Bozen, Göttingen, 7. Februar 2006
Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat am
Dienstag vor der Gefahr einer Ölpest für Ureinwohner
aus der Arktis gewarnt. Mehreren zehntausend Sami, Nenets und
Khanty drohe die Zerstörung ihres Lebensraumes, wenn
Norwegen wie geplant alle seine Gebiete in der Barentssee
für die Ölförderung freigibt. Am Dienstag war ein
vertraulicher Entwurf eines Weißbuchs der norwegischen
Umweltbehörde bekannt geworden, der empfiehlt, in der
Barentssee keine besonderen Schutzgebiete auszuweisen.
Mit Sorge verfolge die Urbevölkerung der Arktis den
Ölboom in der Barentssee, berichtete die GfbV. Jeden Monat
würden im norwegischen oder russischen Teil diesen bislang
saubersten Meeres der Welt neue Ölvorkommen entdeckt und
erschlossen. Für viele der rund 40.000 Sami in Nordnorwegen
sowie die 9.000 Nenets- und Khanty-Ureinwohner im Norden
Russlands sei der Fischfang eine wichtige Lebensgrundlage.
Sollten Öltanker verunglücken oder sich bei der
Ölförderung Unfälle ereignen, so würde nicht
nur der Fischreichtum der Barentssee gefährdet, sondern auch
ein Teil der Lebensgrundlage der indigenen Völker in der
Arktis zerstört. Die Barentssee sei die Kinderstube für
zahlreiche Fischarten.
Zwar plane Norwegen strenge Umweltauflagen bei der
Ölförderung, aber alle Erfahrung zeige, dass eine
Ölpest vorprogrammiert sei. So hätten sich trotz
massiver Umweltauflagen seit 1990 rund 2.500 Unfälle bei der
Ölförderung vor der norwegischen Küste ereignet.
Erst Ende Dezember 2005 hatte der italienische Energiekonzern ENI
in seinem Goliath-Ölfeld in der Barentssee mindestens 100
Millionen Barrel Öl entdeckt. Im Herbst 2006 soll das
"Schneewittchen- Erdgasprojekt" vor der nordnorwegischen Stadt
Hammerfest seinen Betrieb aufnehmen. Im Rahmen dieses Projektes
soll Erdgas aus der Barentssee durch Pipelines zu einer
Erdgasverflüssigungsanlage auf der Insel Melkoya gepumpt
werden, um von dort mit Tankern in die USA und nach Mitteleuropa
transportiert zu werden.
Auch im russischen Sektor der Barentssee werde die Rohstoffsuche
ohne Rücksicht auf Natur und Urbevölkerung
vorangetrieben, kritisierte die Menschenrechtsorganisation. Bis
zum Jahr 2010 will der russische Gazprom-Konzern gemeinsam mit
Norsk Hydro, den US-Unternehmen Chevron, Conoco Philipps und dem
französischen Total-Konzern die Erdgasförderung im
Shtokman Feld aufnehmen. Dort werden 3,2 Trillionen Kubikmeter
Erdgas vermutet. Das russische Unternehmen Arktivshelfneftegaz
investierte seit dem Jahr 2002 rund 50 Millionen US-Dollars in
die Erschließung von drei Ölvorkommen in der
Barentssee.