Bozen, Göttingen, Arbil, 11. Januar 2008
Die
Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) hat
Griechenland und der Türkei am Freitag vorgeworfen, mit
kurdisch-yezidischen Flüchtlingen aus dem Irak besonders
menschenverachtend umzugehen. Statt die nach entbehrungsreichen
Tagen erschöpften Flüchtlinge zu registrieren, in einem
fairen Verfahren ihre Fluchtgründe festzustellen, die
Menschen eventuell aufzunehmen und in andere EU-Länder
weiterzuverteilen, werden die meisten offenbar rigoros in die
Türkei abgeschoben, sagte der GfbV- Nahostreferent Kamal
Sido. Von den türkischen Behörden aufgegriffen, werde
den Yeziden dann ihre letzten Habe abgenommen, bevor sie an den
türkisch-irakischen Grenzübergang Khabur zehn Kilometer
nördlich der Stadt Zakho transportiert und im Niemandsland
abgesetzt werden. So werde die Regionalregierung von
Irakisch-Kurdistan gezwungen, die Flüchtlinge, die meist
keine Ausweispapiere mehr besitzen, aufzunehmen und für sie
aufzukommen.
"Bereits zum dritten Mal seit dem 21. Dezember haben
türkische Behörden eine Gruppe yezidischer
Flüchtlinge ins Grenzgebiet zum Irak gebracht", berichteten
GfbV-Mitarbeiter aus Arbil. Insgesamt hätten bisher rund 300
Yeziden dieses Schicksal erlitten, darunter viele junge
Männer im Alter von 18 bis 30 Jahren, aber auch Frauen und
Kinder. So seien Ende Dezember vier yezidische Familien mit
insgesamt 20 Kindern nach Irakisch-Kurdistan abgeschoben worden.
Die türkische Regierung hatte Medienberichten zufolge
erklärt, ihre Küstenwache entdecke die Flüchtlinge
in türkischen Gewässern, nachdem die griechische
Küstenwache sie dorthin gebracht habe. Diese Angaben
hätten türkische Fischer im Ägäischen Meer
bestätigt. Ein Flüchtling berichtete, dass er mit
anderen Yeziden zwei Wochen lang von der griechischen
Küstenwache auf einer Insel festgehalten worden sei. Dort
hätten sie kaum Trinkwasser und Lebensmittel bekommen.
Nach Informationen der GfbV stammen die yezidischen
Flüchtlinge überwiegend aus dem Gebiet Sinjar, dem
Hauptsiedlungsgebiet der Yeziden im Nordwesten des Irak. Dort
waren bei verheerenden Anschlägen am 14. August 2007 rund
400 Zivilisten ums Leben gekommen. Sinjar gehört zu den
Regionen des Irak, die zwischen der Regionalregierung Kurdistan
und der Zentralregierung in Bagdad umstritten ist. Insgesamt
leben im Irak noch etwa 550.000 der weltweit etwa 800.000
Yeziden. Yeziden wurden als Angehörige einer
jahrhundertealten weder christlichen noch islamischen
Religionsgemeinschaft unter osmanischer Herrschaft häufig
verfolgt. Nach vielen Vertreibungswellen und Massakern in Syrien,
der Türkei und dem Iran sind dort nur noch kleine Gruppen
von Yeziden ansässig. Zehntausende haben in Mitteleuropa
Zuflucht gefunden, allein 50.000 in Deutschland.