischen Tendenz
entgegenwirken", sagte Reinke. Im CCSF seien Opferverbände,
Bürgerinitiativen, lokale Organisationen tschetschenischer
Witwen, von Flüchtlingen und Vertriebenen, Vereine zur
Unterstützung von Minen- und Folteropfern, Invaliden und
Kriegswaisen zusammengeführt und vernetzt worden. Sie werden
Menschenrechtsverletzungen dokumentieren, Zeugenaussagen sammeln
sowie humanitäre Projekte initiieren und betreuen. Mit einer
"Strategie der kleinen Schritte" soll in der tschetschenischen
Gesellschaft so einen Einigungsprozess in Gang gesetzt werden,
der gleichzeitig die Basis legen soll, um der tschetschenischen
Stimme auf internationaler Ebene Gehör zu verschaffen.
Das Forum wurde im inguschetischen Exil gegründet, weil dies
in Tschetschenien aufgrund der Verfolgung durch russische
Sicherheitstruppen nicht möglich ist. In Inguschetien leben
bis zu 50.000 tschetschenische Vertriebene. Nach der zum Teil
erzwungenen Auflösung von Flüchtlingslagern mussten sie
Zuflucht in etwa 400 ehemaligen Kolchosen, so genannten
Kollektivzentren, suchen. Dort müssen sie meist unter
menschenunwürdigen Bedingungen leben.