Bozen, Göttingen, 4. Oktober 2005
Anlässlich der Beratungen über einen möglichen
Beginn von EU-Beitrittsverhandlungen mit Kroatien im März
2005 hat die Gesellschaft für bedrohte
Völker-international (GfbV) den Regierungen der 25
EU-Mitgliedstaaten ihren Report über die Diskriminierung der
serbischen Volksgruppe und die rassistische Ausgrenzung der
kleinen Roma-Minderheit in Kroatien übersandt. Die GfbV
unterstützt zwar den Beginn von Beitrittsverhandlungen,
appellierte gleichzeitig jedoch an die EU, die völlige
Gleichbehandlung dieser beiden ethnischen Gemeinschaften zur
Vorbedingung einer Aufnahme Kroatiens in die EU zu machen.
Die serbische Volksgruppe wird bis heute diskriminiert,
kroatische Behörden und Gerichte missachten ihre Rechte. Nur
ein Drittel der 300.000 kroatischen Bürger serbischer
Nationalität, die von kroatischen Armee bei der
Wiedereroberung der Krajina vertrieben worden waren, konnten
zurückkehren. Kroatische Gerichte und Behörden
verschleppen die Anerkennung und Rückgabe von Wohnungen,
Häusern, Grundstücken und Ländereien oft so lange,
bis die betroffenen Eigentümer aus Altersgründen nicht
mehr zurückkehren können und ihre Kinder der Heimat
entfremdet sind. Lebten 1990 etwa 600 000 Serben in Kroatien,
sind es heute nur noch 201 631 Menschen*. Außerdem werden
serbische Arbeitssuchende vielfach von kroatischen Betrieben und
Behörden benachteiligt, Gerichte verzögern
Entscheidungen bei der Wiedergutmachung oder Anerkennung der
kroatischen Staatsbürgerschaft. Während kroatische
Kriegsverbrechen an Angehörigen der serbischen Volksgruppe
nur unzureichend untersucht werden, werden mutmaßliche
serbische Täter sogar in Abwesenheit verurteilt.
Die 30.000 bis 40.000 Angehörigen der kroatischen
Roma-Gemeinschaft leiden unter rassischer Diskriminierung,
Segregation im Bildungswesen. Auf dem Arbeitsmarkt werden sie
total benachteiligt. Während die serbische Volksgruppe so
wie sieben andere ethnische Minderheiten Kroatiens -
erfreulicherweise - mit eigenen Abgeordneten im nationalen
Parlament vertreten sind, wurde den Roma kein eigener
Repräsentant in der Volksvertretung zugestanden. Scharf
kritisiert die GfbV, dass in einigen Regionen Kroatiens alle
Roma-Kinder gegen den Willen ihrer Eltern in getrennte Klassen
von Hilfs- und Sonderschulen gezwungen werden. In diesem
Zusammenhang muß an die Ausrottung von 28 000 der damals
28.500 Roma während des Zweiten Weltkrieges durch das
Ustascha-Regime Kroatiens erinnert werden.
* Anmerkung: Präsident Franjo Tudjman hat bis zu seinem Tode keine ernsthaften Schritte für die Rückkehr der Vertriebenen unternommen. Nach Auffassung der GfbV ist dieses Unrecht auch nicht mit der Vernichtung von etwa 13 000 kroatischen Zivilisten während des serbisch-kroatischen Krieg zu entschuldigen. Kroatischen Racheakten waren Hunderte von kroatischen Serben zu Opfer gefallen.